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       # taz.de -- Kinotipps für Berlin: Der ganze Wahnsinn
       
       > Das Klick Kino zeigt mit Jacques Tatis „Playtime“ eine grandiose
       > Inszenierung der Moderne. „Quo vadis, Aida?“ erzählt vom Genozid in
       > Srebrenica.
       
   IMG Bild: Die Moderne Welt produziert das ewig Gleiche: „Playtime“
       
       Immer einen Gang ins Kino wert ist Jacques Tati mit seinem Meisterwerk
       „Playtime“ (1967), einem eher beklemmenden als wirklich komischen Film über
       die moderne Welt, in dem der von Tati verkörperte Monsieur Hulot in einer
       Odyssee durch ein imaginäres Paris voller Glas- und Betongebäude irrt,
       deren Räume komplett austauschbar und ihrer Funktion entkleidet sind.
       
       Ob Flughafen, Büros oder Krankenhaus – [1][in Tatis Inszenierung mit
       starren und extrem tiefenscharfen Totalen sieht alles gleich aus]. Die Gags
       sind dabei ganz an den Rand des Geschehens gerückt, werden oft von langer
       Hand vorbereitet, um dann nahezu beiläufig irgendwo im Hintergrund
       abzulaufen.
       
       Die Gegenwelt entwirft Tati in der zweiten Hälfte des Films mit Szenen in
       einem Restaurant, in dem am Eröffnungsabend noch nichts fertig ist und
       immer noch die Handwerker arbeiten: Je chaotischer es zugeht, umso
       gemütlicher finden es die Gäste. Im Anschluss an die Vorführung im
       Klick-Kino diskutieren die Innenarchitektinnen Juliane Moldrzyk und Inga
       Ganzer über individuelle Raumlösungen für Arbeitsräume (18. 11., 20 Uhr,
       [2][Klick-Kino]).
       
       Der Name der bosnischen Kleinstadt Srebrenica ist bis heute mit den
       schlimmsten Kriegsverbrechen verbunden, die in Europa seit dem Zweiten
       Weltkrieg verübt wurden. Anfang Juli 1995 besetzte die bosnisch-serbische
       Armee der Republika Srpska unter General Mladić die von der UN
       eingerichtete Schutzzone – ohne nennenswerte Reaktion der dort
       stationierten niederländischen Blauhelm-Soldaten.
       
       Bald drängten sich rund 25 000 Flüchtlinge in und um die Basis der
       Blauhelme in Srebrenicas Nachbarort Potočari. In den folgenden Tagen begann
       die bosnisch-serbische Armee im Rahmen ihrer „ethnischen Säuberungen“ dort
       mit der Deportation von Frauen, Kindern und Alten. Männer und Jungen im
       wehrfähigen Alter wurden ausgesondert, sie fielen anschließend
       Massenerschießungen zum Opfer. Von insgesamt über 8000 Opfern geht man
       heute aus, viele sind bislang noch nicht gefunden oder identifiziert.
       
       Vor diesem Hintergrund lässt die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić
       (Gewinnerin des Goldenen Bären bei der Berlinale für „Esmas Geheimnis“,
       2006) ihren Film „Quo vadis, Aida?“ spielen. Die Perspektive ist dabei eine
       explizit weibliche: Titelheldin Aida (Jasna Đuričić) ist eine verheiratete
       Frau in den Fünfzigern mit zwei erwachsenen Söhnen, und arbeitet als
       Übersetzerin für die niederländischen Blauhelm-Soldaten.
       
       Bald schon wird ihr klar, dass ihre Familie extrem bedroht ist und von den
       UN-Soldaten tatsächlich kein Schutz zu erwarten ist. Entsprechend sucht sie
       nach immer neuen Wegen, ihren Mann und die Söhne zu retten, reibt sich auf
       zwischen ihrem Job, den Mitbürgern immer sinnlosere Infos und Anordnungen
       der Blauhelme zu kommunizieren, und dem sich abzeichnenden Familiendrama.
       
       Geschickt verbindet Žbanić die historische mit der persönlichen Ebene,
       macht Aidas Geschichte zu einer Art privatem Thriller, in dem die
       Ausgangslage – einer der Söhne hat es in das UN-Lager geschafft, während
       der andere mit dem Vater zunächst vor den Absperrungen ausharren muss – nur
       den Beginn einer ständig eskalierenden Serie von lebensbedrohlichen
       Situationen darstellt (21. 11., 12.45 Uhr, [3][Passage]).
       
       Passend zum neuen Biopic über den Dramatiker Thomas Brasch zeigt das
       Babylon Mitte die aus den 1980er Jahren stammenden Film-Regiearbeiten
       Braschs. Darunter auch „Der Passagier“ (1988), in dem Tony Curtis einen
       jüdischen Regisseur verkörpert, der ein eigenes dramatisches Erlebnis aus
       der Naziära verfilmen und bewältigen will (22.11., 20 & 22.15 Uhr, 23.11.
       20 Uhr, 24.11., 18 Uhr, [4][Babylon Mitte]).
       
       18 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kinoempfehlung-fuer-Berlin/!5557820
   DIR [2] http://www.klickkino.de/programm/architektur-und-film-playtime/
   DIR [3] https://yorck.de/checkout/step01?showid=11229&siteid=1007
   DIR [4] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/thomas-brasch/4236-thomas-brasch-der-passagier-welcome-to-germany
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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