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       # taz.de -- Demonstrationen in der Türkei: Proteste gegen Folgen der Inflation
       
       > In mehreren Städten der Türkei protestieren Tausende, weil das Geld nicht
       > mehr zum Leben reicht. Polizei geht gegen StudentInnen in Ankara vor.
       
   IMG Bild: Protest des Gewerkschaftsdachverbandes DISK in Istanbul am Sonntag
       
       Istanbul taz | Mehr als zehntausend Menschen haben am Sonntag in Istanbul
       gegen die [1][explodierenden Lebensmittelpreise] protestiert. Sie forderten
       eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und eine andere
       Wirtschaftspolitik. Auch in Ankara gingen zahlreiche Menschen auf die
       Straße. Während in Istanbul der zentrale linke Gewerkschaftsdachverband
       DISK für die Demonstration mobilisiert hatte, waren es in Ankara vor allem
       Studentenverbände, die gegen mangelnden Wohnraum protestieren.
       
       Die Gewerkschaften treibt um, dass viele ihrer Mitglieder in die Armut
       abzurutschen drohen, obwohl sie täglich zur Arbeit gehen. Der Hauptgrund
       dafür ist die galoppierende [2][Inflation] und die damit verbundenen
       Preissteigerungen. Vor allem die Lebensmittelpreise sind nach
       übereinstimmender Ansicht von Wirtschaftsexperten in den letzten 12 Monaten
       um rund 50 Prozent gestiegen, einzelne Grundnahrungsmittel wie Salatöl sind
       sogar um 130 Prozent teurer geworden. In den letzten Wochen gaben deshalb
       einige Supermärkte nur noch maximal 1 Liter Speiseöl bei einem Einkauf ab,
       weil sich die Preise fast täglich erhöhten.
       
       Da die allermeisten Arbeiter lediglich den Mindestlohn verdienen, forderten
       die DISK-Demonstranten am Sonntag vor allem eine Erhöhung des Mindestlohns.
       Der wird von der Regierung und den Tarifparteien derzeit nun ausgehandelt.
       Während die 3.500 Lira Mindestlohn vor einem Jahr noch gut 400 Euro wert
       waren, sind es jetzt nur noch 230 Euro. Die Gewerkschaften fordern jetzt
       5.200 Lira.
       
       ## Opposition fordert Neuwahlen
       
       Während in Istanbul die Kundgebung der Gewerkschaft von der Polizei relativ
       unbehelligt blieb, schritt die Gendarmerie in Ankara gegen die
       Studentenproteste massiv ein. Bereits am Morgen wurden Busse mit Studenten
       aus anderen Städten gestoppt und an der Weiterfahrt nach Ankara gehindert.
       Von denen, die dennoch im Stadtzentrum protestieren wollten, nahm die
       Polizei 90 Personen fest. Seit Monaten protestieren die Studenten, weil sie
       angesichts der steigenden Preise die Wohnungsmieten nicht mehr zahlen
       können.
       
       Am letzten Wochenende hatte die größte Oppositionspartei CHP trotz Verbot
       eine Großdemonstration in der südtürkischen Hafenstadt Mersin durchgeführt.
       Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu forderte vorgezogene Neuwahlen, weil
       Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Land in die wirtschaftliche Katastrophe
       führe. „Die Finsternis muss enden“, ist die Parole der Opposition.
       
       Hintergrund der Proteste ist die größte [3][Wirtschaftskrise], die die
       Türkei derzeit durchmacht, seit Erdogan, damals noch als Ministerpräsident,
       2003 die Regierung übernahm. Opposition und viele Ökonomen werfen ihm vor,
       durch seine [4][religiös motivierte Niedrigzinspolitik] den Verfall der
       Lira anzuheizen und damit Inflation und Preissteigerungen mit anzutreiben.
       „Die Regierung fährt die türkische Wirtschaft an die Wand“, rief deshalb
       auch Gewerkschaftschef Adnan Serdaroğlu den Protestierenden zu. „Sie muss
       abtreten, bevor es noch schlimmer wird.“
       
       12 Dec 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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