URI: 
       # taz.de -- Lockdown in Österreich: Einfach reingetaumelt
       
       > In Österreich hatte sich die ÖVP lange trotz Warnungen gegen strengere
       > Corona-Maßnahmen gewehrt. Nun wird das öffentliche Leben
       > heruntergefahren.
       
   IMG Bild: Vor dem Lockdown, schnell noch zum Impfen: Impfbus in Wien am 18. November
       
       Wien taz | Österreich taumelt ab Montag in einen neuen bundesweiten
       Lockdown. „In Anbetracht der ernsten Lage, in Anbetracht des
       Infektionsgeschehens haben wir keine andere Möglichkeit gesehen“,
       begründete dies Bundeskanzler Alexander Schallenberg Freitagvormittag in
       einer Pressekonferenz nach einer Krisensitzung mit den Landeshauptleuten in
       Tirol. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens soll maximal 20 Tage
       dauern und nach zehn Tagen evaluiert werden. Nach dem 13. Dezember sollen
       Einschränkungen nur mehr für Ungeimpfte gelten.
       
       Ein vor zwei Wochen verhängter [1][Lockdown ausschließlich für Ungeimpfte]
       hatte nicht die erhofften Erfolge gebracht. Seit Tagen explodieren die
       Infektionszahlen. Am Freitag meldete das Gesundheitsministerium einen neuen
       Rekord von 15.809 neu registrierten Coronavirus-Fällen innerhalb der
       letzten 24 Stunden.
       
       Aus den Krankenhäusern kommen dramatische Hilferufe des
       Gesundheitspersonals. In Oberösterreich und Salzburg, den Bundesländern mit
       den höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen, sind die Intensivstationen am Rande
       ihrer Kapazität.
       
       In den vergangenen Tagen hatten sich die Ereignisse überschlagen und die
       Spitzenpolitiker in krasse Widersprüche verheddert. Obwohl die Wissenschaft
       seit Wochen strengere Maßnahmen forderte, hat sich die ÖVP bis zuletzt
       quergelegt. [2][Altkanzler Sebastian Kurz] hatte noch im September
       versprochen, dass „die Pandemie für Geimpfte vorbei“ sei. Dem wollten weder
       dessen Nachfolger Schallenberg, noch die ÖVP-Landeshauptleute
       widersprechen. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, der auf
       Verschärfungen gedrängt hatte, wurde abgekanzelt. Salzburgs Landeshauptmann
       Wilfried Haslauer verhöhnte in einem Interview die Wissenschaftler.
       
       ## Appell, Kinder zu Hause zu lassen
       
       Noch am Donnerstag widersprachen einander sogar ÖVP-Politiker, ob die
       Schulkinder in Fernunterricht geschickt werden oder weiter
       Präsenzunterricht bekommen sollen. Bei der Pressekonferenz wurde jetzt
       klargestellt: Die Schulen bleiben im Prinzip offen – aber Kanzler
       Schallenberg appellierte an alle Eltern, „wo es möglich ist, bitte die
       Schülerinnen und Schüler zu Hause zu lassen“. Sie bekommen dann ein
       Lernpaket, das sie zu Hause abarbeiten können.
       
       Für die konfuse Kommunikation und die offen ausgetragenen
       Meinungsverschiedenheiten entschuldigte sich einzig Gesundheitsminister
       Mückstein. Dem Kanzler kam selbst auf Nachfrage der Presse kein Wort des
       Bedauerns oder der Selbstkritik über die Lippen. „Es liegt offensichtlich
       nicht in der DNA mancher Verantwortungsträger, sich zu entschuldigen“,
       meinte lapidar der Politikberater Thomas Hofer.
       
       Die Politologin Katrin Stainer-Hämmerle nannte das Kind beim Namen: In der
       ÖVP fürchtet man, Ex-Kanzler Kurz könne das Gesicht verlieren, wenn die
       Partei von seinem Versprechen, Corona sei vorbei, abgehe. Schallenberg
       erklärte seine Kehrtwende mit der mangelnden Impfbereitschaft der
       Bevölkerung: „Wir haben auf die gemeinsame Verantwortung gesetzt und
       gehofft und erwartet, dass die Menschen freiwillig zu Impfung gehen.“
       Derzeit sind nur etwa 65 Prozent immunisiert.
       
       Selbst die Impfpflicht, die alle Parteien bisher kategorisch ausgeschlossen
       hatten, soll jetzt kommen. Allerdings erst ab Februar 2022, wenn bis dahin
       nicht ausreichend viele Menschen geimpft sind.
       
       ## Für FPÖ-Chef ist Österreich „Diktatur“
       
       SPÖ-Chefin und Medizinerin Pamela Rendi-Wagner begrüßte die Entscheidung.
       Ganz anders FPÖ-Chef Herbert Kickl, der sich wegen einer Corona-Infektion
       in Quarantäne befindet. Für ihn ist Östereich ab sofort „eine Diktatur“. Er
       hat zur Bekämpfung des Virus das Pferdeentwurmungsmittel Ivermectin und
       Vitamin-D-Therapien empfohlen. Die Folge: In oberösterreichischen Apotheken
       ist das Veterinärmedikament ausverkauft und in der Steiermark liegt eine
       Frau nach Einnahme des Mittels auf der Intensivstation. Ein Mann muss nach
       einer Überdosis Vitamin D intensivmedizinisch behandelt werden.
       Politikberater Hofer fürchtet, dass der bevorstehende Lockdown und die
       Impfpflicht die Spaltung in der Gesellschaft weiter vertiefen könne.
       Profitieren würden Parteien wie die FPÖ und die neue Impfgegnerpartei MFG.
       
       19 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lockdown-in-Oesterreich/!5811064
   DIR [2] /Oesterreichs-Kanzler-Kurz-schmeisst-hin/!5807536
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Österreich
   DIR Lockdown
   DIR Impfstoff
   DIR Impfung
   DIR Pandemie
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Österreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Österreichs Exkanzler zieht sich zurück: Kurz mal Papa statt Politiker
       
       Der einstige Kanzler Österreichs hat seinen Rückzug aus der Politik
       verkündet. Die Geburt seines Sohnes habe ihm gezeigt, dass es Wichtigeres
       im Leben gebe.
       
   DIR Lockdown in Österreich: Unserer Zeit voraus
       
       In Österreich gilt seit Montag ein landesweiter Lockdown. Unsere Autorin
       ist in Wien zu Besuch und fühlt sich, als reise sie in Deutschlands
       Zukunft.
       
   DIR Coronaproteste in Wien: Mit Judenstern gegen die Impfpflicht
       
       In Österreich haben Zehntausende gegen den kommenden Lockdown und die
       Impfpflicht demonstriert. Mit dabei: Rechtsextreme, die FPÖ und Xavier
       Naidoo.
       
   DIR Corona-Proteste in Wien: Tausende gegen den Lockdown
       
       Österreich geht Montag in den Lockdown. Die FPÖ ruft zum Widerstand auf.
       Parteichef Kickl kann nicht demonstrieren, weil er positiv auf das Virus
       getestet wurde.
       
   DIR Österreichs Ex-Bundeskanzler Kurz: Jetzt darf die Justiz ran
       
       Die Aufhebung der rechtlichen Immunität von Sebastian Kurz ist auf dem Weg.
       Das hat der entsprechende Ausschuss einstimmig beschlossen.
       
   DIR Lockdown in Österreich: Ohne Impfung kein Zutritt
       
       In Österreich explodieren die Coronazahlen. Die Regierung reagiert:
       Ungeimpfte dürfen nur noch aus bestimmten Gründen ihr Heim verlassen.
       
   DIR Inserate-Affäre in Österreich: „eXXpress“ gegen Klenk
       
       Ein kleines Boulevardmedium in Österreich raunt Verschwörung gegen den
       „Falter“-Chefredakteur. Dahinter stecken Kurz-nahe Medienleute.