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       # taz.de -- BVV-Wahlen in Berlin: Lichtenberg könnte links bleiben
       
       > SPD, CDU und Grüne bringen wohl doch keine Zählgemeinschaft zusammen.
       > Damit hat der bisherige linke Bezirksbürgermeister wieder Chancen auf das
       > Amt.
       
   IMG Bild: In Berlin-Lichtenberg wurde die Linke bei den BVV-Wahlen stärkste Kraft
       
       BERLIN taz | In Lichtenberg sieht es danach aus, als könnte der linke
       Bezirksbürgermeister Michael Grunst eine weitere Wahlperiode im Amt
       bleiben. Seine Partei war aus den Wahlen am 26. September als stärkste
       Partei hervorgegangen, hatte bislang aber keinen Partner für eine
       Zählgemeinschaft finden können. Verhandlungen über ein alternatives Bündnis
       zwischen SPD, CDU und Grünen, bei denen die zweitstärkste Partei SPD den
       Bezirksbürgermeister gestellt hätte, sind aber gescheitert. Das bestätigt
       SPD-Bezirkschef Erik Gührs der taz.
       
       „Die Gespräche sind zu keinem Ergebnis gekommen. Die drei Parteien waren
       auf einem langen, aber guten Weg. Am Ende hat sich aber gezeigt, dass kein
       ausreichendes Vertrauensverhältnis zwischen uns hergestellt werden konnte“,
       sagte Gührs. Die SPD wolle „den Bezirksbürgermeister nicht um jeden Preis
       stellen“.
       
       Der linke Fraktionschef Norman Wolf ist darum optimistisch, dass „die BVV
       am 9. November ein neues Bezirksamt mit Michael Grunst von den Linken als
       Bürgermeister wählt“. [1][Die Linke braucht dazu allerdings mindestens die
       Stimmen von der SPD und der Linken]. Dazu wird es in den kommenden Tagen
       noch Gespräche geben.
       
       Während die Grünen bereits vor einem Monat deutlich gemacht hatten, dass
       Rot-Rot-Grün ihre Wunschkonstellation ist, gibt es von der SPD keine
       deutliche Äußerung. Es ist möglich, dass keine Zählgemeinschaft gebildet
       wird, sondern [2][eine projektbezogene Zusammenarbeit mit wechselnden
       Mehrheiten]. Pessimistisch ist die in der BVV vertretene Tierschutzpartei.
       Deren Verordnete Katja Michel rechnet erst im Frühjahr mit der Bildung
       eines Bezirksamtes, sagt sie der taz.
       
       ## Vergiftetes Verhältnis
       
       Das Verhältnis zwischen den Linken in Lichtenberg und der SPD ist
       vergiftet, seit die Linke 2002 im Bezirksparlament die absolute Mehrheit
       errungen hatte und ohne Absprache mit anderen Parteien Entscheidungen
       durchzog. Besonders bitter für die Sozialdemokraten war es, dass ihr
       damaliger Stadtrat Andreas Geisel mit dem wenig einflussreichen
       Gesundheitsressort abgespeist wurde. 2011 folgte die Retourkutsche. Die SPD
       bildete mit den ebenso an den Rand gedrängten Parteien CDU und Grüne eine
       Zählgemeinschaft und setzte Geisel als Bezirksbürgermeister gegen die Linke
       durch, die stärkste Partei war, aber keine absolute Mehrheit mehr hatten.
       Die Linke zog sich in die Schmollecke zurück.
       
       In der vergangenen Legislaturperiode war es vor allem die Stadtentwicklung,
       bei der die beiden roten Parteien erbitterte Machtkämpfe vollzogen und sich
       beispielsweise zu den Lichtenberger Gewerbegebieten und der Rummelsburger
       Bucht nicht einigen konnten. SPD-Stadtrat Kevin Hönicke hatte im Oktober
       gegenüber der taz moniert, dass die Linke Absprachen nicht eingehalten
       hätte und Vertrauen fehle. „Warum soll das jetzt klappen, wo mit den Grünen
       ein neuer Partner in die bisherige rot-rote Zählgemeinschaft hinzukommt“,
       hatte er gefragt und begründet, warum er eine Zählgemeinschaft ohne die
       Linken präferiere.
       
       ## Inhaltliche Differenzen
       
       Die SPD-CDU-Grünen-Verhandlungen waren nach Berichten von Beobachtern wegen
       unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen zwischen CDU und Grünen
       gescheitert. Dem Vernehmen nach ging es vor allem um
       stadtentwicklungspolitische Themen. Dieses nach dem Bürgermeisteramt
       wichtigste Ressort im Bezirksamt wäre dem zweitstärksten Partner in der
       Zählgemeinschaft zugefallen.
       
       Grüne und CDU waren aber in der Wählergunst ungefähr gleichauf. Beide
       Parteien genau wie die SPD hatten die taz-Anfrage unbeantwortet gelassen,
       welcher Partei in der Kenia-Konstellation dieses Ressort zugefallen wäre.
       
       Der Tagesspiegel hatte von einer Intervention der künftigen Regierenden
       Bürgermeisterin Franziska Giffey gegenüber der Lichtenberger SPD berichtet.
       Eine stabile Mehrheit mit einem SPD-Mann als Stadtentwicklungsstadtrat sei
       Giffey für die Landesebene wichtiger als ein auf wackeligem Fundament
       stehender SPD-Bürgermeister, hieß es dort.
       
       1 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Buergermeisterstreit-in-Lichtenberg/!5806147
   DIR [2] /Streit-um-Buergermeister-in-Lichtenberg/!5813258
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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