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       # taz.de -- Diskussion über Corona-Maßnahmen: Bitte keine Impfpflicht!
       
       > Durch eine Kampagne nach dem Bremer Modell hätte man die Impfquote
       > erhöhen können. Die allgemeine Impfpflicht dagegen garantiert keine
       > Erfolge.
       
   IMG Bild: Wer mit vulnerablen Gruppen arbeitet, muss geimpft sein. Ende der Diskussion
       
       Bald soll der Bundestag entscheiden, ob sie kommt: die allgemeine
       Impfpflicht. Als ich diese Nachricht hörte, dachte ich nur: Geht’s noch?
       Nachdem Regierende in Bund und Ländern über den Sommer Impfzentren abbauten
       und sich nicht um die niedrige Impfquote kümmerten, tun sie jetzt so, als
       sei die Impfpflicht der einzige Weg aus der Pandemie. Dabei gibt es dafür
       keinerlei Evidenz.
       
       Um das zu sehen, muss man nicht mal ins Ausland schauen. Bremen hat es
       vorgemacht: Die [1][Bremer Verwaltung] schrieb jede*n Bürger*in mehrmals
       an und forderte sie zur Impfung auf, führte eine Impfkampagne in zehn
       Sprachen durch, schickte konsequent mobile Impfstationen in sozial
       benachteiligte Stadtteile und informierte durch ihre Gesundheitsdienste
       schon von Jahresbeginn auf Arabisch und Türkisch über die Impfung.
       
       Kurz: Bremen hat eine Impfkampagne durchgeführt, die diesen Namen verdient.
       Das Ergebnis: Inzwischen sind 93,7 Prozent der Erwachsenen [2][geimpft].
       Die Gesamtimpfquote liegt bei 81 Prozent. Damit liegt Bremen weit vor dem
       bundesdeutschen Schnitt von 69 Prozent.
       
       All das hätte bundesweit passieren müssen. Ist es aber nicht. Selbst ein
       Jahr nach Beginn der Impfungen gibt es keine vergleichbare Kampagne. Auch
       2G-Regeln wurden erst lange nicht eingeführt und dann schlicht nicht
       kontrolliert. Anstatt politische Entscheidungen zu treffen, die zu einer
       Erhöhung der Impfquote hätten führen können, wird nun auf eine Maßnahme
       gesetzt, deren Erfolg alles andere als garantiert ist. Katrin Schmelz,
       Psychologin an der Universität Konstanz, untersucht seit Pandemiebeginn die
       Akzeptanz der Coronamaßnahmen. Ihr [3][Fazit]: Die Akzeptanz von
       Schutzmaßnahmen sinkt, je mehr Zwang ausgeübt wird.
       
       ## Mehr Angriffe auf medizinisches Personal
       
       Es besteht also die Gefahr, dass Menschen, die heute mit einer konsequenten
       Impfkampagne noch erreichbar wären, sich dann erst recht verweigern werden.
       Außerdem: Wenn sich Menschen nicht impfen lassen, soll es Bußgelder geben.
       Also können sich diejenigen „freikaufen“, die genug Kohle haben? Oder es
       gibt dann bald Telegram-Gruppen wie „Spenden gegen die Zwangsimpfung“. An
       Spender*innen würde es sicher nicht mangeln. Ganz zu schweigen vom Hass
       und den Angriffen auf medizinisches Personal, das schon jetzt mit
       tagtäglichen Bedrohungen lebt.
       
       Das Ergebnis einer Impfpflicht könnte also sein: Verzicht auf eine
       Impfkampagne, kaum mehr geimpfte Menschen – dafür eine weitere
       Radikalisierung und Spaltung. Anders verhält es sich bei der Impfpflicht
       für manche Berufsgruppen. Wer mit vulnerablen Gruppen arbeitet, [4][muss
       geimpft sein.] Ende der Diskussion.
       
       Ich verstehe das emotionale Bedürfnis von Menschen, die geimpft sind,
       [5][andere zur Solidarität zu zwingen]. Von Menschen, die langsam nicht
       mehr können. Ich gehöre zu diesen Menschen. Die Politik nutzt dieses
       emotionale Bedürfnis gerade aber schamlos aus. Wir sollten auf eine
       Impfkampagne und -organisation bestehen, anstatt auf „die anderen“
       loszugehen. Damit wird alles nur noch schlimmer.
       
       12 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gesundheitssenatorin-ueber-Impfpflicht/!5818583
   DIR [2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquotenmonitoring.html
   DIR [3] https://www.rnd.de/gesundheit/corona-impfung-menschen-ueberzeugen-nicht-ueberreden-psychologin-katrin-schmelz-im-interview-YOIWZ7F3INGY3KYQ4JLUOBARAA.html
   DIR [4] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5821635
   DIR [5] /Coronamassnahmen-in-Deutschland/!5818686
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gilda Sahebi
       
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