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       # taz.de -- Recherche der Zeitung „Libération“: 325.000 Euro fiktive Miete
       
       > Eine Recherche bringt Klaus-Heiner Lehne (CDU) in Bedrängnis. Der Chef
       > des EU-Rechnungshofes soll bei Mietzuschüssen an sich selbst betrogen
       > haben.
       
   IMG Bild: Im EU-Parlament schlagen die Recherchen bereits Wellen: Sie könnten die gesamte EU erschüttern
       
       Brüssel taz | Der Europäische Rechnungshof ist für die korrekte Verwendung
       der EU-Gelder zuständig. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die
       Rechnungsprüfer unter Leitung des deutschen CDU-Politikers Klaus-Heiner
       Lehne irgendwelche Missstände beanstanden – zuletzt die chronischen
       Verzögerungen bei EU-Verkehrsprojekten. Doch mit dem eigenen Budget nehmen
       es Lehne und seine engsten Mitarbeiter offenbar nicht so genau.
       
       Zu diesem Schluss kommt die französische Tageszeitung Libération. Ihr
       Brüsseler Korrespondent, Jean Quatremer, der mit seinen Enthüllungen schon
       die ehemalige EU-Kommission unter Jacques Santer zu Fall gebracht hat,
       erhebt schwere Vorwürfe. Lehne habe für eine „fiktive“ Wohnung in Luxemburg
       325.000 Euro zu viel an Zuschüssen kassiert, zu hohe Bewirtungskosten
       abgerechnet und Transparenz bei seinen Ausgaben verweigert.
       
       Statt wie vorgeschrieben an seinem Dienstsitz Luxemburg zu wohnen, halte
       sich Lehne die meiste Zeit in seiner Heimatstadt Düsseldorf auf, wo er für
       die CDU aktiv sei (auf der Webseite der Ratsfraktion wird Lehne tatsächlich
       als Ehrenvorsitzender geführt). Dies widerspreche dem Gebot der
       parteipolitischen Neutralität, heißt es in der Enthüllungsstory unter dem
       Titel „Betrug an der Spitze des Europäischen Rechnungshofs“.
       
       Neben Lehne werden auch zwei Mitglieder seines Kabinetts beschuldigt, zu
       Unrecht üppige Wohnkostenzuschüsse kassiert zu haben. Laut Libération
       teilen sich die hochrangigen Rechnungsprüfer in Luxemburg ein Appartement.
       
       ## Wohngemeinschaft von Frühstücksdirektoren?
       
       Doch die ungewöhnliche Wohngemeinschaft sei fast nie zu Hause, so der
       Bericht, nur vor Kabinettssitzungen am Donnerstag führen große Dienstwagen
       vor. Die meiste Zeit sei die Spitze des Rechnungshofes ganz woanders, mit
       Vorliebe im Ausland.
       
       Sind Lehne und seine Vertrauten also nur „Frühstücksdirektoren“, die ihren
       Job in Teilzeit ausüben? Entziehen sich die Kontrolleure des EU-Budgets
       selbst jeder Kontrolle?
       
       Der Rechnungshof hat drei Tage nach der Enthüllung immer noch keine
       Stellung zu diesen und anderen Vorwürfen bezogen. Eine Anfrage dieser
       Zeitung an Lehnes Sprecher blieb am Sonntag zunächst unbeantwortet.
       
       Doch im Europaparlament in Brüssel schlägt der Bericht bereits hohe Wellen.
       „Das alles riecht stark nach Missbrauch von EU-Geldern“, kritisiert der
       grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. „Es kann nicht sein, dass
       EU-Spitzenposten ausgenutzt werden, um sich selbst zu bereichern“, schrieb
       Freund auf [1][Twitter] und forderte umgehende Aufklärung.
       
       ## Vorsitzende wiegelt ab
       
       Widerspruch kommt von Lehnes Franktionsfreundin [2][Monika Hohlmeier].
       Bisher handele es sich nur um Verdächtigungen, meint die Vorsitzende des
       Haushaltskontrollausschusses. Noch am 24. November hatte sie Lehne im
       Europaparlament begrüßt. „Wie wäre es, wenn wir als Abgeordnete im
       Haushaltskontrollausschuss unsere Hausaufgaben machen würden?“, twitterte
       die CSU-Politikerin. „Meinen ersten Ermittlungen nach ist da leider viel
       falsch.“
       
       Quatremer weist die Kritik zurück. „In weniger als 24 Stunden sind Sie in
       der Lage zu behaupten, dass eine monatelange Untersuchung auf nichts
       beruht. Die Tatsache, dass Sie von der CSU und Lehne von der CDU sind,
       könnte Ihre schnelle Unterstützung erklären“, [3][konterte er]. Er habe
       alles gerichtsfest dokumentiert. Behält er recht, könnte dies nicht nur den
       Rechnungshof, sondern die gesamte EU erschüttern.
       
       28 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/daniel_freund/status/1464593273713053703
   DIR [2] https://twitter.com/MHohlmeier/status/1464645959980400648
   DIR [3] https://twitter.com/quatremer/status/1464704803431452676
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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