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       # taz.de -- Demos weltweit gegen Gewalt gegen Frauen: „Schweigt nicht!“
       
       > In Europa und Lateinamerika sind zehntausende Menschen auf die Straßen
       > gegangen. In Istanbul haben Polizeikräfte Tränengas gegen Protestierende
       > eingesetzt.
       
   IMG Bild: Bevor das Tränengas kam: Protest in Istanbul, Türkei
       
       Madrid afp | In zahlreichen Städten Europas und Lateinamerikas sind am
       Internationalen Tag zur Beseitigung von [1][Gewalt gegen Frauen]
       zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen. In Madrid und Barcelona
       forderten die Demonstranten am Donnerstag auf Transparenten „Genug der
       männlichen Gewalt gegen Frauen. Lösungen jetzt!“. Auch in Paris, London und
       Istanbul wurde demonstriert ebenso wie in den Hauptstädten Mexikos, Chiles,
       Venezuelas und weiterer lateinamerikanischer Staaten.
       
       Nach Angaben von UN Women, der Organisation der Vereinten Nationen für die
       Gleichstellung der Geschlechter, hat fast jede dritte Frau weltweit bereits
       körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. „Gewalt gegen Frauen ist eine
       globale Krise“, sagte Sima Bahous, Leiterin von UN Women, in einer
       Videobotschaft.
       
       In Spanien gab es auch in Valencia, Sevilla und weiteren Städten
       Demonstrationen für die Rechte von Frauen. Der Kampf gegen häusliche Gewalt
       hat in Spanien einen hohen Stellenwert. 2004 verabschiedete das Parlament
       in Madrid das erste europäische Gesetz zur Bekämpfung
       geschlechtsspezifischer Gewalt.
       
       „Wir werden nur dann eine gerechte Gesellschaft sein, wenn wir mit jeder
       Art von Gewalt gegen Frauen Schluss machen“, erklärte der sozialistische
       Regierungschef Pedro Sánchez auf Twitter.
       
       ## Tränengas in Istanbul
       
       In der türkischen Metropole Istanbul nahmen am Donnerstag mehrere hundert
       Menschen an einer Kundgebung gegen Gewalt an Frauen teil. Sie trugen Banner
       mit der Aufschrift „Schweigt nicht zu männlicher Gewalt“ und forderten die
       Regierung auf, [2][zur Istanbul-Konvention zurückzukehren]. Als die
       Protestierenden versuchten, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, setzte
       die Polizei Tränengas ein.
       
       Die Istanbul-Konvention des Europarats ist ein internationales
       verbindliches Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Im Juli war die
       Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan aus dem Übereinkommen
       ausgetreten. Erdoğan war damit konservativen und islamistischen Kreisen
       entgegengekommen. Diese hatten den Schritt mit der Begründung gefordert,
       die Konvention schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen sowie
       Homosexualität.
       
       In der Türkei wurden nach Angaben der Organisation We Will Stop Femicide
       seit Anfang des Jahres insgesamt 345 Frauen getötet. In Spanien wurden in
       diesem Jahr bislang 37 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet.
       
       ## Zehn Femizide pro Tag
       
       Auch Mexiko-Stadt war Schauplatz einer Kundgebung tausender Frauen gegen
       geschlechtsspezifische Gewalt. „Sie starben nicht – sie wurden getötet“,
       hieß es auf einem Transparent. Die Demonstranten skandierten: „Keine
       weitere mehr“.
       
       In Mexiko werden nach Angaben der UNO [3][jeden Tag zehn Frauen getötet],
       seit 2019 fielen laut offiziellen Zahlen insgesamt mehr als 10.700 Frauen
       einem [4][Gewaltverbrechen zum Opfer]. Präsident Andrés Manuel López
       Obrador hatte Kundgebungen für Frauenrechte bereits mehrfach missbilligt
       und gemutmaßt, diese würden von seinen politischen Gegnern organisiert, um
       seine Regierung zu destabilisieren.
       
       In der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile gingen am Donnerstag
       ebenfalls tausende Frauen auf die Straße. Sie richteten ihren Protest
       zugleich auch gegen den ultrarechten und erzkatholischen
       Präsidentschaftskandidaten [5][José Antonio Kast], der als Sieger aus der
       ersten Wahlrunde hervorgegangen war. Kast gilt als Bewunderer des
       neoliberalen Wirtschaftsmodells des früheren Militärdiktators Augusto
       Pinochet.
       
       Kundgebungen zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen
       Frauen gab es auch in Guatemala, Venezuela, Bolivien und Uruguay.
       
       26 Nov 2021
       
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