URI: 
       # taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Verbales Aufrüsten
       
       > Die Spannung zwischen Russland und der Ukraine – und deren jeweiligen
       > Verbündeten – steigt. Beide Seiten sprechen Drohungen aus.
       
   IMG Bild: Nimmt eine Maske, aber kein Blatt vor den Mund: US-Außenminister Antony Blinken in Riga
       
       Kiev taz | Zwei Tage hatten sich die Außenminister der 30 Nato-Staaten im
       lettischen Riga getroffen – am Dienstag und Mittwoch. Auf der Agenda
       standen viele Themen, aber allein der Ort des Zusammenkommens dürfte ein
       Zeichen der Aufmerksamkeit für die baltischen Länder gewesen sein.
       
       Ebenfalls in Riga mit anwesend war bei diesem Treffen der ukrainische
       Außenminister Dmytro Kuleba. Zwar ist die Ukraine kein Nato-Mitglied, und
       als Vertreter eines solchen Landes konnte Kuleba nicht am
       Entscheidungsprozess teilnehmen. Gleichwohl ist man in der ukrainischen
       Regierung nicht unzufrieden über den Verlauf der Konferenz.
       
       Kuleba war nicht nur nach Riga eingeladen, die Ukraine konnte im Vorfeld
       der Konferenz auch die Aufmerksamkeit von Nato-Generalsekretär Stoltenberg
       und den USA gewinnen. Die hatten die [1][ukrainischen Befürchtungen eines
       möglicherweise bevorstehenden russischen Einmarsches] in die Ukraine ernst
       genommen und Russland für einen derartigen Fall Konsequenzen angedroht.
       Russland werde für eine Aggression gegen die Ukraine einen Preis bezahlen
       müssen, müsse mit politischen und wirtschaftlichen Folgen rechnen, hatte
       Stoltenberg bereits vor der Konferenz erklärt.
       
       Man sei über die militärische Aufrüstung Russlands und dessen
       Truppenbewegungen sehr besorgt, so US-Außenminister Blinken und sein
       lettischer Kollege Edgars Rinkēvičs bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
       Auch die von Präsident Selenski geäußerte Befürchtung, dass die Ukraine
       möglicherweise vor einem ein von Russland gesteuerten Putschversuch stehe,
       kommentierte Blinken mit den Worten, es sei eine Taktik Russlands, die
       Ukraine im Land zu destabilisieren. Russland plane „[2][erhebliche
       aggressive Schritte gegen die Ukraine]“, sagte Blinken am Mittwoch weiter,
       dafür gebe es „Beweise“. Er drohte Moskau für den Fall eines Angriffs mit
       scharfen US-Wirtschaftssanktionen.
       
       ## Drohung, Atomwaffen zu stationieren
       
       Auch ohne Nato-Mitgliedschaft ist die Ukraine gut in Bündnisse mit
       westlichen Staaten eingebunden. Derzeit baue man ein flexibles Netz
       regionaler Bündnisse auf, darunter das „Lubliner Dreieck“ mit Polen und
       Litauen, das „assoziierte Trio“ mit Georgien und Moldau und die „Quadriga“
       mit der Türkei, so Außenminister Dmytro Kuleba auf dem Portal gordonua.com.
       
       Eine völlig andere Bedrohungssituation sieht man hingegen in Russland.
       Russland sei beunruhigt über die ukrainischen Truppenkonzentrationen im
       Konfliktgebiet, erklärte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen
       Außenministeriums, am Mittwoch. Die Nato habe Waffen an die Grenze zu
       Russland verlegt, zitiert das Portal gazeta.ru Russlands Außenminister
       Sergei Lawrow. Die Handlungen der Nato könnten die Ukraine zu militärischen
       Abenteuern bewegen, fürchtet Außenminister Lawrow. Und das sei eine direkte
       Bedrohung Russlands. Außerdem kritisierte Lawrow die Äußerungen von
       Stoltenberg, denen zufolge dieser Atomwaffen nach Osteuropa verlegen
       lassen will.
       
       Aber auch Belarus’ Diktator Lukaschenko liebäugelt mit Atomwaffen. Sollten
       in Polen atomare Gefechtsköpfe stationiert werden, werde er den russischen
       Präsidenten Putin bitten, ebenfalls in Belarus Atomwaffen zu stationieren.
       Weiterhin erkannte Lukaschenko die Krim als Teil von Russland an und
       kündigte eine gemeinsame Reise mit Putin auf die Krim an. Und sollte es zu
       einem Krieg in der Region kommen, so Lukaschenko, stehe sein Land an der
       Seite Russlands.
       
       Unterdessen sorgte der ukrainische Präsidenten Wolodimir Selenski bei
       seiner jährlichen Ansprache an das Parlament mit einer Äußerung für
       Kontroversen. „Wir können den Krieg ohne direkte Verhandlungen mit der
       Russischen Föderation nicht beenden“, sagte er da.
       
       ## Kein Putschversuch am 1. Dezember
       
       Während Selenskis Partei „Diener des Volkes“ und die russlandfreundliche
       „Oppositionsplattform für das Leben“ diese Äußerung begrüßten, kam Kritik
       von allen anderen Oppositionsparteien. Putin wolle doch nur über eines
       reden, nämlich über die ukrainische Kapitulation, meinte Olexander
       Turtschinow, der 2014 kurzzeitig kommissarisch ukrainischer Präsident war.
       Auch die Fraktion „Holos“ lehnt direkte Verhandlungen mit Russland strikt
       ab. Man dürfe nur in Zusammenarbeit mit westlichen Partnern mit Russland
       verhandeln, kommentierte Fraktionssprecherin Jaroslawa Schelsnjaka. Und
       Irina Geraschtschenko, Co-Vorsitzende der Poroschenko-Partei „Europäische
       Solidarität“ nannte Selenskis Vorschlag gar „Verrat“, der letztendlich die
       „absolute Kapitulation“ bedeute.
       
       Mit Interesse bemerken ukrainische Medien, dass Präsident Selenski in
       seiner Ansprache an das Parlament mit keinem Wort auf einen von ihm selbst
       für den 1. Dezember befürchteten Putschversuch eingegangen ist. Noch Ende
       vergangener Woche hatte Präsident Selenski von Vorbereitungen zu einem
       Putsch gesprochen, in den auch der mächtigste Mann der ukrainischen
       Wirtschaft, der Oligarch Rinat Achmetow hineingezogen werden solle. Hinter
       diesem Putschversuch, so der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal vor
       wenigen Tagen, stehe Russland.
       
       1 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Truppen-an-der-Grenze-Russland/Ukraine/!5813823
   DIR [2] /Russische-Truppenbewegung/!5812486
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
       ## TAGS
       
   DIR Russland
   DIR Nato
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Krim-Annexion
   DIR Nato
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vorm Videogipfel von Biden und Putin: Ausflug in alte Zeiten
       
       Washington und Moskau sind keine Weltenlenker mehr. Das heißt auch: Über
       einen Beitritt zur Nato darf jedes Land selbst entscheiden – auch die
       Ukraine.
       
   DIR Ukraine-Krise: Beide Seiten müssen deeskalieren
       
       Joe Biden und Wladimir Putin wollen am Dienstag reden. Um eine Eskalation
       abzuwenden, müssen sich beide bewegen.
       
   DIR Proteste in der Ukraine: „Game over!“
       
       Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz fordern Demonstrant*innen den
       Rücktritt von Präsident Selenski. Der wolle vor Russland kapitulieren.