# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Klimaschutz in die Verfassung
> Die Neuauflage von Rot-Grün-Rot betont den Klimaschutz, will aber keine
> neuen Maßstäbe setzen: Ein Zeitplan, wann Berlin klimaneutral sein soll,
> fehlt.
IMG Bild: Soll ab 2029 nur noch klimaneutral dampfen: Kraftwerk Reuter West
Berlin taz | Mittwochabend auf dem Euref-Campus unter dem Schöneberger
Gasometer: Draußen leuchten die Tesla-Schnelladesäulen rot in der
Dunkelheit; drinnen, im historischen Wasserturm, läuft die [1][siebte Runde
der rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen]. Am Morgen ist die für Energie,
Klima-, Umweltschutz und Mobilität zuständige „Dachgruppe“ von
demonstrierenden Verkehrswende-AktivistInnen nur bedingt freundlich
empfangen worden.
Als das Spitzenteam Giffey-Jarasch-Lederer deutlich später als angekündigt
vor die Presse tritt, stellt es erst einmal klar: Über das Thema Mobilität,
das ebenfalls für Mittwoch auf der Tagesordnung stand, wird immer noch
geredet. Ergebnisse soll es erst am Freitag geben, wenn auch der Komplex
Stadtentwicklung, Bauen und Mieten besprochen wird.
Dafür zeigt sich das Trio einig in Sachen Klimaschutz: Man wolle das Thema
künftig als Querschnittsaufgabe begreifen, betonen alle drei. Jedes
Senatsressort stehe hier mit in der Verantwortung; es werde ein
Monitoringsystem entwickelt, um den Fortschritt zu evaluieren und
gegebenenfalls nachzusteuern. Wem das zu langweilig klingt, der bekommt ein
schickes neues Wort mitgeliefert: „Klima-Governance“.
Die Neuauflage der Koalition werde den Klimaschutz in die Landesverfassung
heben, sagt Klaus Lederer. Er verspricht zudem ein Wärmegesetz, das den Weg
aus der Verbrennung fossiler Energieträger vorgeben soll. Mit der Kohle
soll es nun schon „2028/2029“ vorbei sein, das nennt der Linken-Chef als
neues Verfallsdatum – ab dann soll das Heizkraftwerk Reuter West in Spandau
hauptsächlich auf Erdgas umgestellt sein.
„Übergangsweise wird man Gas nutzen müssen“, so Lederer, man werde aber mit
Nachdruck neue Wärmequellen erschließen, auch Geothermie soll darunter
sein. Mit neuen Förderprogrammen soll der Anteil der Stromerzeugung aus
Berliner Photovoltaik bis 2035 auf 25 Prozent gesteigert werden.
Der Pariser 1,5-Grad-Pfad, zu dem sich Jarasch noch einmal bekennt, [2][ist
damit zumindest nach der Ansicht vieler Klimawissenschaftler nicht zu
halten], und wohl nicht ohne Grund wollen die VerhandlerInnen keine neue
Zeitschiene für das Erreichen der Klimaneutralität definieren.
R2G hatte erst in diesem Sommer das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf
2045 vorgezogen, ein laufendes Volksbegehren fordert dagegen mit
wissenschaftlicher Unterstützung stattdessen das Jahr 2030. „Wir haben mehr
über Maßnahmen als über Zielzahlen geredet“, gibt Lederer zu Protokoll, und
auch Jarasch meint: „Zielzahlen sind schnell aufgeschrieben.“ Weshalb man
es offenbar gerade nicht tun wollte.
## Chefinnensache Gepflegtheit
Wer Franziska Giffey zuhört, bekommt ohnehin den Eindruck, das die künftige
Regierende lieber „Gepflegtheit“ zur Chefinnensache machen möchte: „Wenn
wir über die hehren Ziele des Klimaschutzes sprechen“, so Giffey, dürfe man
nicht vergessen, dass auch Sauberkeit eine Stadt lebenswert mache. Die
Vermüllung des öffentlichen Raums müsse ein Ende haben: „Die Couch oder die
alte Matratze auf der Straße sind nicht gut für das Bild unserer Stadt.“
Man wolle deshalb auch die Straßen und Grünflächenämter der Bezirke besser
ausstatten.
## Neue Hoffnung für die Stadtgrün-Charta
Bei Jarasch klingt das alles etwas moderner und, nun ja, grüner: „Die Stadt
soll wieder atmen, wir brauchen mehr Brunnen, mehr Bänke, mehr Bäume.“ Ihr
zufolge wird auch ein stagnierendes Projekt schleunigst umgesetzt: „Im
Wahlkampf haben wir uns bei diversen Gesetzen verhakt, aber jetzt werden
wir die [3][Charta für das Berliner Stadtgrün mit diversen Klarstellungen
beschließen].“ Welche das sind – die SPD hatte die Charta wegen ihrer
Priorisierung des Freiflächenerhalts blockiert –, auch das wird sich
vielleicht am Freitag erhellen.
18 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Claudius Prößer
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