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       # taz.de -- Seilbahn in Berlin wird ÖPNV: Billiges Vergnügen in luftiger Höhe
       
       > In Berlin gibt es eine Seilbahn. Pläne der neuen Landesregierung sehen
       > vor, dass man diese bald mit einem normalem Nahverkehrsticket benutzen
       > kann.
       
   IMG Bild: Die Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf ist die Einzige in ganz Berlin
       
       Berlin taz | Geht es nach der neuen rot-grün-roten Landesregierung, dann
       wird Berlin Vorreiter in hohen Lüften: Als erste Stadt Deutschlands will
       die Hauptstadt laut Koalitionsvertrag ihre Seilbahn in den Öffentlichen
       Personennahverkehr (ÖPNV) integrieren. Die Seilbahn existiert seit der
       Internationalen Gartenbauausstellung 2017 in Marzahn; in Zukunft soll man
       sie mit einem Nahverkehrsticket benutzen können.
       
       Bislang gilt die gerade einmal 1,5 Kilometer lange Schwebestrecke eher als
       Touristenattraktion. Sie verbindet die U-Bahn mit den [1][Gärten der Welt],
       einem beliebten Ausflugsziel im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf. Als
       Teil des ÖPNV wäre die Seilbahn dann auch im Berufsverkehr im Betrieb und
       würde nicht länger um 17 Uhr (sowie im Winter) den Betrieb einstellen.
       
       Die Seilbahnstrecke wurde nicht etwa gebaut, weil der Kienberg, den sie
       überwindet, besonders hoch ist. Die ursprünglich nur kleine Erhebung wurde
       beim Bau der sie umgebenen Plattenbauten durch Bauschutt künstlich auf eine
       Höhe von lediglich 102 Metern über Normalhöhennull aufgeschüttet. Die
       Seilbahn soll vielmehr verhindern, dass das den Berg umgebende
       [2][wertvolle Feuchtbiotop] von den Besuchern der weitläufigen Parkanlage
       mit Gärten aus aller Welt zertrampelt wird.
       
       Seilbahnen als Teil des öffentlichen Nahverkehrs kennt man bisher aus
       lateinamerikanischen Städten, innerhalb derer große Höhenunterschiede
       herrschen. Aber auch in Bremen, Bonn und München gab oder gibt es
       Überlegungen, Seilbahnen zur Lösung von Verkehrsproblemen zu nutzen.
       
       ## Klimafreundlich, leise, schnell zu bauen
       
       Eine Studie der neuen Bundesregierung soll nun bis 2023 zeigen, ob
       Seilbahnen den ÖPNV sinnvoll ergänzen können. Auch der Bund kann dem
       Verkehrsmittel etwas abgewinnen. Es ist klimafreundlich, leise, schnell zu
       bauen und kann den Verkehrskollaps auf den Straßen entlasten. Studienautor
       Sebastian Beck vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer meint, der ÖPNV der
       großen Städte sei zwar gut organisiert, stoße aber an seine Grenzen. „Bei
       der Seilbahn geht es darum, Lücken zu schließen, zu entlasten, zu
       verlängern, zu überbrücken.“ Laut Lars Wagner vom Verband Deutscher
       Verkehrsunternehmen ist der verkehrliche Nutzen wichtig – weil dann eine
       Förderung durch den Bund möglich werde.
       
       Der unmittelbare Nutzen ist für die 1,5 Kilometer kurze Ministrecke in
       Berlin eher bescheiden. Aber es gibt Überlegungen, sie zu verlängern.
       BezirkspolitikerInnen in Berlin fordern zudem, Seilbahnen an anderen Orten
       Berlins zu bauen, beispielsweise zur Erschließung neuer Wohngebiete in
       Berlin-Pankow und -Spandau, wo es weder S- noch U-Bahn gibt und die Straßen
       verstopft sind.
       
       Auch Überlegungen von Seilbahnstrecken über den Wannsee, das Tempelhofer
       Feld oder zum [3][Müggelturm am Müggelsee] waren schon aufgekommen; hier
       wäre der Nutzen eher ein touristischer.
       
       Seit 2018 haben inzwischen alle demokratischen Parteien in
       Marzahn-Hellersdorf gefordert, die Marzahner Seilbahn in den ÖPNV zu
       integrieren. Es erwies sich als sehr praktisch, dass die
       Bezirksvorsitzenden von SPD und Linken, Iris Spranger und Kristian
       Ronneburg, gleichzeitig FachpolitikerInnen ihrer Fraktionen im Berliner
       Abgeordnetenhaus waren und sie auf Landesebene pushen konnten.
       
       Widerstand gab es jedoch von der BVG. Für sie würden Seilbahnen eine neue
       Sparte bedeuten – mit neuen Ausbildungsberufen und bisher nicht vorhandener
       Fachkompetenz. Als Kompromiss wurde die Marzahner Seilbahn bislang nicht
       der bremsenden BVG zugeschlagen, sondern Grün Berlin GmbH, die auch die
       Gärten der Welt betreibt. Das müsste sich mit der Integration in den ÖPNV
       aber ändern.
       
       18 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.gaertenderwelt.de/
   DIR [2] /taz-Sommerserie-Sommer-vorm-Balkon/!5695850
   DIR [3] /Noch-eine-Seilbahn-fuer-Berlin/!5653961
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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