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       # taz.de -- NSU-Ausschuss in Mecklenburg-Vorpommern: Behörden im Fokus
       
       > Mecklenburg-Vorpommern hat zwar sehr spät einen Untersuchungsausschuss
       > zum NSU eingesetzt, dafür aber mit ausgesprochen weitem Auftrag.
       
   IMG Bild: Älter als die parlamentarischen Untersuchungen: Mahnmal für NSU-Opfer Mehmet Turgut in Rostock
       
       Bremen taz | Normalerweise zählen Untersuchungsausschüsse (PUA) im
       parlamentarischen Geschäft zu den Instrumenten der Opposition. Als ihr
       schärfstes Schwert werden sie gern tituliert, als ginge es um eine blutige
       Fehde und nicht um politische Auseinandersetzungen.
       
       In Mecklenburg-Vorpommern hingegen schreien die oppositionellen AfD und CDU
       Zeter und Generalverdacht!, weil die Regierungsfraktionen die
       Aufklärungsarbeit in Bezug auf den rechtsextremen Terror des
       „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) fortsetzen und erweitern
       wollen: Am 25. Februar 2004 war [1][Mehmet Turgut] in Rostock erschossen
       worden.
       
       Außer Hamburg haben alle Bundesländer, in denen das Trio aus Uwe Böhnhardt,
       Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gemordet hat, einen PUA eingesetzt. Dessen
       Arbeit auf eine zweite Legislaturperiode ausgedehnt haben zuvor schon
       Thüringen, Sachsen und Baden-Württemberg.
       
       Darüber, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern ein entsprechender Bedarf ist,
       waren sich Linke und SPD schon im Frühjahr einig, der Koalitionsvertrag hat
       das bekräftigt. Den Weg fürs Gremium auch formal freigemacht hat nun der
       Landtag in der letzten Sitzung des Jahres am 16. Dezember. Und das verdient
       Beachtung.
       
       Denn, nachdem es in Mecklenburg-Vorpommern besonders lang gedauert hatte,
       bis sich das Parlament endlich konsequent um die Rolle öffentlicher,
       staatlicher Stellen in dem Komplex zu kümmern begonnen hat – erst 2018
       wurde dort, nach zähem Ringen, der erste PUA eingesetzt –, ist der
       Nordosten diesmal eher Avantgarde: Die Abgeordneten in Schwerin sollen mit
       der Netzwerkstruktur des NSU auch [2][seine Verbindungen mit anderen
       rechtsradikalen Gruppen] wie Oldschool Society, Combat 18, BaltikKorps
       sowie Nordkreuz in den Blick nehmen, wie es im Einsetzungsbeschluss heißt.
       
       Außerdem müssen sie prüfen, wo die Landesbehörden diese Bandenbildung
       gefördert oder stabilisiert haben – aus Versehen oder wissentlich. Hinter
       einem Spiegelstrich steht sogar: „Bildung einer rechten Gruppierung
       innerhalb des Sondereinsatzkommandos [sic!] im Landeskriminalamt M-V“!
       
       ## Ohne falsche Rücksichtnahme
       
       Trotz des terminologischen Fauxpas – Sonderkommando ist ein SS-Begriff –
       scheinen hier Menschen mitformuliert zu haben, die sich auskennen. Der
       Auftrag geht deutlich über das hinaus, was in Baden-Württemberg, Thüringen
       oder Sachsen an Anforderungen für die Zweitauflage formuliert worden war.
       
       Und warum CDU-Fraktionsvize Ann Christin von Allwörden glaubte, in der
       Plenardebatte davor warnen zu müssen, dass der PUA „ohne echtes Ziel in
       Aktenbergen herumstochern“ würde, ist angesichts der so konkreten
       Aufgabenbeschreibung schwer nachzuvollziehen. Oder hätte der Antrag noch
       einmal direkt nach Lorenz Caffier fragen sollen, dem CDU-Innenminister, der
       Privatwaffen bei Privatnazis kaufte?
       
       Der Beschluss scheint erfreulich frei von jener falschen Rücksichtnahme,
       mit der im schwarz-grünen Hessen ein vertiefendes, im rot-grünen Hamburg
       sogar jegliches peinliches Fragen nach einer Unterwanderung der
       Sicherheitsbehörden unter den Teppich gekehrt wird. Für diese
       Gebietskörperschaften kann Mecklenburg-Vorpommern also als gutes Beispiel
       fungieren.
       
       24 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Mehmet_Turgut
   DIR [2] /Politologe-ueber-Rot-Rot-in-Schwerin/!5814935
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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