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       # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Immer diese Familie
       
       > In „Encanto“ muss ein kleines Mädchen die familiären Superkräfte retten.
       > „Ohayo“ erzählt vom Streik von Kindern gegen den ohnmächtigen Vater.
       
   IMG Bild: „Encanto“
       
       Im Kreis der späten Filme [1][des japanischen Meisterregisseurs Yasujiro
       Ozu] nimmt „Ohayo“ (Guten Morgen) eine gewisse Sonderstellung ein: Erzählen
       die anderen Filme Geschichten rund um die Abnabelung erwachsener Kinder von
       ihren Eltern, geht Ozu in „Ohayo“ (1959) noch einmal einen Schritt zurück
       und stellt junge Kinder in den Mittelpunkt der Handlung.
       
       Dabei variiert er ein Motiv seines Films „Ich wurde geboren, aber…“ (1932),
       in dem ein Brüderpaar in einen Hungerstreik tritt, weil sie die
       Unterordnung ihres Vaters unter seinen Chef nicht begreifen. Dass der
       Sprechstreik, den die Kinder in „Ohayo“ initiieren, dem deutlich profaneren
       Wunsch nach Anschaffung eines Fernsehers entspringt, zeigt sehr schön den
       Wandel der Gesellschaft an, jenen Spagat zwischen Tradition und Moderne in
       der Nachkriegszeit, von dem Ozus Filme eben auch immer wieder erzählen.
       
       Wichtig ist in „Ohayo“ auch das gesamte Nachbarschaftsumfeld der Familie
       und die Frage, wer denn nun eigentlich was von wem hält und warum. Der
       Tonfall ist dabei deutlich komödiantischer als in den eher von Melancholie
       geprägten anderen Spätwerken Ozus, die vom 21. Bis zum 30. Dezember im Kino
       Arsenal zu sehen sind (Om engl. U, 22. 12., 20 Uhr, [2][Kino Arsenal])
       
       Große Spezialisten in Sachen Familiengeschichten sind auch die
       Animationsfilmer von Disney. Egal, in welchen Gegenden dieser Welt sich die
       Protagonist:innen auch herumtreiben mögen, am Ende propagieren die
       großen Animationsfilme des Studios mit der Maus immer wieder die
       klassisch-traditionellen Familienwerte: Solange wir zusammenhalten, können
       wir gemeinsam alles erreichen.
       
       Das ist auch im Fall von „Encanto“ (Regie: Jared Bush, Byron Howard und
       Charise Castro Smith) nicht anders, denn hier ist [3][die gesamte
       Geschichte bereits als Moralstück angelegt]. Seit einer großen Notsituation
       ist in der Familie Madrigal aus Kolumbien jede:r mit außergewöhnlichen
       Gaben gesegnet: von Superkräften bis zum Verständnis von Tierstimmen.
       
       Nur Mirabel, die Enkelin der Matriarchin, die der Familie vorsteht, hat
       davon offenbar gar nichts abbekommen und leidet unter dem Gefühl irgendwie
       nicht gut genug für diese Wunderfamilie zu sein. Doch als der Zauber
       schwindet, ist sie mit ihrer Fähigkeit, die auseinanderdriftende Familie
       zusammenzuhalten, plötzlich die wichtigste Person.
       
       Das ist – trotz flotter Musicalnummern und hübscher Einfälle rund um das
       verzauberte Heim der Familie – recht unverhohlen sentimental, also lieber
       noch vor Weihnachten anschauen, ehe man sich von allem, was mit Familie zu
       tun hat, lieber eine kleine Pause nimmt (16.-17. 12., 14.10 Uhr und 16.50
       Uhr, 18.12., 14.10 Uhr, [4][Kino in der Kulturbrauerei] sowie in diversen
       weitere Multiplexkinos).
       
       Das Gegenprogramm ist George A. Romeros meisterlicher Zombiefilm „Dawn of
       the Dead“: Nicht nur, dass die Zombies ihre Verwandten und Freunde hier
       stets zum Fressen gern haben, der Film passt auch so wunderbar in die
       vorweihnachtliche Shopping-Zeit in den überfüllten Konsumpalästen. Denn die
       Untoten stolpern buchstäblich ohne Sinn und Verstand in einer Shopping Mall
       herum, möglicherweise, wie jemand einmal vermutet, weil es ihnen in ihrem
       früheren Leben hier so gut gefallen hat.
       
       Das Ganze ist großes Autorenkino im Gewand von Gore- und Splatter-Horror:
       eine sehr persönliche Sicht auf unsere Zivilisation, erzählt mit einem
       ordentlichen Schuss Ironie (OmU, 17.12., 16 Uhr, [5][B-ware! Ladenkino]).
       
       16 Dec 2021
       
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