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       # taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Sie nennen es Musik
       
       > Laura Lee bringt im neu eröffneten Lido poppige Social-Media-Kritik zum
       > Klingen. Und die Düsseldorfer Düsterboys bleiben zuversichtlich.
       
   IMG Bild: The Düsseldorf Düsterboys
       
       Mittwochabend: Morgen wird mal wieder was beschlossen oder auch nicht. Die
       Vorstellung ist zwar irre, dass kein Wellenbrecher dabei heraus kommt –
       oder wie auch immer man den Lockdown diesmal nennen will. Aber irre ist
       derzeit ja vieles.
       
       Nun, tun wir einfach mal so, als ob es auch Richtung Wochenende noch jedem
       einzelnen selbst überlassen sein wird, seine Risikoabwägung zu treffen und
       stellen ein paar – vielleicht vorerst letzte – Gelegenheiten vor, Musik
       gemeinschaftlich zu erleben.
       
       Da gäbe es etwa an diesem Freitag eine Jazz-Session des Christof Thewes
       Quartet im Neuköllner Club Peppi Guggeheim. Die kann man übrigens – für
       alle, die sich damit wohler fühlen – [1][auch per Livestream] verfolgen.
       Als Solist ist der experimentelle Posaunist oft in freieren Kontexten
       unterwegs, in seinen Ensembles sucht er gerne den Bezug zur Tradition.
       
       Zusammen mit dem Saxofonisten Hartmut Oßwald, Benjamin Lehmann am
       Kontrabass und dem Schlagzeuger mit dem schönen Namen Martial Frenzel, hat
       Thewes aus seiner Sammlung von Eigenkompositionen, dem sogenannten
       SurRealbook, einen breit gefächerten Stückefundus erarbeitet, aus dem bei
       Auftritten spontan geschöpft werden kann. Es ist in über 35 Jahre
       entstanden und umfasst zehn Mal so viele Stücke wie Jahre.
       
       Benannt ist es übrigens in Anlehnung an die Jazz-Standardsammlung des
       „American Songbooks“, auch unter dem Namen “Realbook“ bekannt. Mal sehen
       also, was die Stimmung der Musiker am Freitagabend hergibt (3. 12., 20 Uhr,
       Spende erwünscht, [2][www.peppi-guggenheim.de])
       
       Am Sonntag will Laura Lee im gerade wiedereröffneten Lido zusammen mit
       ihrer Band The Jettes dann auf jeden Fall feiern, nämlich des Record
       Release ihres vor zwei Tagen erschienenen Solodebüts „Wasteland“. Kennen
       könnte man Lee als eine Hälfte des Berliner Riot-Girl-Indie-Punk-Duos Gurr,
       die auch international einiges Aussehen erregen.
       
       Mit dem Songwriting für ihr eigenes Album begann sie in der Pandemie. Dem
       Vernehmen nach soll es ein Liebesbrief an die vielleicht eigenständigste
       der deutsche Popmusiken sein: den guten alten Krautrock.
       
       Das allerdings hört man das etwa der Vorabsingle „Craigslist Boy“ zwar
       nicht unbedingt an. Die handelt eher recht poppig von einem Ärgernis
       unserer Social-Media-Gegenwart – dem Umstand, dass angesichts der
       Allgegenwart von Profilbildern offenbar jedwedes Ansinnen von einigen
       Männern als Dating-Absicht missverstanden werden kann. Lee wollte
       eigentlich ja nur ein Regal verkaufen – und hatte dann so nen Typen an der
       Backe (5. 12., 20 Uhr, 11,20 Eintritt, 12 Euro AK, [3][www.lido-berlin.de])
       
       Doch zurück zum Krautrock: Der galt in den 1980ern oder auch 1990ern
       bekannterweise hierzulande nicht allzu viel, wie das eben so ist mit den
       Propheten im eigenen Land. Dafür war er aber in der angloamerikanischen
       Musikwelt ein großer Einfluss, nicht zuletzt für Bands wie Stereolab oder
       Sonic Youth – die für Lee in ihrer Jugend wiederum ein großer Einfluss
       waren.
       
       Insofern taucht der krautige Einfluss eher über Bande auf, durch eine
       gewisse Rhythmusgetriebenheit. Produziert wurde das Album übrigens vom
       tollen Max Rieger von Die Nerven – was ja schon mal Gutes verheißt.
       
       Als International Music haben Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti uns
       mit „Ententraum“ eines der schönstens Alben des Jahres geschenkt. Mit ihrem
       anderen Bandprojekt, den folkigeren Düsseldorf Düsterboys, brachten sie
       bereits 2019 ihr Debüt „Nenn Mich Musik“ heraus. Dass die Tour, die sie nun
       am Freitag in [4][Huxleys Neue Welt] führen soll – verlegt übrigens aus dem
       halb so großen Hole44, was reichlich Abstand verspricht – nun immer noch
       „Nenn Mich Musik“-Tour heißt? Nun ja, auf dem weiten Weg seit 2019 kam eben
       so manches dazwischen.
       
       Wie oft wurde verlegt? Und kann das Konzert nun stattfinden? Wir würden
       ganz bestimmt auch nächstes Jahr gerne kommen. Aber schön wäre es ja. Wie
       Ingo Zamperoni zum Ende der Tagesthemen immer so schön sagt: Bleiben Sie
       zuversichtlich (11. 12., 20 Uhr, Eintritt 19 Euro,
       [5][www.huxleysneuewelt.com]).
       
       2 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=oJ4qHeJJ_l4
   DIR [2] https://www.peppi-guggenheim.de
   DIR [3] https://www.lido-berlin.de/events/2021-12-05-laura-lee---the-jettes
   DIR [4] https://huxleysneuewelt.com/shows/the-duesseldorf-duesterboys
   DIR [5] https://huxleysneuewelt.com/shows/the-duesseldorf-duesterboys
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephanie Grimm
       
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