URI: 
       # taz.de -- Österreich sagt Bau des Lobautunnels ab: Ende eines Prestigeprojekts
       
       > Die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler macht ernst:
       > Sie kippt das erste Großprojekt zugunsten von Klima und Naturschutz.
       
   IMG Bild: Eine Rothirschkuh watet durch ein Gewässer der Lobau in Niederösterreich
       
       Wien taz | Der umstrittene Lobau-Tunnel bei Wien wird nicht gebaut. Das
       verkündete jedenfalls [1][Österreichs grüne Umwelt- und Verkehrsministerin]
       Leonore Gewessler am Mittwochvormittag offiziell. Der Boden unter dem
       Naturschutzgebiet bleibt unangetastet. Umweltschützer zeigten sich erfreut,
       Wirtschafts- und Autofahrerlobbys verärgert.
       
       Die Lobau ist ein Auengebiet, das sich am linken Ufer der Donau zwischen
       Wien und der Mündung der March an der Grenze zur Slowakei erstreckt. Sie
       ist Teil des Nationalparks Donau-Auen, den Umweltschützer in den 1980-er
       und 90-er Jahren gegen die Wasserkraftlobby erkämpften, und gilt als
       Rückzugsgebiet für verschiedene bedrohte Arten. [2][Seit August halten
       Aktivisten das Gebiet besetzt], wo der Tunnel nach Plänen der Stadt Wien
       und der Autobahnen und Schnellstraßen-Finanzierungs AG beginnen sollte.
       
       Gewessler hatte im Sommer eine Neuevaluierung aller in Planung befindlichen
       Straßenbauprojekte durch das Ministerium und externe Experten des
       Umweltbundesamts beauftragt. Das brachte eine seltsame Koalition aus SPÖ,
       ÖVP und FPÖ gegen die Grünen-Ministerin auf.
       
       2021 könne man nicht mehr „mit gutem Gewissen“ sagen, man baue eine Straße
       durch ein Naturschutzgebiet, sagte Gewessler am Mittwoch. Sie wolle „nicht
       in 30 Jahren zurückschauen müssen und erkennen: „Mir hat der Mut gefehlt“.
       Das Großprojekt würde mehr CO2, Lärm bedeuten und die vierspurige
       Stadtautobahn so viel Boden versiegeln, dass Österreich unmöglich sein Ziel
       erreichen könne, den Bodenverbrauch von derzeit 11,5 Hektar täglich bis
       2030 auf 2,5 Hektar zu reduzieren.
       
       ## Trostpflaster für die Wiener SPÖ
       
       Die 4,5 Kilometer lange Autobahnspange, die die Seestadt Aspern im Wiener
       Bezirk Donaustadt an die bestehende Stadtautobahn anbinden soll, darf aber
       gebaut werden. Dieses Trostpflästerchen verabreichte Gewessler Wiens
       Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der rechtliche Schritte gegen die
       Entscheidung angedroht hatte.
       
       Die Ministerin hat gute Argumente auf ihrer Seite. Österreich gehört zu den
       Ländern, die ihre CO2-Emissionen seit 1990 noch gesteigert haben, vor allem
       im Verkehr. In zehn Jahren muss der motorisierte Individualverkehr in Wien
       deshalb von 27 auf 15 Prozent gedrosselt werden. Auch dass der Tunnel die
       bestehenden Straßen entlasten würde, glaubt Gewessler nicht: „Experten
       sagen deutlich: mehr Straßen sorgen für mehr Autos und mehr Verkehr.“
       
       Der 8,2 Kilometer lange Tunnel sollte in einer Tiefe von 60 Metern unter
       dem Schutzgebiet die Donauquerung ermöglichen. Tief genug, so die
       Fürsprecher des Projekts, um das Ökosystem des Naturparks nicht zu stören.
       „Der Lobau-Tunnel hätte ein unersetzliches Naturparadies gefährdet und
       sämtliche Klimaziele konterkariert“, sagt dagegen die Umweltorganisation
       WWF. „Die dafür vorgesehenen Milliarden hätten wertvollen Boden zerstört
       und wären insgesamt völlig falsch investiert worden“, so
       WWF-Programmleiterin Hanna Simons.
       
       Gewessler hat damit zwar die Naturschutzexperten auf ihrer Seite, aber
       neben dem Wiener Bürgermeister und der FPÖ auch Finanzminister Gernot
       Blümel (ÖVP) gegen sich. Er will die Kollegin „zur Vernunft“ bringen. Für
       dicke Luft in der Regierung ist gesorgt.
       
       1 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bus-und-Bahn-in-Oesterreich/!5789979
   DIR [2] /Internationaler-Klimaprotest/!5801040
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Mobilität
   DIR Naturschutz
   DIR Österreich
   DIR wochentaz
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Maike Schaefer
   DIR Wald
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nachhaltige Stadtentwicklung: Wo Wien jetzt eine Küste hat
       
       In der Seestadt Aspern werden Konzepte für die klimafreundliche Stadt der
       Zukunft ausprobiert. Geht das gut?
       
   DIR „Klimacheck“ in Österreich: Gesetz in der Warteschleife
       
       Eigentlich sollen in Österreich alle Gesetze per „Klimacheck“ auf ihre
       Nachhaltigkeit geprüft werden. Doch das Vorhaben hängt in der Luft.
       
   DIR Verkehrspolitik der neuen Regierung: Von der Ampel ausgebremst
       
       Kein Tempolimit, kein Vorrang für Bahn-Bus-Rad-Verbünde: Der
       Koalitionsvertrag enttäuscht Befürworter:innen der Verkehrswende.
       
   DIR Bremer Senatorin über Verkehrsversuche: „Man braucht Akzeptanz“
       
       Vollsperrung, Liegestühle, Einbahnstraße: Wie Verkehrswende aussehen kann,
       versucht Bremen mit Experimenten herauszufinden.
       
   DIR Neue Studie zu Wald und Klimakrise: Problemfall Kettensäge
       
       Der Schutzstatus als „Natura-2000-Gebiet“ hilft Wäldern in der Klimakrise
       wenig. Dies zeigt eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie.