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       # taz.de -- Lauterbachs unrealistische Berechnung: Impfstoffmangel nicht in Sicht
       
       > In Deutschland wird so viel geimpft wie nie zuvor. Die Sorge des
       > Gesundheitsministers, dass der Impfstoff knapp wird, scheint jedoch
       > unbegründet.
       
   IMG Bild: Boosterimpfung in einem Dresdener Impfzentrum
       
       Es sind beeindruckende Zahlen, die derzeit Tag für Tag aus den Arztpraxen
       und Impfzentren in Deutschland gemeldet werden: Am Mittwoch wurden 1,5
       Millionen Menschen gegen Corona geimpft – und damit mehr als jemals zuvor
       an einem einzelnen Tag. Der 7-Tage-Mittelwert der Impfungen steigt auf
       knapp eine Million pro [1][Tag, ebenfalls ein neuer Rekordwert.]
       
       Der Großteil davon, nämlich 86 Prozent, entfällt auf die sogenannten
       Boosterimpfungen, also Auffrischungen bei Menschen, die bereits seit
       mehreren Monaten vollständig geimpft sind. Erst- und Zweitimpfungen machen
       nur einen kleinen Anteil aus; doch auch bei den Erstimpfungen gibt es
       derzeit wieder einen Trend nach oben; mit knapp 100.000 lag ihre Zahl am
       Mittwoch rund 8 Prozent höher als eine Woche zuvor.
       
       [2][Neben den Warnungen vor der Omikronvariante], die die Gefahr für
       Ungeimpfte deutlich steigert, dürfte dabei aber vor allem die Impfung von
       Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren eine Rolle spielen, die in dieser
       Woche regulär begonnen hat. Zahlen, wie viele Kinder in diesem Alter bisher
       geimpft wurden, gibt es noch nicht; eine entsprechende Statistik wird erst
       kommende Woche veröffentlicht, teilte das Robert-Koch-Institut der taz mit.
       
       Doch kann die Impfkampagne im derzeitigen Tempo weiterlaufen?
       Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte das in dieser Woche
       bestritten. „Wir haben einen Impfstoffmangel für das erste Quartal“, hatte
       er am Dienstag in der ARD gesagt. Am Donnerstag spezifizierte der
       Gesundheitsminister dies in der Bundespressekonferenz: Bis zum Ende des
       ersten Quartals gebe es einen Bedarf von 70 Millionen Impfstoffdosen, davon
       50 Millionen für Boosterimpfungen und 20 Millionen für Erst- und
       Zweitimpfungen. Dem stünden nach bisheriger Planung aber nur Lieferungen
       von 50 Millionen Dosen gegenüber.
       
       ## Annahmen Lauterbachs wenig realistisch
       
       „Es kann nicht sein, dass die besonders erfolgreiche Booster-Kampagne
       ausgebremst wird, weil wir nicht genug Impfstoff bekommen“, sagte
       Lauterbach. Er sei darum in Verhandlungen mit Herstellern, Europäischer
       Kommission und anderen EU-Staaten, um zusätzlichen Impfstoff zu
       organisieren. Ein erster Erfolg davon sei, dass Deutschland im Dezember und
       Januar 35 Millionen zusätzliche Dosen des Moderna-Impfstoffs erhalte; 10
       Millionen noch im Dezember und 25 Millionen im Januar. Von Biontech sei mit
       einer Sonderlieferung von bis zu 80 Millionen Dosen zu rechnen, die
       voraussichtlich im zweiten Quartal eintreffe.
       
       Doch auch ohne diese Sonderlieferungen dürfte es eigentlich nicht zu einer
       Knappheit kommen. Denn der von Lauterbach angenommene Bedarf von 70
       Millionen bis Ende März scheint wenig realistisch, und die genannten
       ursprünglichen Liefermengen von 40 Millionen Dosen stehen im Widerspruch zu
       aktuellen Angaben des Ministeriums.
       
       Dazu ein genauerer Blick auf die Zahlen: Vollständig geimpft sind in
       Deutschland laut RKI derzeit 58,2 Millionen Menschen; mindestens einmal
       geimpft sind 60,7 Millionen. Für die Zweitimpfung aller bisher
       Erstgeimpften werden damit noch 2,5 Millionen Impfdosen benötigt. Bereits
       geboostert sind derzeit knapp 23 Millionen Menschen. Um allen doppelt
       Geimpften eine Boosterimpfung zu verabreichen, würden demnach insgesamt
       noch 35 Millionen Dosen benötigt. Dazu kommen neue Erstimpfungen. Doch
       selbst wenn sich hier das derzeitige Impftempo verdoppeln würde, würden 4
       Millionen Dosen pro Monat dafür ausreichen.
       
       ## Booster gibt es noch gar nicht für alle
       
       Bis zum Ende des ersten Quartals sind damit kaum mehr als 50 Millionen
       Impfungen zu erwarten. Und für diese müsste der zur Verfügung stehende
       Impfstoff eigentlich reichen. Denn in den letzten Wochen sind laut einer
       Aufstellung des Ministeriums fast 20 Millionen Impfdosen mehr ausgeliefert
       als verimpft worden; zumindest ein Teil davon müsste in den Praxen und
       Impfzentren noch zur Verfügung stehen.
       
       Und bis Ende März kommen einer aktuellen Aufstellung des
       Gesundheitsministeriums über 80 Millionen Impfdosen dazu (sofern man
       einrechnet, das bei Moderna zum Boostern nur die halbe Dosis benötigt
       wird). Der Bedarf wäre damit mehr als gedeckt, selbst wenn ein Teil des
       Impfstoffs ungenutzt bliebe. Vorübergehend knapp werden könnte es
       allenfalls für unter 30-Jährige, die ausschließlich mit dem Biontech-Vakzin
       geimpft werden dürfen.
       
       Um auf den von Lauterbach errechneten Bedarf von 70 Millionen Impfdosen zu
       kommen, müssten dagegen bis Ende März 88 Prozent der Gesamtbevölkerung
       nicht nur komplett geimpft, sondern vollständig geboostert sein. Das ist
       nicht nur unrealistisch, sondern unmöglich – zum einen wegen der Abstände
       zwischen den Impfungen, zum anderen, weil es für Kinder und Jugendliche
       noch gar keinen zugelassenen Booster-Impfstoff gibt. Erreicht werden könnte
       ein solcher Wert allenfalls mit der Einführung einer allgemeinen
       Impfpflicht, die jedoch kaum im ersten Quartal in Kraft treten dürfte.
       
       16 Dec 2021
       
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   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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