# taz.de -- Keine Hormon-Unterschiede bei Emotionen: Schluss mit gefühlten Wahrheiten
> Männer sind rational, Frauen unterliegen häufig ihren Emotionen. So das
> Klischee. Eine neue Studie findet dafür nur wenig Beweise.
IMG Bild: Nur Frauen weinen wegen ihrer Hormone. Das stimmt nicht – das beweist nicht nur Messi
Psycholog:innen der [1][Universität Michigan haben 142 Erwachsene über
zwei Monate täglich nach ihrer Stimmung befragt]. Zehn positive Gefühle wie
Fröhlichkeit oder Stolz und zehn negative Gefühle wie Reizbarkeit oder
Angst wurden abgefragt. Das Ergebnis: Gefühle schwanken bei Frauen und
Männern gleich stark. Bei Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel
einnahmen, waren die Schwankungen zwar etwas schwächer, jedoch zeigte die
Studie deutlich, dass Emotionen durch viele Komponenten wie äußere Umstände
beeinflusst werden und nicht nur durch Hormone.
Bis in die 90er Jahre wurden Frauen häufig von medizinischen Tests
ausgeschlossen, unter anderem in der Annahme, die hormonellen Unterschiede
im weiblichen Zyklus würden das Ergebnis verfälschen.
Die Geschlechterbenachteiligung beginnt bei der männlichen Labormaus und
endet in falscher Medikamentendosierung und damit in einer höheren
Sterblichkeit für Frauen. Zu lange gab es zu wenige medizinische
Untersuchungen mit Probandinnen. Frauen von der Forschung auszuschließen,
ist also nicht nur gefährlich, sondern basiert laut der neuen Studie auch
auf einem falschen Genderklischee.
Erst seit 2001 wird in der EU Arzneimittelforschenden die Ermittlung
[2][eventueller Wirkungsunterschiede zwischen Frauen und Männern] im Rahmen
klinischer Untersuchungen empfohlen. Werden Frauen nicht berücksichtigt,
„kann die Genehmigung verweigert werden“, heißt es in einem Positionspapier
der forschenden Pharmaunternehmen aus dem Jahr 2020. „Kann“, nicht „muss“.
Die Studie war nicht repräsentativ, kleine Unterschiede zwischen den
Geschlechtern können die Forschenden deshalb noch nicht vollkommen
ausschließen. Ihr Fazit lautet dennoch: „Wäre der Einfluss der
Sexualhormone im Alltag so bedeutsam wie gedacht, dann hätte man
deutlichere Unterschiede sehen müssen.“
Frauen sind also überraschenderweise nicht emotionaler als Männer – hätten
sie doch angesichts der strukturellen Benachteiligung allen Grund dazu.
2 Dec 2021
## LINKS
DIR [1] https://www.nature.com/articles/s41598-021-00143-7
DIR [2] /Geschlechtersensible-Medizin/!5750217
## AUTOREN
DIR Nele Sophie Karsten
## TAGS
DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
DIR Feminismus
DIR Hormone
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DIR Bildung
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