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       # taz.de -- Domestizierung von Pferden: Die Innovation aus der Steppe
       
       > Pferde wurden erst vor rund 4.000 Jahren im Süden des heutigen Russlands
       > domestiziert. Das wurde durch eine neue Genomstudie herausgefunden.
       
   IMG Bild: Przewalskipferde-Gang im Schutzgebiet Gobi B in der Mongolei
       
       Ein gutes Pferd hat keine Farbe? Vor rund 4.000 Jahren galt diese Weisheit
       heutiger Reiter:innen höchstwahrscheinlich nicht. Denn die neuartigen,
       domestizierten Pferde, die damals die Steppen eroberten, waren nicht mehr
       beige oder mausgrau – also falbfarben – wie ihre wilden Ahnen.
       
       Sie waren braun, fuchsfarben oder schwarz und waren als sensationelle
       Innovation gleich zu erkennen. Darauf deutet eine [1][internationale
       Forschungsarbeit] zum Ursprung [2][des Hauspferdes] hin, die kürzlich in
       der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde.
       
       Unter der Federführung der Universität Toulouse beteiligten sich zahlreiche
       Forschungseinrichtungen weltweit daran, das Geheimnis aufzuklären, wo und
       wann der Mensch das Pferd domestizierte, als letztes der noch heute
       gehaltenen Nutztiere.
       
       Arne Ludwig, Professor für Tiergenetik am Berliner Leibniz-Institut für
       Zoo- und Wildtierforschung, war an der Analyse der Fellfarben beteiligt.
       „Unsere heutigen Pferde wurden später domestiziert als gedacht“, sagt
       Ludwig, „vor circa 4.000 Jahren in der unteren Wolga-Don-Region, die heute
       im Süden Russlands liegt.“
       
       Für ihre Genomanalyse erhielten die Forscher:innen von Archäologen und
       Museen weltweit Knochenproben von 273 Pferden; sie analysierten ihr Erbgut
       und verglichen es mit dem Genom heutiger Hauspferde. Dabei war die älteste
       Probe rund 50.000 Jahre, die jüngste rund 2.200 Jahre alt.
       
       ## Das „TURG-Pferd“
       
       Je älter die untersuchten Knochen waren, desto deutlicher unterschieden
       sich ihre Genome voneinander und vom heutigen Pferd. Nur von einem
       Wildpferdtyp ließ sich eine direkte genetische Linie zum modernen Pferd
       ziehen: dem „TURG-Pferd“ getauften Tier aus der Wolga-Don-Region.
       
       „Diese Pferde waren offenbar allen anderen überlegen“, sagt [3][Johannes
       Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie] in
       Leipzig, das Knochenproben beigesteuert hat. Innerhalb weniger Hundert
       Jahre haben die TURG-Pferde alle anderen Typen verdrängt und sich
       „explosionsartig vermehrt“, so Krause.
       
       „Diese Pferde verbreiteten sich schneller als die Menschen, die sie
       züchteten“, schlussfolgert der Archäogenetiker aus der Analyse der
       Pferdegenome sowie aus archäologischen Funden. Das heißt, mit den Pferden
       wurde Handel getrieben. „Sie stellten eine neue Technologie dar“, sagt
       Krause, „die die Mobilität und Kriegsführung revolutionierte.“
       
       Zwar hielten auch ältere Kulturen Pferde – etwa [4][die berühmte
       Botai-Kultur], in deren etwa 6.000 Jahre alten Siedlungen Archäologen Berge
       von Pferdeknochen ausgruben. Aber sie nutzten die Tiere lediglich als
       Fleischlieferanten. Erst die TURG-Pferde ließen sich reiten, denn ihre
       Erbanlagen verhalfen ihnen offenbar zu einem stärkeren Rücken und einem
       friedfertigeren Charakter.
       
       Zu dieser Schlussfolgerung kamen die Wissenschaftler, indem sie einzelne
       Gene moderner Pferde mit denen etwa von Menschen oder Mäusen verglichen.
       Bestimmte Gene des Menschen können chronische Rückenschmerzen auslösen.
       
       „An derselben Stelle des Pferdegenoms finden sich veränderte Gene“, sagt
       Krause. Sie bemerkten auch Übereinstimmungen mit Genen von Mäusen, die sich
       besonders zahm verhielten. „Die Genome der Säugetiere haben sich
       evolutionär betrachtet erst vor Kurzem auseinanderentwickelt, die von
       Pferden und Menschen etwa vor 150 Millionen Jahren.“ Die könne man noch
       ganz gut miteinander vergleichen.
       
       „Die bronzezeitlichen Pferdezüchter nahmen sich die Pferde mit den
       besonderen Fellfarben aus den Herden“, vermutet Arne Ludwig, „und züchteten
       mit ihnen weiter, denn nur sie ließen sich so hervorragend als Reit- und
       Zugtier nutzen.“ Ein gutes Pferd, das war damals ein Rappe, ein Brauner
       oder ein Fuchs.
       
       14 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nature.com/articles/s41586-021-04018-9
   DIR [2] /Wissenschaftler-ueber-Zucht-und-Natur/!5489680
   DIR [3] /Genetiker-ueber-die-Herkunft-der-Europaeer/!5307000
   DIR [4] /Wissenschaftler-ueber-Zucht-und-Natur/!5489680
       
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