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       # taz.de -- Innenminister gegen Coronaprotest: „Querdenkern“ Paroli bieten
       
       > Der Coronaprotest widersetzt sich Verboten, impfende Ärzte beklagen
       > Bedrohungen. Die Innenminister:innenkonferenz will nun
       > reagieren.
       
   IMG Bild: Immer wieder kommt es zu Anfeindungen an Impfzentren – die Innenminister wollen nun reagieren
       
       BERLIN taz | Vor dem Gesundheitsamt im rheinland-pfälzischen Altenkirchen
       wird Feuer gelegt, ein Schaden im vierstelligen Bereich entsteht. In
       Dresden-Prohlis schleudert ein Unbekannter einen Feuerwerkskörper in einen
       Bürgersaal, wo ein Impfteam arbeitet. In Hamburg schießt ein Mann einem
       Türsteher mit einer Gaspistole ins Gesicht, nachdem dieser ihn auf das
       Maskentragen hingewiesen haben soll.
       
       All dies sind Vorfälle aus den vergangenen Tagen. Zudem gingen erst am
       Montag [1][in Sachsen und Thüringen] wieder Hunderte gegen die
       Coronamaßnahmen auf die Straße – obwohl solche Versammlungen aus
       Infektionsschutzgründen untersagt sind. Es sind Zustände, die zunehmend die
       Politik besorgen.
       
       Wenn am Mittwoch die Innenminister:innen zu ihrer halbjährlichen
       Konferenz zusammenkommen – diesmal pandemiebedingt digital und ein letztes
       Mal mit [2][Noch-Bundesinnenminister Horst Seehofer] –, wird dieses Thema
       deshalb eines der zentralen sein.
       
       ## „Besorgniserregende Entwicklung“
       
       „Der Coronaprotest nimmt eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt
       Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) der taz. „Es ist sehr deutlich,
       dass dort großes Konfliktpotential besteht und die Radikalisierung
       voranschreitet.“ Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) nennt die
       Protestierenden angesichts der Pandemielage „ignorant und egoistisch“. Die
       Aufzüge seien, ohne Maske und Abstand, „Brandbeschleuniger und gefährden
       die Gesundheit von uns allen“. Und ein Sprecher von Berlins Innensenator
       Andreas Geisel (SPD) betont, dass die Teilnehmenden „immer stärker verbal
       aggressiv gegen Einsatzkräfte auftreten, hinzu kommt auch körperliche
       Gewalt“.
       
       Das BKA rechnet der Szene zwar weiterhin „größtenteils Beleidigungen und
       Bedrohungen“ zu. Auch Seehofers Ministerium sieht zwar „keine konkreten
       Hinweise auf weitere Radikalisierung der zentralen Akteure“. Dennoch sei
       zuletzt verbal aggressives und gewaltbereites Verhalten festzustellen.
       
       Und die Polizei registrierte auch schwere Straftaten: Im Münsterland wurden
       ebenfalls Brände vor zwei Teststationen gelegt, in Brandenburg/Havel vor
       zwei Stationen Buttersäure verkippt, in Berlin schleuderten Unbekannte vor
       Monaten einen [3][Brandsatz gegen ein Gebäude des Robert Koch-Instituts].
       Vor allem aber ein Fall erschütterte Behörden und Politik: Die
       [4][Ermordung eines Tankstellenmitarbeiters] durch einen Coronaskeptiker im
       September in Idar-Oberstein. Dieser hatte den Täter auf die Maskenpflicht
       hingewiesen.
       
       ## Verfassungsschutz sieht „rote Linien“ überschritten
       
       Schon im Frühjahr hatte der Verfassungsschutz Teile des [5][Coronaprotests
       als Beobachtungsobjekt eingestuft], Präsident Thomas Haldenwang warnte vor
       einer Gewaltspirale, die angefacht etwa durch Hass im Internet auch
       „tödlich enden kann“.
       
       Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian spricht aktuell
       von längst überschrittenen „roten Linien“, mit Angriffen auf
       Polizist:innen, Journalist:innen oder strafbewehrten Verbalattacken
       gegen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Die Idee eines
       gewaltsamen Widerstands gegen demokratische Regeln sei inzwischen eine
       „Standardforderung“ der Bewegung.
       
       ## Ärzte und Impfzentren bekommen Hass ab
       
       Der Hass der Coronaprotestierenden richtet sich dabei neben
       Politiker:innen vor allem auf Impfzentren, impfende Arztpraxen oder
       Testzentren. So musste gerade erst im sächsischen Zittau ein Testzentrum
       schließen – laut Betreiber wegen Ausrastern von positiv Getesteten.
       
       Der Deutsche Ärztetag warnte zuletzt: „Die Situation ist alarmierend.“
       Impfende Ärzte erhielten Drohschreiben, würden beschimpft oder Opfer
       körperlicher Gewalt. Gäben sie Patienten Hinweise auf Coronaregeln oder
       fragten nach dem Impfstatus, sei Aggressivität inzwischen alltäglich. Viele
       Mediziner reagierten mit „Unsicherheit und Angst“, ihre Arbeit erschwere
       sich „ganz erheblich“.
       
       Auch das BKA nennt Impfgegner und Coronaleugner ein „relevantes Risiko“ für
       Angriffe auf Impfzentren oder Arztpraxen. Für das dortige Personal bestehe
       „die Gefahr, zumindest verbalen Anfeindungen bis hin zu Straftaten
       ausgesetzt zu sein“. Vereinzelt könne dies auch „körperliche Übergriffe“
       bedeuten.
       
       ## „Mein Verständnis ist aufgebraucht“
       
       Auf der Innenministerkonferenz sollen nun Gegenmaßnahmen besprochen werden.
       Thüringens Innenminister Maier will den Coronaprotest härter angehen. „Die
       Politik muss hier eine deutliche Sprache sprechen und konsequent agieren.“
       Maier vermutet vorwiegend Ungeimpfte unter den Protestierenden. „Lange hat
       die Politik auf sie Rücksicht genommen. Wenn diese aber teilweise mit
       Extremisten paktieren, ist mein Verständnis aufgebraucht.“ Denn laut Maier
       seien es oft bekannte Rechtsextremisten, die zu den Protesten aufriefen.
       Dennoch würden Bürgerliche dem Aufruf folgen. „Das Ziel der Extremisten,
       eine Entgrenzung zu erreichen, ist hier teils erreicht. Und da dürfen wir
       nicht zuschauen.“
       
       Auch NRWs Innenminister Herbert Reul spricht von einer inzwischen
       „gewaltbereiten Szene“. Er fordert mehr Onlineüberwachung des
       Coronaprotests, um frühzeitig mutmaßliche Gewalttäter aufzuspüren. „Wir
       müssen Täter schon vor einer Tat identifizieren“, so Reul.
       Verfassungsschutz und Polizei bräuchten dafür die nötigen Instrumente.
       
       Der Ärztetag sieht indes nicht nur die Behörden gefordert. Die Gewalt gegen
       Ärzte müsse „gesellschaftlich geächtet“ werden, heißt es in einem aktuellen
       Beschluss. Auch brauche es Maßnahmen der Gewaltprävention und
       Aufklärungskampagnen über die Arbeit von Ärzt:innen. „Der
       gesesellschaftliche Zusammenhalt und die Solidarität mit den Beschäftigten
       im Gesundheitswesen sind gerade in Zeiten wie diesen wichtiger denn je.“
       
       1 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nachrichten-zur-Coronakrise/!5818587
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   DIR [4] /Vorfall-an-Tankstelle-in-Idar-Oberstein/!5802559
   DIR [5] /Verfassungsschutz-und-Querdenker/!5762967
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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