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       # taz.de -- Erbe von Ex-Kanzler Kurz: Neuer Stoff für Ermittlungen
       
       > Ein interner Bericht fördert Ungereimtheiten im Finanzministerium zu
       > Tage. Dabei geht es um horrende Ausgaben für eine Meinungsforscherin.
       
   IMG Bild: Besorgte sich gute Umfragen: Kurz im Wahlkampf 2017
       
       Wien taz | Die Hinterlassenschaften des Systems Kurz werden aufgeräumt. Am
       Donnerstag veröffentlichte das österreichische Finanzministerium einen
       internen Bericht, der schwere Unregelmäßigkeiten aufdeckte. Zentraler
       Kritikpunkt sind Zahlungen an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die
       wohl in Zusammenhang [1][mit manipulierten Umfragen im Auftrag der
       Kurz-Clique] stehen.
       
       Das Bild sei nicht rosig, sagte der Leiter der internen Revision, Hannes
       Schuh. Research Affairs, die Ein-Frau-Agentur von Beinschab, sei vom
       Ministerium mit einer Studie zur „Wirtschafts- und Budgetpolitik“ für knapp
       35.000 Euro beauftragt worden. Ausgezahlt wurden 155.940 Euro. Hinweise auf
       die dahinter stehende Leistung fanden sich in den Unterlagen nicht.
       
       Der Schluss liegt nahe, dass die undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen in
       Zusammenhang mit dem „Beinschab-Österreich-Tool“ stehen. Dieses wurde durch
       veröffentlichte Chats des Kurz-Intimus Thomas Schmid bekannt. Sein von der
       Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschlagnahmtes
       Handy enthielt über 300.000 Chatnachrichten, die [2][den Rücktritt von
       Sebastian Kurz als Bundeskanzler und ÖVP-Chef] nach sich zogen.
       
       Unter anderem wird 2017 zwischen Schmid, Exfinanzminister Gernot Blümel und
       Kurz über nämliches Tool geredet, das dem damaligen Außenminister Kurz
       helfen sollte, Parteichef Reinhold Mitterlehner aus dem Amt zu mobben und
       dann ihn selbst zum Parteichef und Kanzler zu machen.
       
       ## Salopper Umgang
       
       Die mutmaßlich geschönten Umfragen, so suggeriert der Chatverlauf, seien in
       der Gratiszeitung Österreich – heute oe24 – veröffentlicht worden. Dafür
       gab es Inserate des Finanzministeriums, wo mit Schmid ein Vertrauensmann in
       zentraler Position saß. Sabine Beinschab, auch das geht aus den Whatsapp
       und SMS-Nachrichten hervor, sollte ihre Umfragen als Studien in Rechnung
       stellen.
       
       Die Revision musste einen saloppen Umgang des Finanzministeriums mit seinem
       Geld konstatieren. Von 28 überprüften Studien, die von der
       Kommunikationsabteilung des Ministeriums in Auftrag gegeben wurden, seien
       13 an Beinschab gegangen. Auf eine Ausschreibung wurde verzichtet, in 26
       Fällen fehlten die Studienergebnisse und in zwei Fällen waren die Studien
       nicht mehr aufzufinden.
       
       Sie betreffen die Beinschab-Studien „Nulldefizit“ und „Steuerentlastung“.
       Das Gesamtvolumen aller Studien beträgt laut Zahlung rund 1,2 Millionen
       Euro. Bemerkenswert ist auch, dass seit dem Wirken der Kurz-Seilschaft im
       Finanzministerium die Ausgaben der Öffentlichkeitsarbeit von 2,84 Millionen
       (2015) auf 13,22 Millionen Euro 2020 gestiegen sind.
       
       Für die ÖVP rückte der Abgeordnete Christian Stocker aus, der in einer
       Presseerklärung festhielt: „Das Finanzministerium hat in seinem internen
       Revisionsbericht unmissverständlich klargestellt, dass es keinerlei
       Hinweise auf eine Involvierung von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz in die
       heute bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten gibt“.
       
       ## Der Wahrheit nachgehen
       
       Denn es habe sich ausschließlich mit Vorgängen während der „Amtszeiten von
       Hans-Jörg Schelling und Hartwig Löger, und nicht jene von Gernot Blümel“
       befasst. Damit zeige sich einmal mehr, dass die „seitens der
       Oppositionsparteien vorgebrachten Vorwürfe der Faktenlage widersprechen.“
       
       Der Wahrheit soll der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur
       „Inseratenkorruption der ÖVP“ nachgehen, der diese Woche eingesetzt wurde.
       
       17 Dec 2021
       
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