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       # taz.de -- Dennis Radtke über Flügelstreit in der CDU: „Es gibt da einen herben Dissens“
       
       > Dennis Radtke, Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels, kritisiert die
       > Bundestagsfraktion scharf. Er fordert, das sozialpolitische Profil zu
       > schärfen.
       
   IMG Bild: Die CDA ist empört, dass aus dem Wahldesaster nichts gelernt wurde
       
       taz: Herr Radtke, der CDU-Arbeitnehmerflügel kritisiert die
       Bundestagsfraktion in einem Beschluss scharf. Warum? 
       
       Dennis Radtke: Das fehlende oder defizitäre soziale Profil der CDU hat
       unter anderem zu diesem Absturz bei der Bundestagswahl geführt. Was die
       Bundestagsfraktion nun daraus ableitet, ist schwer bis gar nicht zu
       akzeptieren. Sie nimmt dem Sozialflügel den Sprecherposten in der
       Fraktionsarbeitsgruppe Arbeit und Soziales, der seit ewigen Zeiten bei der
       CDA lag. Und sie wählt bei den Ausschüssen, in denen die Union den Vorsitz
       stellen wird, vor allem solche im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Wie will
       man so auch in der parlamentarischen Arbeit Profil in der Sozialpolitik
       zurückgewinnen?
       
       Der Sprecher der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales geht an die CSU. Fehlt
       der CDA in der Fraktion der Einfluss? 
       
       Schon in der letzten Legislaturperiode waren zwei Drittel der Abgeordneten
       Mitglied im Parlamentskreis Mittelstand, das ist jetzt ähnlich. Aber es
       geht nicht darum, Dinge durchzustimmen. Sondern es ist eine klassische
       Führungsaufgabe, deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass jemand aus
       der Arbeitnehmergruppe diese Position besetzt.
       
       In dem Beschluss der CDA heißt es: „Wir zweifeln daran, dass die amtierende
       Fraktionsspitze dazu in der Lage ist, unsere [1][CDU für die Zukunft]
       richtig aufzustellen.“ Ist Ralph Brinkhaus, dessen Amtszeit als
       Fraktionschef im April ausläuft, für Sie also kein Mann der Zukunft? 
       
       Nein, das steht da nicht. Ich habe in den letzten Wochen Ralph Brinkhaus
       öffentlich sehr gelobt. Aber an dieser Stelle gibt es einen ganz herben
       Dissens. Wir haben mehrfach drauf hingewiesen und um Korrektur gebeten,
       aber geändert hat es nichts.
       
       Was fordern Sie jetzt? 
       
       An diesen Entscheidungen wird man jetzt nichts mehr ändern können, das
       Personalpaket wird nicht noch einmal aufgeknüpft werden. Aber die
       Sprecherposten werden in einem Jahr wieder vergeben, dann sollte sich etwas
       ändern. Außerdem hoffe ich, dass Ralph Brinkhaus das in seine Planung für
       die kommenden Wochen und Monate aufnimmt, dass man so mit dem Sozialflügel
       nicht umgehen kann.
       
       Alle [2][Kandidaten für den Parteivorsitz] fordern mehr Augenmerk für die
       Sozialpolitik. Wie passt das mit den Entscheidungen der Fraktion zusammen? 
       
       Gar nicht, das ist ja unser Problem.
       
       Friedrich Merz stellt sich bei seiner dritten Kandidatur für den
       Parteivorsitz breiter auf, hat seine Ansprache verändert und mit Mario
       Czaja einen Sozialpolitiker als Generalsekretär vorgeschlagen. Überzeugt
       Sie diese Veränderung? 
       
       Die muss mich nicht überzeugen, ich nehme das zur Kenntnis. Aber jeder
       Parteivorsitzende muss zur Kenntnis nehmen, dass wir zweieinhalb Millionen
       Stimmen in der sozialen Mitte verloren haben, anderthalb an die SPD und
       fast eine Millionen an die Grünen. Da müsste man schon mit politischer
       Blindheit geschlagen sein, um nicht zu erkennen, dass das auch mit dem
       sozialen Profil zu tun hat.
       
       Merz, bislang eher Kandidat der Mittelstandsvereinigung, war für den
       Arbeitnehmerflügel eher ein Graus. Hat sich das verändert? 
       
       Was heißt Graus? Herr Merz ist nicht so dogmatisch und so verbohrt, wie
       viele das zu glauben meinen. Manche Anhänger und Unterstützer von ihm sind
       da deutlich dogmatischer und deutlich radikaler.
       
       Diese Unterstützer werden bei der Wahl von Merz zum Parteichef mehr
       Einfluss einfordern. 
       
       Das müssen Sie seine Unterstützer fragen. Aber auf keinen Fall darf die
       zukünftige Spitze der CDU nur aus der Mittelstandvereinigung und dem
       Wirtschaftsrat bestehen.
       
       Zum Teil schlägt jetzt schon eine etwas radikalere Rhetorik durch, zum
       Beispiel redet man in der Union gerne von „linksgelb“, wenn man die Ampel
       meint. Ist das der richtige Ton? 
       
       Mit dem Narrativ linksgelb, mit Retro und Rückwärtsgang werden wir bei den
       Wählerinnen und Wählern keinen Blumentopf gewinnen. SPD und Grüne stellen
       sich im Erfolg neu auf. Uns scheint dieser Mut sogar in der Stunde der
       schmerzhaftesten Niederlage zu fehlen.
       
       Sie selbst gehörten bei der letzten Vorsitzendenwahl vor einem Jahr zum
       Team Laschet, viele aus diesem Lager unterstützen jetzt bei der Wahl zum
       neuen CDU-Vorsitzenden Helge Braun. Sie werben für Norbert Röttgen. Warum? 
       
       Norbert Röttgen hat sich in den letzten Wochen sehr intensiv damit
       beschäftigt, wie wir aus diesem Loch beim sozialen Profil herauskommen und
       welche Rolle die CDA dabei spielen kann. Wir haben oft und intensiv über
       diese Fragen diskutiert. Das hat mich persönlich überzeugt.
       
       Am Freitag wird die Mitgliederbefragung ausgezählt und das Ergebnis bekannt
       gegeben. Glauben Sie, dass dann schon der künftige Parteivorsitzende
       feststeht? 
       
       Nein, ich gehe davon aus, dass es eine Stichwahl geben wird.
       
       13 Dec 2021
       
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