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       # taz.de -- Türkischer Autor in Griechenland: Sevan Nişanyan droht Abschiebung
       
       > Der türkisch-armenische Publizist Sevan Nişanyan könnte aus Griechenland
       > ausgewiesen werden. Ein Grund wird offiziell nicht genannt.
       
   IMG Bild: Der türkisch-armenische Autor Sevan Nişanyan eckt an
       
       Istanbul taz | Griechenland könnte den türkisch-armenischen Publizisten
       Sevan Nişanyan zurück in die Türkei abschieben. Wie seine Frau Ira Tzourou
       berichtete, wurde er am Donnerstag auf der Insel Samos festgenommen,
       nachdem die Behörden ihm seine Aufenthaltserlaubnis entzogen hatten. Die
       Entscheidung soll am heutigen Montag fallen.
       
       Ein Grund, weshalb das Land Nişanyan rauswerfen will, der immerhin mit
       einer Griechin verheiratet ist und außerdem nach seiner Flucht 2017 in
       Griechenland Asyl zugesprochen bekam, wird offiziell nicht genannt.
       Nişanyan hat allerdings auf Youtube seine eigene Vermutung dazu bekannt
       gegeben: Er habe, wie zuvor in einem Buch über die Osttürkei, wo er den
       armenischen Ursprung vieler Orte herausarbeitete, auch in Nordgriechenland
       in einer linguistischen Forschung über die Sprachen und Namen der Dörfer
       der Provinz Makedonien festgestellt, dass die meisten Dörfer türkischen
       oder bulgarischen Ursprungs sind.
       
       Angesichts des nationalistischen Furors, mit dem Griechenland dem Nachbarn
       Nordmazedonien lange verweigerte, den Namen Mazedonien zu verwenden, weil
       die nördliche Provinz Griechenlands so heiße, klingt Nişanyans Vermutung
       plausibel.
       
       Der heute 66-jährige Sevan Nişanyan ist einer der umstrittensten
       Intellektuellen der Türkei. Er kommt aus einer begüterten armenischen
       Familie in Istanbul, die ihm ein Studium an der Yale-Universität in den USA
       ermöglichte. In den 90er Jahren gab er gemeinsam mit seiner damaligen Frau
       Müjde Tönbekici einen Führer zu den [1][„Kleinen Hotels“ der Türkei]
       heraus. Das Buch erreichte schnell Kultstatus, weil es einer der ersten
       echten Führer für Individualreisen in der Türkei war. Nişanyan und seine
       Frau ließen sich damals in einem Dorf im Hinterland von Ephesus nieder, wo
       sie alte griechische Häuser restaurierten und vermieteten.
       
       ## Nişanyan scheut keinen Konflikt
       
       Bekannt ist Nişanyan aber vor allem, weil er keinem Konflikt aus dem Weg
       geht. Er schaffte es, sich mit den örtlichen Autoritäten in seinem Dorf so
       anzulegen, dass er schließlich wegen illegaler Bautätigkeit ein halbes Jahr
       in den Knast kam. Die Zeit nutzte er, um eine Polemik über Atatürk zu
       schreiben, mit der er sich bei den Kemalisten und vielen Säkularen äußerst
       unbeliebt machte. Das glich er später wieder aus, als er sich für einen
       Film engagierte, mit dem angeblich der Prophet Mohammed beleidigt wurde. Er
       wurde wegen Gotteslästerung angeklagt und erneut verurteilt.
       
       In der Zwischenzeit legte er sich aber auch noch mit der gesamten
       feministischen Bewegung der Türkei an, weil er im Scheidungsstreit seiner
       Frau einen Topf Fäkalien über den Kopf schüttete und das auch noch
       öffentlich verteidigte.
       
       Nişanyan arbeitete damals bei der armenisch-türkischen Zeitschrift Agos und
       provozierte damit einen großen Konflikt in der Redaktion. Nachdem er
       während seiner zweiten Haftstrafe in den offenen Vollzug im Ägäisstädtchen
       Foça verlegt worden war, flüchtete er über das Meer nach Samos. Jetzt
       wollen ihn die Griechen offenbar loswerden.
       
       3 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.book-info.com/isbn/3-89662-360-5.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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