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       # taz.de -- Höchste Migrantenquote in der EU: Auf Zypern demonstrieren Migranten
       
       > In der Küstenstadt Paphos und an einem Flüchtlingslager bei Nikosia gibt
       > es Auseinandersetzungen. Die Regierung Zyperns macht der Türkei Vorwürfe.
       
   IMG Bild: Am Eingang des überfüllten Aufnahmelagers Pournara im Dorf Kokkinotrimithia bei Nikosia
       
       Berlin taz | Mit Warnschüssen hat die zypriotische Polizei am Dienstagabend
       versucht, eine Gruppe von Migranten in der Küstenstadt Paphos
       auseinanderzutreiben. Polizisten seien dabei mit Steinen beworfen worden,
       diese trafen auch geparkte Autos von Anwohnern. Es war schon der zweite Tag
       massiver Auseinandersetzungen, bei denen bisher nach Angaben der Behörden
       zwei Personen verletzt wurden. Es habe vier Festnahmen gegeben.
       
       Zentrum der Gewalt war ein Apartmentkomplex, in dem viele Migranten
       untergebracht sind, darunter offenbar auch Asylbewerber. Zypriotische
       Anwohner sprechen von einer Art Ghetto. Der Bürgermeister des Stadtteils
       Chorakas, Nicolas Liasides, verlangte eine Schließung der Wohnanlage.
       
       Nahezu zeitgleich kam es auch in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in der
       Nähe der zypriotischen Hauptstadt Nikosia zu Auseinandersetzungen. Auch
       dort seien Polizisten von Migranten mit Steinen beworfen worden, sagte ein
       Behördensprecher.
       
       Das Aufnahmelager Pournara im Dorf Kokkinotrimithia gilt als [1][stark
       überfüllt]. Seine Kapazität liegt bei 800 Personen, doch tatsächlich leben
       dort etwa 2.500 Menschen, darunter viele aus afrikanischen Staaten, unter
       völlig unzureichenden Bedingungen. Dort leben auch über 250 Kinder und
       Jugendliche im Alter unter 16 Jahren.
       
       ## Flüchtlingskinder ohne Bett und Decken
       
       Mitglieder einer Parlamentsdelegation, die im Dezember das Innere von
       Pournara besichtigen konnten, berichteten von zwölf Kindern, die in einem
       Container leben müssten, einige davon besäßen weder Decken noch ein Bett.
       Es gebe dort auch keinen schulischen Unterricht. Manche der Migranten
       müssten in Zelten übernachten.
       
       Mitte Dezember kam es in dem Lager zu einem Corona-Ausbruch. Daraufhin
       wurden 585 Personen mit Armee-Lastwagen in ein anderes Camp nahe der Stadt
       Larnaka gebracht, das als Isolationszentrum dient.
       
       Ähnlich wie in Paphos ist es auch in Kokkinotrimithia bereits zu
       Anwohnerprotesten gegen die Anwesenheit von Migranten gekommen. Bei einer
       Demonstration im letzten Monat verlangten Dorfbewohner, dass ein Teil der
       Flüchtlinge anderswo untergebracht werden müsse. Auf einem Protestbanner
       forderten sie „Sicherheit und Gesundheit in unserem Dorf“ und beklagten
       Drogenhandel und Prostitution.
       
       Die Spannungen folgen einer zunehmenden Migration auf die geteilte
       Mittelmeerinsel. Im vergangenen Jahr erreichten etwa 12.000 Asylbewerber
       den Süden Zyperns. Bei einer Gesamtbevölkerung von unter einer Million
       Menschen ergibt das die höchste Migrationsquote innerhalb der EU.
       
       ## Einreise über den türkischen Norden der Insel
       
       Ein Großteil der Menschen erreicht die Republik über die UN-Pufferzone, die
       seit 1974 den griechisch dominierten Süden vom türkischen Norden trennt.
       Weitere Migranten kommen auf Booten direkt über das Meer von der nur 80
       Kilometer entfernten Türkei oder aus dem Libanon in die Republik Zypern.
       
       Innenminister Nikos Nouris wirft der Türkei vor, dass diese bewusst
       Migranten nach Zypern bringe, um das Land in Schwierigkeiten zu bringen.
       Tatsächlich ist es vielen der Menschen möglich, ohne Visa aus Istanbul nach
       Nordzypern zu fliegen und dann die nur schwach gesicherte Demarkationslinie
       in den Süden zu überwinden. Auch eine etwa zehn Kilometer lange
       Stacheldrahtsperre im geteilten Nikosia hat die Einwanderung nicht bremsen
       können, zumal dieser Zaun nach Augenzeugenberichten leicht übersteigbar
       ist.
       
       Um die Zahl der Migranten zu verringern, verlangt die Republik Zypern eine
       Aufnahme eines Teils der Menschen in anderen Staaten der EU. Allerdings hat
       sich dazu bisher kein Land bereit erklärt. Auch ein entsprechender
       Beschluss auf EU-Ebene dazu liegt nicht vor. Da Zypern nicht Teil des
       Schengen-Raums ist, besteht für die allermeisten Migranten keine
       Möglichkeit zur Weiterreise in andere EU-Staaten.
       
       Amnesty International wirft ebenso wie lokale Menschenrechtsgruppen den
       zypriotischen Behörden vor, die Migranten unzureichend unterzubringen und
       Flüchtlinge ohne legale Basis mittels Pushbacks zurückzuweisen. Tatsächlich
       sind Syrer und Libanesen [2][zurück in den Libanon] gebracht worden. So
       wurden im September mehr als 200 Flüchtlinge und Migranten zurück in den
       Libanon verbracht.
       
       5 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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