URI: 
       # taz.de -- Tipp an Senioren in Bad Bramstedt: Impfpässe im Darknet kaufen
       
       > In der schleswig-holsteinischen Gemeinde gibt es mehr Coronafälle als
       > anderswo. Der Seniorenbeirat empfiehlt gefälschte Impfausweise.
       
   IMG Bild: Fälschen ist strafbar: Impfbuch
       
       Rendsburg taz | In einem Pflegeheim weigern sich Betreuer*innen, die ihnen
       anvertrauten Pflegebedürftigen gegen das Coronavirus impfen zu lassen, und
       der örtliche Seniorenbeirat gibt Tipps, wie sich gefälschte Impfpässe
       beziehen lassen – zwei Fälle, die sich in der Kleinstadt Bad Bramstedt in
       Schleswig-Holstein ereignet haben. Aktuell liegt dort die Corona-Inzidenz
       deutlich über dem Landesschnitt.
       
       An die „lieben Theaterfreunde“ richtet sich ein Schreiben des
       Seniorenbeirats von Bad Bramstedt, einer Kleinstadt mit rund 15.000
       Einwohner*innen nahe Neumünster. Mit dem Rundschreiben, das der taz
       vorliegt, weist der Beiratsvorsitzende Hartmut H. auf geltende
       Corona-Schutzmaßnahmen beim Besuch des Stücks „Charlys Tante“ hin.
       
       Im zweiten Absatz steht allerdings ein Satz, der trotz Rechtschreib- und
       Grammatikfehlern die Alarmglocken klingeln lässt: „Für denjenigen, die sich
       nicht Impfen lassen wollen, gibt es [1][im Darknet, ein spezieller Bereich
       im Internet], Angebote gegen Geld für gefälschte Impfausweise mit
       personenbezogenen Daten“, schreibt der Beiratsvorsitzende.
       
       H. selbst war gestern telefonisch für Nachfragen nicht zu erreichen, ebenso
       wenig die Bürgermeisterin Verena Jeske (parteilos). Ihr liegt das
       Schreiben nach taz-Informationen seit zwei Wochen vor, ohne dass sie
       öffentlich reagiert hätte. Auch bei der Polizei des Kreises war bis zum
       Anruf der taz von dem Fall noch nichts bekannt. „Wir werden aber nun
       Ermittlungen aufnehmen“, sagt die Sprecherin der Polizeidirektion in der
       Kreisstadt Bad Segeberg. Der Anfangsverdacht auf eine Straftat liege vor,
       Näheres müssten die Ermittlungen zeigen.
       
       ## Ungeimpft im Pflegeheim
       
       Bad Bramstedt, das unter anderem vom Kurbetrieb und seinen großen Kliniken
       lebt, ist ein Coronahotspot: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut der
       Homepage des Kreises bei 231 und damit deutlich höher als in den
       umliegenden Orten sowie über dem Landesschnitt von 160. Schuld an diesen
       hohen Zahlen ist auch ein Ausbruch in einem Pflegeheim, das zur
       Argentum-Gruppe gehört. Eine 93-jährige Frau und ein 95-jähriger Mann sind
       inzwischen verstorben, weitere befinden sich im Krankenhaus.
       
       Wie die Segeberger Zeitung berichtet, waren im Demenzbereich des Hauses
       zehn von 22 Personen nicht geimpft. Der Grund: Ihre Betreuer*innen
       sollen die Spritze verweigert haben. Die Leiterin des Hauses, in dem 180
       Bewohner*innen leben, will sich dazu am Telefon nicht äußern, sondern
       verweist auf die Pressestelle der Argentum-Gruppe – eine schriftliche
       Anfrage der taz blieb bis Redaktionsschluss ohne Antwort.
       
       Generell gilt, dass es – zumindest [2][bis zur Einführung einer
       Impfpflicht] – Menschen jeden Alters selbst überlassen bleibt, ob sie der
       schützenden Spritze zustimmen: „Es kann nicht pauschal eine
       allgemeingültige Entscheidung für oder gegen eine Impfung getroffen
       werden“, [3][heißt es in einem Schreiben des Berufsverbandes der
       Berufsbetreuer/innen] (BdB).
       
       Es sei eine „Unsitte“, wenn Heime mit einem pauschalen Vordruck die
       [4][Zustimmung zur Impfung] einforderten, denn „solange die Patient*in
       einwilligungsfähig ist, gilt nur, was er*sie selbst sagt“, heißt es
       weiter. „Betreuer*innen können nicht stellvertretend einwilligen und haben
       auch kein Vetorecht.“
       
       Dieses Wahlrecht haben auch Menschen mit Demenz. Wenn die Betroffenen nicht
       mehr selbst entscheiden können, gilt der „mutmaßliche“ Wille. Dabei sei es
       „nicht die Aufgabe eines Betreuers/einer Betreuerin, sich stellvertretend
       für die von ihm betreute Person an der allgemeinen Diskussion um die
       Corona-Impfung zu beteiligen“, teilt der Betreuungsgerichtstag in einer
       Stellungnahme mit.
       
       Auch Gerichte haben sich schon mit Impfungen für Demenzkranke befasst: In
       einem Fall hatte ein Berufsbetreuer entschieden, dass eine 93-Jährige nicht
       geimpft werden sollte, weil er die Spritze für gefährlicher hielt als eine
       Covid-Erkrankung. Ihm wurde die Betreuung entzogen. Im Mai bestätigte das
       Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung.
       
       20 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hackerangriffe-nehmen-weltweit-zu/!5774322
   DIR [2] /Corona-im-Gesundheitswesen/!5818718
   DIR [3] https://www.berufsbetreuung.de/
   DIR [4] /Diskussion-ueber-die-Impfpflicht/!5820772
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schleswig-Holstein
   DIR Impfung
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Romantik
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona-Ausbruch im Pflegeheim: Tod durch Impfskepsis?
       
       In Hildesheim steht eine Pflegeheim-Mitarbeiterin vor Gericht, weil sie
       eine Infektion eingeschleppt haben soll. Sie hatte einen gefälschten
       Impfpass.
       
   DIR Ermittlungen gegen Pflegehelferin: Gefährliche Impfpass-Fälschungen
       
       In einem Pflegeheim in Hildesheim gab es einen Corona-Ausbruch mit drei
       Toten. Nun wird gegen eine Angestellte mit gefälschtem Impfpass ermittelt.
       
   DIR Niedrige Impfquote in Rosenheim: Hier gibt's koa Pandemie
       
       Markus Reum pflegt im bayerischen Rosenheim Covidpatienten. Er hat Menschen
       erlebt, die noch schwer erkrankt die Coronapandemie leugnen.
       
   DIR Nachrichten zur Coronakrise: RKI für maximale Beschränkung
       
       Das Robert-Koch-Institut plädiert ab sofort für Schließung von Restaurants,
       Verlängerung der Ferien. Bund und Länder beraten zur Coronalage.
       
   DIR Ursprünge der Impfskepsis: Eine deutsche Besonderheit
       
       In deutschsprachigen Ländern herrscht Misstrauen gegenüber der Impfung. Das
       ist auf die Romantik zurückzuführen – aber auch auf Politikversagen.
       
   DIR Gefälschte Impfnachweise: Härtere Zeiten für Impfpassfälscher
       
       Nach einem Update erkennen Corona-Warn-App und die CovPassCheck-App nun von
       Apotheken gefälschte Impfpässe – doch es gibt einen Haken.