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       # taz.de -- ADF-Rebellen in Kongo und Uganda: Antiterrorkrieg mit allen Mitteln
       
       > Militäroffensive im Kongo, Verhaftungen und Folter im eigenen Land:
       > Uganda will die islamistisch radikalisierten ADF-Rebellen endgültig
       > zerschlagen.
       
   IMG Bild: Kongolesische und ugandische Soldaten im Einsatz gegen die ADF, 9. Dezember 2021
       
       Kampala taz | Ugandas Hochsicherheitsgefängnis liegt am südlichen Rand der
       Hauptstadt Kampala, unweit des Victoriasees. Hinter der meterhohen
       Zaunanlage schmiegen sich Baracken für rund 8.000 Gefangene an den Hügel.
       Ganz oben befindet sich ein abgetrennter Bereich: Dort sitzen mutmaßliche
       Terroristen.
       
       Einer von ihnen: Jamil Mukulu, der ehemalige Anführer der ugandischen
       Rebellengruppe ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte), die sich seit fast 20
       Jahren im Osten der Demokratischen Republik Kongo verschanzt und
       mittlerweile zum „Islamischen Staat“ gezählt wird. Sie wird für
       [1][Massaker an Tausenden Zivilisten im Kongo] verantwortlich gemacht sowie
       für mehrere Bomben, die [2][im November in Kampala] sieben Menschen
       töteten.
       
       Seit Ende November jagt Ugandas Armee auf kongolesischem Gebiet die
       Rebellen in den dicht bewaldeten Bergen im Grenzgebiet. Derweil suchen
       Polizei und Geheimdienste innerhalb Ugandas nach denjenigen, die die
       Anschläge vorbereiteten.
       
       Fast täglich präsentiert Polizeisprecher Fred Enanga den Medien
       festgenommene mutmaßliche Mitglieder von ADF-Schläferzellen. 15 davon
       wurden am Donnerstag erstmals dem Haftrichter vorgeführt, angeklagt wegen
       Beihilfe zum Terrorismus. Stolz werden Beweise gezeigt: Waffen, Bauteile
       für Bomben. Über 30 festgenommene Terrorverdächtige vertritt Geoffrey
       Turyamusiima, der Anwalt von ADF-Führer Mukulu: Verschwundene, deren
       Familien ihn anrufen, weil sie ihn vom Verfahren gegen Mukulu kennen.
       
       Wie viele insgesamt verhaftet wurden, ist unklar. Die Polizei spricht von
       über 100. Sieben Verdächtige wurden bei der Festnahme erschossen. „Sie
       verhaften ganze Familien – auch die Söhne und Töchter“, sagt Turyamusiima.
       
       Von seinen Klienten weiß er: Sie werden wochenlang in Folterhäusern auf
       einer Insel im Victoriasee festgehalten. Die sind berüchtigt: Die
       US-Regierung setzte vergangene Woche [3][Abel Kandiho, Chef des ugandischen
       Militärgeheimdienstes CMI], wegen Folter auf ihre Sanktionsliste.
       
       Weltgewandt mit vielen Frauen 
       
       Unterdessen kämpft der frühere ADF-Führer Mukulu hinter Gittern mit seiner
       Gesundheit. Den mittlerweile 57-Jährigen plagen Diabetes und
       Magengeschwüre, sagt sein Anwalt – Folgen von Einzelhaft und Folter:
       „Verbrennungen mit dem Bügeleisen, Ausreißen der Fingernägel, angebunden
       hinter einem Lastwagen herlaufen“, zählt er die Methoden auf. „Die
       Menschenrechte meines Klienten werden brutal verletzt.“
       
       Jamil Mukulu wurde 2015 [4][in Tansania verhaftet] und später nach Uganda
       ausgeliefert. In Tansanias Metropole Daressalam besaß er eine Importfirma,
       handelte mit Kleinwagen. Regelmäßig reiste der Rebellenführer zwischen
       London, arabischen Ländern, Ostafrika und Ostkongo hin und her. Laut seinem
       Anwalt hat er zahlreiche Frauen und Kinder weltweit. Eine Frau lebt mit
       Kind in Tottenham in London, andere in Kampala, andere kämpfen in der ADF.
       Eine von ihnen, Safi Adidja, wurde 2020 verwundet und von Kongos Armee
       gefasst.
       
       Über Jamil Mukulu ist wenig bekannt. Geboren wurde er in eine christliche
       Familie als David Steven. Er studierte Wirtschaftsmanagement in Kenia und
       ging von dort mit einem Stipendium nach Saudi-Arabien, wo er zum Islam
       übertrat und sich radikalisierte. Er sei „brillant“, weit gereist und
       spreche fünf Sprachen fließend, so sein Anwalt. Im Irak traf er angeblich
       Saddam Hussein, in Sudan später Osama Bin Laden.
       
       Anfang der 1990er kam Mukulu nach Kampala zurück und schloss sich der
       Tablik-Sekte an. Gemeinsam mit 40 Gefährten stürmte er 1991 die zentrale
       Moschee in der Altstadt, um einen islamischen Staat auszurufen. Dafür wurde
       er verhaftet und saß bis 1995 im Gefängnis. Als er freikam, zog er sich mit
       seinen Mitstreitern in die Berge an der Grenze zu Kongo zurück und gründete
       die ADF.
       
       Seit März wird ihm vor Ugandas Oberstem Gericht der Prozess gemacht. Doch
       das Verfahren kam nie recht in Gang. Wegen Covid-19 sollte Mukulu aus dem
       Gefängnis per Video zugeschaltet werden. Doch er weigerte sich. Also
       verlegten die Richter die Verhandlung ins Hochsicherheitsgefängnis. Zuletzt
       stockte der Prozess wegen Krankheit und Geldmangel.
       
       ## Black Box ADF
       
       Unter Kongos Hunderten Rebellengruppen gilt die ADF als die
       geheimnisvollste. Selbst diejenigen, die für die UN-Mission im Kongo
       (Monusco) mit Rebellen verhandeln, um sie aus dem Busch zu locken, haben
       nie mit ADF-Kommandanten gesprochen. Mukulu gab nie Interviews. Von seiner
       Zeit als ADF-Anführer ist nur ein einziges Video bekannt: im Poloshirt und
       Baseballmütze steht er in einem Zelt aus Bananenblättern und streckt eine
       Kalaschnikow gen Himmel. Dabei predigt er auf Arabisch den Dschihad, den
       heiligen Krieg.
       
       Bereits damals hielt die ADF Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida. Nach
       Mukulus Verhaftung 2015 kam es zur Spaltung. Aus dem Gefängnis hielt der
       charismatische Führer Kontakt zu seinem Sohn Richard im Hauptquartier im
       Kongo, gab Anweisungen.
       
       Gleichzeitig bemühte sich Musa Baluku, davor der oberste Richter der Miliz,
       die Kommandokontrolle zu übernehmen. Er war bis dahin für Propaganda und
       Disziplin zuständig und saß den Scharia-Gerichten vor. Mukulu hatte dem
       44-jährigen Baluku sogar seine Tochter Sophia zur Frau gegeben. Im Streit
       um die Nachfolge ließ Baluku aber Sophia und ihren Bruder Richard
       enthaupten.
       
       Unter Baluku hat sich die ADF radikalisiert. Er etablierte Kontakte zur
       islamistischen Miliz al-Shabaab in Somalia, rekrutierte Jugendliche aus
       Somalia, Tansania, Burundi und Kenia. Damit modernisierte und
       internationalisierte sich die Miliz, die sich bislang aus Ugandern und
       Kongolesen zusammensetzte.
       
       Über die Shabaab kam der Kontakt zum „Islamischen Staat“ (IS) zustande. In
       einem Video, das im Oktober 2017 online ging, schwört Baluku dem IS die
       Treue: „Ich schwöre bei Gott, dass dies das Haus des Islam des
       [5][Islamischen Staates in Zentralafrika] ist.“ Seitdem bekennt sich der IS
       zu den ADF-Anschlägen: Attacken im Kongo gegen Zivilisten, Militärs und die
       UNO, zuletzt die Anschläge in Kampala.
       
       Der aktuelle ADF-Führer ist verschwunden 
       
       Mehrfach hat Ugandas Luftwaffe in den vergangenen Wochen ADF-Camps im Kongo
       bombardiert. Gleich am ersten Tag, am 30. November, trafen Raketen das
       ADF-Hauptquartier „Belu-1“, von wo aus Balukus Satellitentelefon Signale
       sendete. Seitdem ist es aus. Baluku ist untergetaucht. Es heißt, er sei
       schwer verletzt.
       
       Über hundert ADF-Rebellen ergaben sich seit Beginn der Operationen oder
       wurden von Kongos Armee gefasst, über 30 Kinder und Frauen befreit. Sie
       alle liefern jetzt Informationen. Ugandas Spezialeinheiten durchkämmen den
       Dschungel, um den verletzten Anführer zu finden.
       
       Heiligabend nahmen sie das ADF-Camp Kambi Ya Yua im Virunga-Park ein, das
       womöglich als Trainingslager diente. Die Soldaten fanden Kochbananen,
       Munition, Solarpanels und einen kaputten Laptop.
       
       „Ich glaube nicht, dass Militäroperationen diese Rebellion beenden können“,
       sagt Peter Onega, Vorsitzender von Ugandas Amnestiekommission, der taz.
       Seit fast 20 Jahren spricht der ehemalige Richter mit den ADF-Anführern. Er
       traf Mukulu mehrfach in London. Sie handelten Bedingungen aus, unter
       welchen die ADF sich ergeben könne.
       
       Doch seit Mukulu in Haft sitzt, seien die Verhandlungen versiegt. „Ich habe
       nie mit seinem Nachfolger gesprochen“, sagt Onega. Er unterhalte lediglich
       Kontakte zu Mukulu-loyalen ADF-Kommandeuren – die beiden ADF-Fraktionen
       operieren seit der Spaltung unabhängig voneinander.
       
       Immerhin: Neulich ging ein Anruf aus Kongo ein. Einer von Mukulus
       vertrauten Kommandeuren rief an, weil er sich ergeben wollte.
       
       27 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /ADF-Rebellen-im-Kongo/!5661450
   DIR [2] /Bombenanschlaege-in-Uganda/!5816196
   DIR [3] https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy0517
   DIR [4] /Ugandischer-Rebellenfuehrer-gefasst/!5008287
   DIR [5] /Islamistischer-Terror-in-Afrika/!5791322
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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