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       # taz.de -- Referentin über Entwicklungsarbeit: „Problematische Besserwisserei“
       
       > Wie lässt sich Entwicklungszusammenarbeit frei von Rassismus gestalten?
       > Virginie Kamche vom Afrika Netzwerk Bremen hält darüber einen
       > Online-Vortrag.
       
   IMG Bild: Besserwisser unter sich: Protestaktion zum G8-Gipfel 2007 in Rostock
       
       taz: Frau Kamche, kann man von Menschen, die sich in der
       Entwicklungszusammenarbeit engagieren, nicht einfach erwarten, dass sie
       nicht rassistisch sind? 
       
       Virginie Kamche: Meine Bedenken liegen bei den Begriffen. Wer sind die
       Benachteiligten? Nach welchen Kriterien sagt man, jemand ist benachteiligt?
       Wer entwickelt wen? Ich würde über Partnerschaft auf Augenhöhe reden, statt
       über Entwicklungszusammenarbeit. Jeder weiß, was für ihn gut ist. Aber dann
       kommen Menschen, die keine Ahnung von den Bedürfnissen vor Ort haben, und
       sagen: „Wir haben etwas für euch konzipiert. Das soll so aussehen.“ Dieses
       Unverständnis ist für mich problematisch.
       
       Ist es rassistisch? 
       
       Ich möchte das Wort Rassismus in dem Fall vermeiden. Es ist ein
       gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir lernen voneinander. Jeder kennt seine
       Bedürfnisse. Es kann nicht funktionieren, wenn jemand sagt: „Wir wissen
       besser, was für euch gut ist.“ Zum Teil begegne ich Menschen, die sagen:
       Lass uns zusammen auf Augenhöhe arbeiten. Aber andere haben ein Konzept und
       sagen: Ihr seid nur für die Umsetzung da. Auch, wenn man widerspricht,
       sagen sie: Doch, das muss so sein, wir denken, das ist gut für euch. Diese
       Menschen lassen nicht mit sich reden.
       
       Wie muss Entwicklungszusammenarbeit aussehen, um dabei keinen Rassismus zu
       reproduzieren? 
       
       Die sogenannten „Benachteiligten“ müssen involviert werden. Wie können wir
       das Problem gemeinsam lösen? Und nicht denken: Ach, gerade werden im
       Globalen Süden überall Brunnen gebaut, dann brauchen sie wohl Brunnen. Aber
       vielleicht brauchen sie etwas anderes. Meiner Meinung nach ist das
       Hauptproblem, so für andere zu bestimmen. Überzeugt zu sein, dass das gut
       sein muss.
       
       Welche Entwicklungen nehmen Sie in der Entwicklungsarbeit der letzten Jahre
       wahr? 
       
       Eine Verbesserung. Es gibt Projekte wie das
       Eine-Welt-Promotor*innen-Programm in Bremen, das ich leite. Der Koordinator
       Christopher Duis ist nah bei den Promotor*innen und hat ein Ohr dafür,
       wie man es besser machen kann. Die Umsetzung braucht noch Zeit, wir sind
       aber auf einem guten Weg. Man hat gelernt, mit der Zivilgesellschaft zu
       arbeiten, das gab es früher nicht. Man macht sich Gedanken, dass die Leute
       sich nicht gekränkt fühlen. Stellt Fragen: Was können wir tun, damit das
       besser wird?
       
       Wie kann ein „Raum zum Zuhören“, wie er in der Veranstaltungsreihe
       entstehen soll, helfen? 
       
       Es wird helfen, indem er die Möglichkeit für eine Auseinandersetzung mit
       dem Thema gibt. Bei Entwicklungszusammenarbeit geht es um das
       Voneinanderlernen, damit ein Perspektivenwechsel stattfindet. Es wird ein
       Raum geschaffen, der einen Dialog ermöglicht. Was gefällt euch nicht, wie
       können wir Projekte gemeinsam planen und nachhaltig gestalten?
       
       21 Dec 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Emmy Thume
       
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