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       # taz.de -- Demokratie in den USA: Gegen die Wand
       
       > US-Präsident Biden stößt mit seiner Politik auf harten Widerstand – bei
       > den Themen Impfen und Trump-Ära.
       
   IMG Bild: Erste Schatten auf dem Präsidenten: Joe Biden in Cincinnati im Juli 2021
       
       Es war ein Flehen: Mindestens ein Dutzend Mal drängte US-Präsident Joe
       Biden am Dienstag vor TV-Kameras im Weißen Haus seine Zuschauer:innen, sich
       jetzt impfen oder boostern zu lassen. Er legte dar, wie er die Vereinigten
       Staaten gegen die neue Omikron-Variante des Coronavirus wappnen will: mit
       mehr Impf- und Testzentren, 500 Millionen kostenlosen Tests und dem Einsatz
       von ärztlichem Militärpersonal.
       
       Aber er sagte auch: Nur ein Impfschutz garantiere das gewohnte
       Weihnachtsfest mit der Familie und Verwandten. Ungeimpfte hingegen – also
       ein Viertel der Bevölkerung – riskierten eine schwere Erkrankung oder den
       Tod.
       
       Schon jetzt ist die Omikron-Variante in den USA für mehr als 70 Prozent der
       neuen Coronafälle verantwortlich und hat dafür gesorgt, dass vielerlei
       Beschränkungen den Alltag erschweren. Doch es sieht so aus, als ob Bidens
       Flehen bei denen, an die es gerichtet war, auf taube Ohren stößt.
       
       Besonders in ländlichen, tiefgläubigen und konservativen Regionen ist die
       Impfskepsis hoch. Sie macht nicht einmal vor einem halt, der sie lange
       mitgeschürt hat: Donald Trump wurde jüngst ausgebuht, als er einräumte, er
       habe seinen Booster-Shot bereits erhalten.
       
       ## Der Enthusiasmus für Biden schmilzt dahin
       
       Und Bidens Überzeugungskraft bleibt Meilen hinter der seines Vorgängers
       zurück. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf 43,5 Prozent gefallen,
       seit Mitte Oktober lehnen mehr als die Hälfte der Befragten ab, was Biden
       als Präsident so macht.
       
       Er war [1][mit ambitionierten Plänen] angetreten, die USA sozialer,
       gerechter und klimafreundlicher umzubauen. Sie hätten viel Geld gekostet,
       doch galt als sicher, dass diese Investitionen sich auf lange Sicht gelohnt
       hätten. Nach und nach aber sind die großen Pläne immer weiter
       zusammengeschmolzen und mit ihnen der Enthusiasmus für den Präsidenten.
       
       Inzwischen zeigt sich, dass seine ohnehin knappen Mehrheiten im Kongress
       nicht groß genug waren, um Widerstände zu überwinden. Im aktuellen Streit
       um sein Klimaschutz- und Sozialpaket im Umfang von 1,75 Billionen US-Dollar
       ist es [2][ein einziger demokratischer Senator], der das Ganze gegen die
       Wand laufen lässt. Joe Manchin aus dem konservativen West Virginia, einem
       Staat mit weniger Einwohner:innen als Hamburg, verweigert Biden die
       entscheidende 50. Stimme im Senat.
       
       Die Gründe, die er dafür nennt – vor allem zu hohe Kosten –, sind in den
       Medien bereits zerpflückt worden. Stundenlang redeten Manchins
       Senatskolleg:innen hinter verschlossenen Türen auf ihn ein –
       vergebens. Das sorgt auch für Frust über Biden, der dadurch als nicht
       durchsetzungsfähig erscheint. Auf dem Spiel stehen nun auch die
       Klimaschutz-Zusagen der USA bei der COP26 in Glasgow.
       
       ## Angriff auf die Demokratie
       
       Manchin steht auch den Gesetzentwürfen kritisch gegenüber, die eine
       Aushöhlung des Wahlrechts verhindern sollen. In vielen republikanisch
       regierten Bundesstaaten wurden die Regeln so verschärft, dass gerade
       Minderheiten, die eher die Demokraten wählen, an der Stimmabgabe gehindert
       werden.
       
       Es ist ein Angriff auf die Demokratie, Monate nach dem [3][versuchten
       konstitutionellen Staatsstreich, durch den am 6. Januar] die Bestätigung
       der Wahl Joe Bidens im Kongress verhindert werden sollte. Ein
       Untersuchungsausschuss hat inzwischen offengelegt, wie Trumps Leute dies
       mit einer waghalsigen Auslegung der Verfassung bewerkstelligen wollten.
       Eine Aufklärung durch eine Aussage vor dem Kongress verweigern sie nun und
       riskieren dafür sogar Beugehaft.
       
       Robert Reich, Arbeitsminister unter Clinton und scharfsinniger wie
       scharfzüngiger Kolumnist, hat drei Feinde der amerikanischen Demokratie
       ausgemacht. Sie seien bereits dabei, sie zu zerstören: die große Lüge, die
       große Wut und das große Geld – also Trumps Beharren auf der Behauptung, die
       Wahl 2020 nicht verloren zu haben, dann die erbitterte, durch Talkshows und
       soziale Medien vorangetriebene Spaltung der Gesellschaft und schließlich
       der ungebremste Einfluss des Geldes, mit dem die Superreichen Wahlkämpfe
       finanzieren und letztlich ihre Privilegien verteidigen.
       
       Dazu kommt jetzt, nach fast zwei Jahren der Pandemie, die große Müdigkeit,
       sich dem entgegenzustemmen. Es sieht nicht gut aus.
       
       23 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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