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       # taz.de -- Emissionen durch Lecks in Gasleitungen: Nicht ganz dicht
       
       > Aus vielen Leitungen entweicht der Klimakiller Erdgas. Die Deutsche
       > Umwelthilfe spricht von einem „Methanproblem“ – und fordert bessere
       > Regeln.
       
   IMG Bild: Mehr leckende Gasleitungen als bislang vermutet: Pipeline in Bayern
       
       Berlin taz | Nach der Kohle gerät in Deutschland nun das fossile Erdgas
       immer stärker unter Druck. Nach eigenen Messungen und einem Rechtsgutachten
       fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine Neubewertung der
       klimaschädlichen Methan-Emissionen aus dem Gasnetz. Das Umweltbundesamt
       will das Thema verstärkt unter die Lupe nehmen. Und in der kommenden Woche
       stellt die EU-Kommission eine Regulierung vor, wie in ganz Europa künftig
       die Gasinfrastruktur besser überwacht und gesichert werden soll.
       
       Bereits [1][im Sommer hatte die DUH Messergebnisse an 14 Orten in
       Deutschland veröffentlicht]. Sie zeigten an vielen Stellen bislang
       unbekannte Methan-Emissionen. Die DUH schlug Alarm: Methan, CH4, ist ein
       Klimagas, das kurzfristig etwa 80-mal so stark die Atmosphäre aufheizt wie
       das berüchtigte Kohlendioxid, CO2. „Deutschland hat ein Methanproblem“,
       erklärte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
       
       Jetzt präsentiert die DUH die Antworten der zuständigen Aufsichtsbehörden
       in den Ländern. Tenor: Kein Handlungsbedarf, Unklarheit über
       Gesetzesgrundlagen. Nun fordert die DUH in einem Rechtsgutachten bessere
       Regeln für das Aufspüren und Abdichten von Leckagen. Und: Die Kontrolle
       solle nicht mehr von der Gasindustrie in Eigenregie betrieben werden.
       
       Bislang ist für die Überwachung des Gasnetzes der „Deutsche Verein des Gas-
       und Wasserfachs“ (DVGW) zuständig, ein Verein der Gasunternehmen zur
       technischen Normierung und Prüfung. Weltweit macht der Verlust aus der
       Gas-Infrastruktur fast 3 Prozent der Klimabelastung durch Treibhausgase
       aus. In Deutschland sind das nach offiziellen Zahlen nur 0,7 Prozent, die
       allerdings an den 500.000 Kilometer langen Leitungen errechnet, nicht
       gemessen werden.
       
       Daran stört sich die DUH: „Wir wissen nicht, wie hoch der Verlust wirklich
       ist“, kritisiert Klimaexperte Constantin Zerger. Die Messungen hätten
       gezeigt, dass es viele nicht entdeckte Lecks gebe. Die Behörden sollten
       Satellitendaten nutzen und selbst messen. „Als das in den USA gemacht
       wurde, mussten die Meldungen um 60 Prozent nach oben korrigiert werden“, so
       Zerger.
       
       ## Thema gewinnt auch international an Bedeutung
       
       Gasindustrie und Behörden sind da entspannter. Sie weisen darauf hin, dass
       der Verlust nach offiziellen Zahlen seit 2000 von fast 8.000 Tonnen
       jährlich auf etwa 450 Tonnen reduziert worden ist. Die DUH-Messungen seien
       hilfreich, aber nur Stichproben und sagten nichts darüber aus, wie viel
       Methan entschwinde. Gerade hat die Industrie ihr Fernleitungsnetz auf Lecks
       geprüft, bis zum Frühjahr läuft ein Check der Verteilnetze. Ergebnis bisher
       laut Umweltbundesamt: weniger Methanverluste als bislang geschätzt. „Wir
       könnten bis zu 30 Prozent weniger Verluste haben als bislang angenommen“,
       sagt Christian Böttcher vom UBA. Leitungen seien heute dichter als früher.
       All diese Daten stammen allerdings aus der „technischen Selbstverwaltung“
       der Industrie. Die müsse durch eine staatliche Regulierung ersetzt werden,
       fordert die DUH.
       
       Zuständig für die Kontrollen sind die Länder. Aber das UBA, das sich schon
       lange mit kurzlebigen Treibhausgasen wie Methan beschäftigt, kann sich nach
       den Worten seines Präsidenten Dirk Messner vorstellen, eine
       „Methanstrategie“ zu erarbeiten. „Das Thema hat inzwischen auch
       international so an Bedeutung gewonnen, dass wir uns darum kümmern müssen“,
       so Messner gegenüber der taz. Das UBA wird nun auch Satellitendaten für die
       Verifizierung von Messungen nutzen und hat dazu Forschungsprojekte
       aufgelegt. Allerdings müsse man genau hinschauen, wo man messe und wie viel
       Aufwand man treibe: „Etwa 90 Prozent der Leckagen kommen nur von wenigen
       Stellen, auf die muss man sich konzentrieren.“
       
       ## EU-weit einheitliche Regeln
       
       Lecke Leitungen schaden auch der Industrie: Sie verliert wertvollen
       Rohstoff und trübt die Ökobilanz des Methans, das sie als „sauberen“
       Brennstoff gegenüber Öl und Kohle positionieren will. Studien zeigen
       allerdings, dass der [2][globale Umstieg von Kohle auf Gas sogar eine
       größere Belastung] für das Klima bedeuten könnte. Auch deshalb hat sich die
       EU beim Klimagipfel in Glasgow im November [3][dem „Methan-Versprechen“
       angeschlossen,] mit dem etwa 100 Staaten weltweit ihre Methan-Emissionen
       bis 2030 um 30 Prozent senken wollen. Bis 2050 könnte das 0,2 Grad Celsius
       von der globalen Erwärmung verhindern, legen Studien nahe. Allerdings sind
       die 30 Prozent Reduktion nicht besonders ehrgeizig: Die [4][Internationale
       Energieagentur IEA hat kalkuliert, dass sich auch 45 Prozent Reduktion
       betriebswirtschaftlich rechnen würden.]
       
       Um ihr Klimaziel von minus 55 Prozent bis 2030 zu schaffen, legt die EU in
       der kommenden Woche einen Regulierungsvorschlag zum Thema auf den Tisch. In
       einer vorab bekannt gewordenen Version stellt die EU-Kommission
       einheitliche Regeln für alle Gasunternehmen in den EU-Staaten auf, die ihre
       Methan-Emissionen aus den Gasleitungen regelmäßig überprüfen und melden
       müssen. Finden sie Lecks, müssen die Firmen außerdem Gegenstrategien
       vorlegen. Das Ablassen von Methan in die Umgebung („Venting“) und das
       routinemäßige Abfackeln („Flaring“) werden demnächst verboten und sind nur
       noch in Notfällen erlaubt. Schließlich sollen „effektive, proportionale und
       abschreckende“ Strafen dafür sorgen, dass die Regeln durch die Firmen auch
       eingehalten werden.
       
       Die Vorgabe handelt aber auch von einem anderen Problem, für das sich
       bislang keine Lösung abzeichnet: die Methan-Emissionen aus Kohleschächten –
       die [5][so klimaschädlich sein können wie die Kohle, die aus ihnen
       gefördert wird].
       
       13 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-enthuellt-klimaschaedliche-methan-lecks-an-deutscher-erdgas-infrastruktur/
   DIR [2] /Studie-zu-Brueckentechnologie/!5030844
   DIR [3] /Abkommen-gegen-Klimakiller-Methan/!5800934
   DIR [4] https://www.iea.org/reports/methane-emissions-from-oil-and-gas
   DIR [5] https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-03-19/coal-mines-seen-posing-additional-climate-threat-with-gas-leaks
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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