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       # taz.de -- Razzien in Shisha-Bars: Kaum nachvollziehbar
       
       > Eine Linken-Anfrage stellt den Nutzen von Razzien gegen
       > „Clankriminalität“ in Frage. Im Kampf gegen Organisierte Kriminalität
       > helfen sie wenig.
       
   IMG Bild: Bekämpfung von Organisierter Kriminalität? Polizeibeamte bei einer Razzia in Berlin
       
       Berlin taz | Neue, bislang unveröffentlichte Antworten der Innenverwaltung
       zum Thema [1][Großrazzien und der Kampf gegen „Clankriminalität“] lassen
       die Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen wachsen. Innenpolitiker
       Niklas Schrader (Linke) veranlassen die Zahlen und Aussagen zu der
       Feststellung: Zwar werde immer wieder behauptet, die so genannten
       Verbundeinsätze von Polizei und anderen Behörden seien notwendig und
       effektiv zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität. „Aber die Fakten
       sprechen eine andere Sprache“, so Schrader. „So sind und bleiben diese
       Einsätze kaum nachvollziehbar und stigmatisierend für die Betroffenen.“
       
       Laut den Antworten auf Schraders Anfrage mit der Drucksache 19/10124, die
       der taz exklusiv vorliegen, gab es seit Ende Juni 2020 in ganz Berlin 250
       Schwerpunkteinsätze mit Bezug zur Bekämpfung von „Clankriminalität“, davon
       fanden 34 i[2][n Neukölln statt, dem angeblichen Hotspot der „arabischen
       Clans“]. Die Größe der Einsätze und der beteiligten Behörden und
       Polizeibeamten schwankt dabei stark, teilweise sind bis zu 150
       PolizistInnen im Einsatz und fünf bis sechs Behörden – Bezirksämter,
       Finanzämter, Hauptzollamt – beteiligt.
       
       Öffentlich werden solche Schwerpunkt- oder Verbundeinsätze von der Politik
       als wichtiges Element im Kampf gegen „Clankriminalität“ – als einem Zweig
       der Organisierten Kriminalität – dargestellt. Gefunden wird dort allerdings
       vorwiegend „Kleinkram“: Ordnungswidrigkeiten wie Verstöße gegen die
       Straßenverkehrsordnung, das Infektionsschutzgesetz, den Jugend- oder
       Gesundheitsschutz. Häufig werden auch Verstöße gegen das
       Betäubungsmittelgesetz festgestellt, große Drogenfunde sind jedoch selten.
       Manchmal werden Waffen konfisziert, häufig Messer, manchmal gibt es
       manipulierte Spielautomaten oder Funde von unverzolltem Shisha-Tabak.
       
       Angesichts dieser in Relation zum hohen Personalaufwand und der hohen
       öffentlichen Wahrnehmung mageren „Ausbeute“ wollte Schrader wissen, wie die
       Auswahl der kontrollierten Geschäfte zustande kommt und vor allem, bei wie
       vielen im Vorhinein „Anhaltspunkte für Organisierte Kriminalität“
       vorliegen. Die Antwort der Innenverwaltung: Dazu würden „aus
       ermittlungstaktischen Gründen“ keine Angaben gemacht. Grundsätzlich würden
       die beteiligten Behörden (zumeist Ordnungsämter, Finanzämter oder Zoll) die
       Geschäfte auswählen, in Einzelfällen aber auch die Polizei.
       
       ## Man guckt, was man findet
       
       Schrader findet diese Antwort „frech“: Denn inwiefern, fragt er, könne es
       „ermittlungstaktisch“ schaden, eine Summe von Geschäften zu nennen, die
       kontrolliert werden, weil man sie im Zusammenhang mit Organisierter
       Kriminalität sieht? Die ausweichende Antwort, findet er, spreche dafür,
       dass man eben nicht gezielt vorgehe, sondern „guckt, was man findet“.
       
       Diese „show of force“-Strategie – Abschreckung durch Großeinsätze – habe
       jedoch die bekannten „Kollateralschäden“ zur Folge, so Schrader: vor allem
       die öffentliche Stigmatisierung bestimmter Geschäftszweige (Shisha-Bars,
       Barber-Shops), Gegenden (Sonnenallee) und Bevölkerungsgruppen
       (arabischsstämmige Menschen). Zudem sei diese Strategie dem eigentlichen
       Zweck nicht dienlich, sagt er: „Organisierte Kriminalität bekämpft man
       nicht mit Symbolik und Show, sondern mit gezieltem Vorgehen bei
       tatsächlichen Verdachtsmomenten.“
       
       13 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lagebericht-zu-Clankriminalitaet-2020/!5755101
   DIR [2] /Linke-und-SPD-streiten-in-Neukoelln/!5809398
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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