URI: 
       # taz.de -- Virologische Bilanz der Sommerspiele: Schreckensszenario blieb aus
       
       > Die Olympischen Sommerspiele von Tokio waren vieles. Ein
       > Superspreading-Event waren sie definitiv nicht, brachten auch keine neuen
       > Varianten hervor.
       
   IMG Bild: Bronze in der Bubble: US-Turnstar Simone Biles zeigt ihre Medaille her
       
       In gut einem Monat beginnen die Olympischen Winterspiele in Peking. [1][Die
       Hygieneauflagen sind noch strenger] als bei den letzten Sommerspielen in
       Tokio. Aus Peking hörte man zuletzt, das müsse unter anderem so sein, damit
       nicht neue Virusvarianten nach China eingeschleppt würden. Die Angst vor
       fremden Mutationen aus Amerika oder Europa ging vor einigen Monaten auch in
       Japan um. Allerorten wurde prognostiziert, die Spiele würden zu einem
       Ansteckungs-Armageddon verkommen.
       
       „Die Spiele von Tokio könnten ein dreiwöchiges Superspreader-Event werden,
       das in ganz Japan und weit darüber hinaus zu Tod und Krankheit führt“,
       orakelte ein Autor der New York Times. In die gleiche Kerbe schlug der
       Vorsitzende der japanischen Ärztegewerkschaft, Naoto Ueyama, im Vorfeld des
       weltgrößten Sportfestes. Er befürchtete das Auftreten eines
       „Olympiastrangs“, also einer neuen Mutation mit zusätzlichem
       Gefahrenpotenzial. Sollte das geschehen, dann wäre das eine
       „Riesentragödie“, man würde dann für „hundert Jahre Ziel der Kritik sein“,
       befürchtete der Mediziner.
       
       ## Die Spiele sind sicher
       
       Wie so oft in der Coronakrise ist auch dieses Schreckensszenario nicht
       eingetreten. Es gab keinen Olympiastrang, und schlimm verseucht wurde das
       japanische Volk von den Mitbringseln der Einreisenden auch nicht. Diesen
       Befund hat sich das Internationale Olympische Komitee in einer Studie jetzt
       [2][noch einmal bestätigen lassen]: „Genomsequenzierungsdaten der
       japanischen Regierung haben bestätigt, dass es zwischen den Teilnehmern der
       Olympischen und Paralympischen Spiele und der lokalen Bevölkerung keine
       Ausbreitung eines neuen Coronavirus gegeben hat“, schreibt das IOC, das
       auch den Wirkmechanismus zu kennen glaubt: die rigorosen Maßnahmen.
       
       Laut Saito Tomoya, Direktor des Zentrums für Notfallvorsorge in Japans
       Institut für Infektionskrankheiten, stammt die dominante
       Sars-CoV-2-Variante in Japan, genannt AY.29, wohl aus dem ersten
       Delta-Stamm, der etwa im Mai, zwei Monate vor den Sommerspielen, erstmals
       ins Land kam. Diese Variante kommt bis auf ein paar Ausnahmen nur in Japan
       vor. Ergo: „Es gibt keine Beweise dafür, dass ein neuer Virusstamm von den
       Olympiateilnehmern auf den Rest der Welt übertragen wurde. Und jene
       AY.29-Epidemie in Japan bedeutet, dass sich Virusstämme, die von den
       Teilnehmern eingeschleppt wurden, in Japan nicht ausgebreitet haben“,
       bilanziert Tomoya.
       
       [3][Die Variante AY.29] erreichte in den vergangenen Wochen in Japan einen
       Verbreitungsgrad von etwa 80 Prozent innerhalb der sequenzierten Proben; im
       Gesamtverlauf der Pandemie liegt der AY.29-Anteil in Japan bei fast 60
       Prozent. Während mit Beginn der Sommerspiele der R-Wert, der Auskunft gibt,
       wie viele Personen ein Kranker ansteckt, von 1,5 auf 0,5 abfiel, war auch
       die Positivrate der Tests während der Spiele niedrig. Mit nur 33 positiven
       Fällen bei 11.300 Athleten hätten sich die Spiele, wie das IOC schreibt,
       „als sicher“ erwiesen.
       
       Bei nur 0,29 Prozent der Athleten fiel der Coronatest also positiv aus. Die
       Ergebnisse, die das IOC in Zusammenarbeit mit der
       Weltgesundheitsorganisation WHO nun veröffentlicht hat, zeigen, „dass Tokio
       2020 trotz der vor den Spielen geäußerten Kritik und Bedenken nicht zu
       einem Spreading-Event und schon gar nicht zu einem Superspreading-Event
       geführt hat“, so Brian McCloskey, Vorsitzender des Expertengremiums zur
       Covid-19-Bekämpfung bei den Spielen von Tokio.
       
       Derzeit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz [4][in Japan übrigens bei 1,9].
       
       3 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://olympics.com/ioc/beijing-2022-playbooks
   DIR [2] https://olympics.com/ioc/news/new-data-shows-no-covid-19-spread-between-tokyo-2020-participants-and-local-population
   DIR [3] https://outbreak.info/location-reports?loc=JPN&pango=AY.29&selected=Delta&selected=AY.29&selected=Omicron
   DIR [4] https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/japan/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Olympische Winterspiele 2022
   DIR Kolumne Frühsport
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Überwachung bei Olympischen Spielen: App jetzt nicht mehr frei
       
       Unter deutschen Olympiakadern wächst die Angst, sich Chinas Apparat zu sehr
       auszuliefern. Sie bleiben in ihrer Kritik aber indifferent.
       
   DIR Olympia-Quarantäne-Hotel des Schreckens: Isolation im „Day Nice“
       
       Die Beschwerden von positiv auf Corona getesteten Athletinnen und Athleten
       werden lauter. Die Bedingungen der Quarantäne sind fragwürdig.
       
   DIR Coronaschutz auf dem Volleyballfeld: Die Wettkampfmaske
       
       Der brasilianische Volleyball-Olympiasieger Lucas Saatkamp tritt in Tokio
       sogar auf dem Feld mit Maske an. Auch andere Teamkollegen machen mit.
       
   DIR Coronaregeln bei Olympia in Tokio: Eng an eng in die Blase
       
       Der taz-Olympiareporter hat Tokio erreicht. Hinter ihm liegt ein langes
       Ringen mit den Regeln zum Infektionsschutz – ein Erfahrungsbericht.