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       # taz.de -- Proteste in der Ukraine: „Game over!“
       
       > Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz fordern Demonstrant*innen den
       > Rücktritt von Präsident Selenski. Der wolle vor Russland kapitulieren.
       
   IMG Bild: Game Over: Proteste am 1. Dezember in Regierungsviertel von Kiew
       
       Kiew taz | Es schien die Ruhe vor dem Sturm zu sein. An Zufahrtswegen zum
       Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew und in Seitenstraßen parkten am
       Mittwoch Dutzende von Bussen der Nationalgarde und der Polizei. In
       schwarzer Uniform und mit Helmen in der Hand marschierten Hundertschaften
       der Sicherheitskräfte an den Geschäften vorbei, mal Richtung
       Regierungsviertel, mal Richtung Maidan.
       
       Wer zum Parlament wollte, musste sich auf einen Umweg einstellen, denn dort
       waren einige Seitenstraßen hermetisch abgeriegelt. Tags zuvor hatte
       Innenminister Denis Monastyrski auf seiner Facebook-Seite „alle, die am 1.
       Dezember an Massenaktionen teilnehmen“ aufgefordert, „sich an die Gesetze
       zu halten und sich der Verantwortung eines Staatsbürgers bewußt zu sein“.
       
       Auch wenn viele die Ankündigung von Präsident Wolodimir Selenski, man müsse
       am 1. und 2. Dezember mit einem von Russland gesteuerten [1][Putschversuch]
       rechnen, nicht glauben wollten – nervös war man trotzdem. Gleichzeitig
       veröffentlichten ukrainische Medien eine Liste von Straßen im Stadtzentrum,
       die am 1. Dezember wegen zu erwartender Aktionen gesperrt werden würden.
       Doch der befürchtete Sturm blieb aus. Lediglich vor dem Parlament hatten
       mehrere hundert Kleinunternehmer lautstark mehr Rechte für den Mittelstand
       gefordert.
       
       Am frühen Abend gab es dann doch noch eine Aktion. Rund tausend Menschen
       hatten sich auf dem Maidan vor einer Bühne mit der Aufschrift „Verteidigt
       die Ukraine, stoppt den Umsturz“ versammelt. Mit Plakaten wie „Se – Game
       Over“, „die Ukraine toleriert keine Verräter“ und „keine Kapitulation“
       forderten sie den Rücktritt von Präsident Selenski und Präsidialamtsleiter
       Andrii Yermak.
       
       ## Entführung vereitelt
       
       Letzterem wird vorgeworfen, die Entführung eines Flugzeuges von Minsk nach
       Kiew vereitelt zu haben, in dem russische Söldner der Sicherheitsfirma
       Wagner saßen, die auch im Donbass gegen die Ukraine gekämpft hatten. Mit
       dieser Aktion hätte man auf einen Schlag mehrere Dutzend Söldner festnehmen
       können.
       
       Unter den Protestierenden fanden sich auch Vertreter der Partei
       „Europäische Solidarität“ des früheren Präsidenten Petro Poroschenko, der
       Partei „Golos“ und des rechtsradikalen „Nationalkorps“. Anschließend waren
       die Teilnehmer:innen zum Präsidentenpalast gezogen, den sie mit Münzen
       bewarfen. Man sammle Geld für Selenski und Yermak, damit sie ins russische
       Exil fliehen können, erklärte eine Teilnehmerin der taz.
       
       Sie sei sich sicher, dass Selenski, der noch am Vormittag direkte Gespräche
       mit Moskau über die Ostukraine eingefordert hatte, [2][vor Russland
       kapitulieren wolle]. Nach Auffassung der Organisatoren der Demonstration
       wolle man mit den Münzen deutlich machen, dass man die eigene Kundgebung
       nicht in die Ecke von bezahlten Protestaktionen rücken lassen wolle.
       
       Doch auch wenn sich die Aktion auf dem Maidan und vor dem Präsidentenpalast
       von der Anzahl der Teilnehmer:innen her nicht mit vergangenen
       Demonstrationen auf dem Maidan vergleichen läßt, kann sie doch der Beginn
       einer Bedrohung von Selenskis Macht sein.
       
       Zum ersten Mal sind zwei im Parlament vertretene Oppositionsparteien und
       der „Nationalkorps“ gemeinsam marschiert und haben Selenskis Rücktritt
       gefordert. Diese Forderung wird der Erfolg verwöhnte und ehemals
       bekannteste Schauspieler des Landes in den nächsten Wochen und Monaten wohl
       noch öfter zu hören bekommen.
       
       2 Dec 2021
       
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