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       # taz.de -- Bericht eines NGO-Leiters aus Uganda: „Die Luft wird dünner“
       
       > Ugandas Regierung hat das EU-Demokratieförderprogramm blockiert. Viele
       > Organisationen können nicht mehr aktiv sein. Ein NGO-Leiter berichtet.
       
   IMG Bild: Damals war es noch einfacher: Ugandas Oppositionsführer Bobi Wine 2019 auf Tour
       
       Kampala taz | Als die ersten Gerüchte in den sozialen Medien herumgingen,
       dachte ich, jemand wolle mich an der Nase herumführen. Ich bekam dann einen
       regelrechten Schock.
       
       Von einem Tag auf den anderen fror unser Präsident Yoweri Museveni die von
       Europa finanzierten Projekte des DGF (Democratic Governance Facility) in
       Uganda ein. Er beschuldigte einige Organisationen, die aus dem DGF-Fonds
       finanziert werden, mit der Opposition zusammenzuarbeiten, und beschimpfte
       seine Leute im Finanzministerium, dass sie korrupt seien, ein solches
       Programm in Uganda erlaubt zu haben.
       
       [1][DGF ist ein von acht europäischen Botschaften und der EU finanziertes
       Programm], das seit 2011 ugandische Organisationen unterstützt, die sich
       für Menschenrechte, Demokratie und Zugang zum Justizsystem einsetzen.
       Zahlreiche regierungskritische NGOs finanzieren sich darüber.
       
       Auch wir, der Think-Tank [2][„Hub for Investigative Media“ (HIM)],
       finanzieren unsere Projekte zum Thema Informationsfreiheit seit 2018 aus
       dem DGF-Fonds. Wir trainieren lokale Autoritäten über die Auskunftspflicht
       des Staates gegenüber seinen Bürgern. Wir klären die Bevölkerung auf, wie
       sie von ihrer politischen Führung Transparenz im Umgang mit Steuergeldern
       und Rechenschaft einfordert, um Korruption zu bekämpfen.
       
       Die ersten Gerüchte, dass das Programm dichtgemacht wird, gab es bereits
       vor den Wahlen im Januar 2021. Aber wir Leute in der Zivilgesellschaft
       hätten es niemals für möglich gehalten, dass der Präsident einfach
       europäische Gelder einfrieren lässt. Als Museveni dann im Februar seine
       Rede an die Nation hielt, saß ich ganz aufgeregt vor dem Fernseher. Und da
       sagte er es: „Die DGF-Projekte sind eingefroren.“ Ich saß mit aufgerissenen
       Augen vor dem Bildschirm und fragte mich: „Was soll das?“ Wie kann ein
       Präsident eines Tages einfach die ganze Zivilgesellschaft in seinem Land
       dichtmachen? Er hat nicht einmal einen Grund genannt.
       
       Wir dachten alle, der Präsident würde erst einmal mit den europäischen
       Botschaftern und EU-Vertretern verhandeln. Wir dachten erst, die Sache
       lässt sich einfach aus der Welt schaffen, es handle sich um ein
       Missverständnis und Museveni sei unter Druck wegen den Wahlen. Aber nichts
       ist geschehen, bis heute.
       
       Hintergrund war: Wir DGF-Partner hatten vor den Wahlen eine Initiative
       gestartet, gemeinsam als Wahlbeobachter zu fungieren, weil die
       internationalen Wahlbeobachter ihre Teilnahme abgesagt hatten. Dafür
       suchten wir einen Namen. Ein Vorschlag war „NEW Uganda“, das sollte für
       „National Election Watch“ stehen. Gleichzeitig hatte aber die
       Oppositionspartei NUP (Nationale Einheitsplattform) unter Bobi Wine eine
       Kampagne mit dem Slogan „New Uganda“ gestartet. Das war ein ganz blöder
       Zufall. Wir haben es zu spät gemerkt. Als wir uns dessen bewusst wurden,
       hatten wir uns bei der Wahlkommission schon unter diesem Namen registriert.
       Kurz darauf bekamen wir böse Briefe vom Innenministerium und dem
       Präsidentenbüro.
       
       Bis heute ist es nicht gelungen, dieses Missverständnis aus dem Weg zu
       räumen. Die Verhandlungen zwischen den Europäern und Museveni sind im Sand
       verlaufen. Wir Projektleiter haben eine E-Mail vom DGF bekommen: Alle
       Gelder sind eingefroren. Von diesem Moment an konnten wir keine Büromieten
       mehr begleichen, unsere Mitarbeiter nicht mehr bezahlen. Unsere Projekte
       standen von einem Tag auf den anderen einfach still.
       
       100 Prozent unserer Gelder kamen vom DGF. Deswegen ist unser Programm quasi
       seit Februar 2021 tot und über 130 Mitarbeiter sitzen arbeitslos zu Hause.
       Seitdem müssen wir um das Überleben unserer Familien kämpfen. Unsere
       Gehälter haben bisher immer ausgereicht, unsere Kinder zur Schule zu
       schicken. Man muss dazu sagen: Wegen Corona waren unsere Schulen zu und die
       Schulgebühren werden erst jetzt 2022 fällig. Aber es ist hart – und je
       länger es dauert, desto härter wird es.
       
       Faktisch bedeutet dies, dass das Regime die Zivilgesellschaft bankrottgehen
       lässt. Wir müssen uns jetzt nach anderen Jobs umsehen, in der Wirtschaft
       oder anderswo, um zu überleben. Einige NGOs hat es noch schlimmer
       getroffen. Sie wurden aufgrund von angeblichen Unregelmäßigkeiten in den
       Finanzen komplett dichtgemacht. Darunter die NGO [3][Chapter Four] des
       bekannten Bürgerrechtlers [4][Nicholas Opiyo]. Er ist nun an die
       Universität zurückgegangen, um zu studieren. Der Direktor von [5][CCEDU
       (Bürgerkoalition für Wahldemokratie)], Crispy Kaheru, wurde von der
       Regierung angeworben und bekam einen guten Job.
       
       Die Top Ten der Zivilgesellschaft sind mit einem Streich zerschlagen
       worden. Ich fürchte, das ist erst der Anfang.
       
       Chapter Four wurde vorgeworfen, Abgaben nicht geleistet zu haben. Ihre
       Konten wurden eingefroren. Dabei habe ich ihren Buchhalter getroffen, als
       ich meine Abgaben bezahlt habe – er stand mit mir in der Warteschlange. Die
       haben dieselbe Quittung wie ich bekommen.
       
       Es ist ein Vorwand, unangenehme NGOs loszuwerden. So haben die Behörden uns
       das auch kommuniziert. Der Direktor der Finanzaufsichtsbehörde, der die
       Kontoeinfrierung veranlasst hat, ist ein Freund von uns. Er hat uns sogar
       eine Whatsapp-Nachricht geschickt. „Sorry, mir sind die Hände gebunden“,
       schrieb er.
       
       Wir wissen ja, wo solche Anweisungen herkommen. Sie kommen von ganz oben.
       Doch der Präsident ist hier sehr schlecht beraten. Leute in seinem Zirkel
       haben ihm eingeflüstert, dass der DGF die Opposition finanziert. Und mit
       dieser Anweisung schießt sich die Regierung selbst ins Knie. Der DGF hat
       auch Projekte in Gefängnissen finanziert, Matratzen und Bettzeug für
       Gefangene. Diese Projekte werden auch dichtgemacht.
       
       Die Anschuldigungen kamen nicht über Nacht. Es gab in den sozialen Medien
       bereits vorher eine Kampagne. Dabei wurde der DGF beschuldigt, korrupt zu
       sein. Doch was passiert war, war folgendes: Einige Museveni-treue Leute
       hatten versucht, ihre eigenen NGOs über das Programm zu finanzieren, und
       sie wurden nicht zugelassen, denn die DGF-internen Regeln zu Buchhaltung
       und Korruption sind sehr streng. Daraufhin starteten diese Leute eine
       Vendetta.
       
       Was diese Leute nicht verstehen, ist: Wenn wir über Korruption sprechen
       oder bessere Regierungsführung, ist das nicht politisch gemeint. Es ist
       nicht gegen Museveni, sondern für ein besseres Uganda.
       
       Wir sind in Uganda jetzt auf einem dunklen Weg und vor uns liegt eine
       ziemlich düstere Zukunft. Denn man sieht: Uganda wendet sich von all den
       demokratischen Prinzipien ab, die Musevenis Regierung einmal gepredigt hat.
       Die Luft für uns in der Zivilgesellschaft wird immer dünner.
       
       Protokoll: Simone Schlindwein
       
       10 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dgf.ug/
   DIR [2] https://him-ug.org/
   DIR [3] https://chapterfouruganda.org/
   DIR [4] /Ugandas-fuehrender-Buergerrechtsanwalt/!5462446
   DIR [5] https://www.ccedu.org.ug/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Edward Ronald Sekyewa
   DIR Edward Sekyewa
       
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