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       # taz.de -- Nutzung von Plastikmüll: „Leben einer Straße verdoppeln“
       
       > Altes Plastik für neue Straßen: Das Start-up EcoPals will Asphalt
       > umweltfreundlicher machen, erklärt der Mitgründer Jonas Varga.
       
   IMG Bild: Auf die Mischung kommt es in Zukunft an, frischer Aspahlt auf einer Straße
       
       taz: Herr Varga, Herr Redwitz, warum steckt in Straßen denn überhaupt
       Plastik? 
       
       Jonas Varga: Kunststoffadditive werden bereits seit Jahrzehnten eingesetzt,
       um die Leistungsfähigkeit von Asphalt zu verbessern. In den letzten Jahren
       ist Kunststoffen durch steigenden Güterverkehr, der Straßen stärker
       abnutzt, eine wichtigere Bedeutung zugekommen.
       
       Max Redwitz: Der Asphalt besteht aus einer Mischung aus Gestein und
       Bitumen. Manches Bitumen wird mit neuwertigen Kunststoffen versetzt, wir
       hingegen verarbeiten bereits produzierte, nicht recycelbare Kunststoffe.
       
       Wie funktioniert das? 
       
       Redwitz: In der Erstproduktion von Plastikwaren wie Joghurtbechern werden
       viele Plastiksorten miteinander verklebt oder verbunden. Die Kosten der
       Auftrennung übersteigen jeglichen Rahmen, und die Kunststoffe werden [1][am
       Ende nicht recycelt]. Wir identifizieren die richtigen
       Kunststoffmischströme und verarbeiten und testen diese, sodass sie die
       beste Qualität für den Asphalt haben.
       
       Varga: Wir produzieren keinen Kunststoff neu, um unser Additiv zu
       fabrizieren. Dadurch, dass wir das Plastik vor der Verbrennung und
       Deponierung bewahren, arbeiten wir ressourceneffizienter, als es in der
       herkömmlichen Produktion der Fall ist.
       
       Kann man den ökologischen Nutzen messen? 
       
       Redwitz: Laut internen Berechnungen des Fraunhofer-Instituts könnten wir
       1,1 Tonnen Kohlendioxid pro Tonne Asphaltzusatz einsparen. Die Technologie
       hat außerdem das Potenzial, den [2][Lebenszyklus einer Straße] zu
       verdoppeln.
       
       Setzen unsere Straßen eigentlich Mikroplastik frei, also aus ökologischen
       Gründen [3][gefürchtete Kunststoff-Kleinstteilchen]? 
       
       Redwitz: Ja, das ist ein Problem. Der Kunststoff ist in die Straßen
       eingearbeitet und jede Straße wird im Laufe der Zeit abgerieben, wodurch
       Mikroplastik erzeugt und freigesetzt wird.
       
       Varga: Es gibt zwei große Emittenten von Mikroplastik auf Straßen, den
       Abrieb von Autoreifen und den Abrieb von Bitumen. Das Bitumen ist das von
       den Straßen abgeriebene Material. Da unser Produkt den Asphalt
       widerstandsfähiger macht, gehen wir davon aus, dass unser Asphaltzusatz den
       Abrieb und damit die Emissionen von Mikroplastik nicht verstärkt.
       
       Ist Ihr Produkt denn schon im praktischen Einsatz? 
       
       Varga: Wir haben eine Strecke in Österreich bei einem Bauhof in Vorarlberg
       gebaut sowie eine Bundesstraße bei Potsdam und eine Zufahrtsstraße und
       Bushaltestelle in Aschaffenburg. Wir konzentrieren uns dabei auf höher
       belastete Straßen, da unser Produkt höhere Auslastungen verträgt. Bisher
       haben wir zehn Tonnen in einer Garage produziert, haben jedoch eine größere
       Produktion in den Startlöchern.
       
       Rennen Sie mit Ihrem Ansatz offene Türen ein oder stoßen Sie eher auf
       Widerstand? 
       
       Redwitz: In Deutschland fällt unser Produkt nicht in die typischen Normen.
       Im Ausland ist das anders. Die Prüfverfahren hierzulande sind nicht auf
       solche Materialien ausgelegt.
       
       Varga: In Deutschland misst man den Anteil an Bitumen, der dem Asphalt
       zugegeben wird. Das ist dann eine harte Grenze. In anderen Ländern hat der
       Asphalt Performance-Werte. Außerdem ist der Staat der größte Auftraggeber
       der Branche – und sowohl der Staat wie auch die Branche sind risikoscheu.
       Hier ist die Devise: Wir bauen mit dem, was wir haben. Die öffentliche Hand
       könnte viel bewirken, indem man neuen Verfahren Chancen bietet und
       Pilotflächen ausschreibt.
       
       1 Jan 2022
       
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