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       # taz.de -- US-Prozess um Tod von Ahmaud Arbery: „Wir schießen dir den Kopf weg!“
       
       > Im US-Bundesstaat Georgia wird die Tötung des Schwarzen Ahmaud Arbery
       > verhandelt. Angeklagt sind drei weiße Männer, fast alle Geschworenen sind
       > weiß.
       
   IMG Bild: Ein Schusswaffenexperte prüft eine Flinte im Prozess um die Erschießung von Ahmaud Arbery
       
       New York taz | „Im Gerichtssaal sitzen zu viele schwarze Pastoren“,
       bemängelt Anwalt Kevin Gough. Die beiden anderen Verteidiger in dem Prozess
       gegen die mutmaßlichen Mörder des unbewaffneten Schwarzen Joggers
       [1][Ahmaud Arbery] stimmen ihm zu. Sie beantragen, dass die Pastoren
       ausgeschlossen werden. Die Begründung der weißen Anwälte: die Anwesenheit
       der Geistlichen, die zugleich prominente Bürgerrechtler sind, könnte die
       Geschworenen „beeinflussen und einschüchtern“.
       
       Fast alles in dem Mordprozess in Brunswick, im Süden des Bundesstaates
       Georgia, hat mit der Hautfarbe zu tun. Es fängt an mit der Verfolgungsjagd
       vom 23. Februar 2020, bei der sich drei weiße Männer in zwei Pickups das
       Recht genommen haben, den 25-jährigen Schwarzen Jogger auf den Straßen
       ihrer Vorstadtsiedlung zu verfolgen, in die Enge zu treiben und zu
       erschießen. „Bürgerfestnahme“ nennen sie ihre Aktion. Und begründen sie
       damit, dass zuvor ein Schwarzer junger Mann dabei beobachtet worden sei,
       wie er unbefugt einen Rohbau in Augenschein nahm.
       
       Es geht weiter damit, dass die drei weißen Männer, von denen einer früher
       für die Polizei gearbeitet hat, monatelang auf freiem Fuß geblieben sind.
       Sie kamen erst hinter Gitter, nachdem im Mai 2020 das [2][Video] bekannt
       wurde, das einer der drei von der tödlichen Verfolgungsjagd gefilmt hat. Es
       löste einen Aufschrei des Entsetzens aus.
       
       Und es setzt sich fort in der Zusammensetzung der Jury in dem Prozess. In
       Glynn County, in Georgia, sind mehr als 25 Prozent der Bevölkerung
       Afroamerikaner, aber in dem Prozess sind elf der zwölf Geschworenen weiß.
       Es gab genügend Schwarze Kandidaten für die Jury. Aber die Verteidiger
       lehnten sie wegen angeblicher Befangenheit ab. „Wir brauchen Bubbas“, sagt
       einer der Anwälte, „weiße Männer über 40 ohne Universitätsabschluss“.
       
       ## Die Angeklagten berufen sich auf Selbstverteidigung
       
       Wanda Cooper-Jones, die Mutter des toten Joggers, nennt die
       Geschworenenauswahl „niederschmetternd“. Die Staatsanwaltschaft spricht von
       einem Fall von „absichtlicher Diskriminierung“. Der weiße Richter Richter
       Walmsley, der den Prozess leitet, stimmt dieser Einschätzung zu. Aber er
       unternimmt nichts gegen die Geschworenenauswahl. Sein Ton wird jedoch
       ärgerlich, als die Verteidiger in der vergangenen Woche beginnen, den
       Ausschluss der „Schwarzen Pastoren“ zu verlangen und als sie in dieser
       Woche zusätzlich den Antrag stellen, den Prozess wegen deren Anwesenheit
       als „fehlerhaft“ abzubrechen. Richter Walmsley nennt das Ansinnen
       „verwerflich“ und mahnt die Verteidiger zu Mäßigung: „Ihre Worte haben
       [3][eine Wirkung]“.
       
       Das Video von der Verfolgungsjagd und den tödlichen Schüssen unter den
       Palmen in Satilla Shores, einem mehrheitlich weißen Stadtteil am Rand von
       Brunswick, erinnert viele in den USA an einen Lynchmord. Als Arbery am
       frühen Nachmittag des 23. Februar 2020 an der Einfahrt des angeklagten
       Vaters und seines Sohnes vorbei joggte, schulterten die beiden
       Hauptangeklagten ihre Gewehre, sprangen in ihren Pickup-Truck und nahmen
       die Verfolgung des Joggers auf. Ein Nachbar von ihnen, der jetzt der dritte
       Angeklagte ist, schloss sich ihnen in einem zweiten Pickup an und filmte,
       was folgte.
       
       Die Verfolger kannten den jungen Mann nicht. Der Jogger versuchte mehrfach,
       ihnen auszuweichen und wechselte seine Laufrichtung. „Wir schießen Dir den
       Kopf weg“, schrie ihm einer von ihnen aus seinem Pickup zu. Bei einem
       Polizeiverhör beschrieb er später: „Er war in der Falle wie eine Ratte“.
       
       Vor Gericht argumentieren die Angeklagten mit „Selbstverteidigung“. Nachdem
       sie Arbery in die Enge getrieben hatten, soll der unbewaffnete Jogger einen
       von ihnen, der mit einem Gewehr unmittelbar vor ihm stand „angegriffen“
       haben. Arbery erlitt zwei Schussverletzungen, von denen jede einzelne
       tödlich war.
       
       Das Gesetz über „Bürgerfestnahmen“, auf das sich die Angeklagten berufen,
       stammt aus der Ära der Sklaverei. Seit dem Tod von Arbery haben
       Bürgerrechtler in Georgia durchgesetzt, dass es abgeschafft wurde. In dem
       Bundesstaat dürfen Bürger jetzt nur noch in Ausnahmefällen – unter anderem
       bei Ladendiebstahl – selbst Festnahmen vornehmen. In zahlreichen anderen
       Bundesstaaten der USA sind „Bürgerfestnahmen“ bis heute geltendes Recht.
       
       Die Schwarzen Pastoren, die bislang nur einzeln in den Gerichtssaal
       gekommen sind, um an der Seite der Eltern von Arbery zu sitzen, wollen als
       nächstes eine andere Form der Unterstützung zeigen. Sie haben angekündigt,
       dass sie sich am Donnerstag zu einem öffentlichen Gebet vor dem
       Gerichtssaal in Brunswick versammeln werden.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rassismus-in-den-USA/!5683573
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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