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       # taz.de -- Sportroman von Johns Grisham: Zu viel des Guten
       
       > Thrillerautor John Grisham ist begeisterter Basketballfan. Das merkt man
       > seinem aktuellen Werk „Das Talent“ auch an – leider.
       
   IMG Bild: Inspiration für eine Romanfigur: Mamadi Diakite (r.) von den Oklahoma City Thunder
       
       Mit Sportromanen ist es so eine Sache. Solange es um die Sportler geht, ihr
       Leben, was sie denken, wen sie lieben und wie sie leben, passt es meistens.
       Wenn es aber auf das Spielfeld geht, dann wird es schwierig. Wird in aller
       epischen Breite ein Spielzug geschildert, der nur ein paar Sekunden dauert,
       kann es schnell öde werden. Kostprobe gefällig? „Mit dem Rücken zum Korb
       nahm er an der Freiwurflinie einen Pass an. Mit beiden Händen feuerte er
       den Ball über den Kopf, ein flacher Wurf, der keine Chance hatte, in den
       Korb zu gehen. Sollte er auch nicht. Er wirbelte herum, hakte seinen
       Verteidiger ein und fing den Ball in der Zone, nachdem er mit Wucht vom
       Brett abgeprallt war.“ Alles klar?
       
       Logisch: Es geht um Basketball. Die Eagles, ein College-Team aus Durham,
       spielt gegen die große Duke University. Und ein Spieler aus dem Südsudan
       wirft das Team, deren Uni-Mannschaft zu den ganz großen in der Geschichte
       gehört, beinahe im Alleingang aus dem Wettbewerb um den nationalen Titel.
       John Grisham hat sich diesen No-Look-Pass über das Brett zurück zum
       Passgeber ausgedacht. Der Mann, der mit seinen Thrillern einen Bestseller
       nach dem anderen landet und dabei so treffsicher ist wie Stephen Curry von
       der Dreipunktelinie in der NBA, ist Basketballfan. Er sitzt, wann immer er
       es einrichten kann, am Spielfeldrand, wenn die Cavaliers der Virginia
       University ein Heimspiel haben.
       
       Da hat bis vor Kurzem ein junger Mann aus Guinea für Aufsehen gesorgt.
       [1][Vier Jahre hat Mamadi Diakite für Grishams Uni gespielt], bevor er
       einen Vertrag in der NBA unterzeichnet hat. Niemand hat dem jungen Mann,
       der sich via Facebook dem US-Highschool-Sportbetrieb selbst angepriesen
       hat, viel zugetraut. 2019 gehörte er dann zu dem Team, das die
       US-College-Meisterschaft gewonnen hat. Er soll immer so schön gelächelt
       haben beim Spielen, hat Grisham in einem seiner Interviews zu seinem
       Basketball-Roman „Das Talent“ gesagt. Dessen Held Samuel Sooleymon blickt
       auch immer recht freundlich drein beim Spielen.
       
       ## Von Rebellen getötet
       
       Der ist 17, als er mit einer Juniorenauswahl des Sudsudans zu einem Turnier
       in die USA mitgenommen wird. Und so schwer all die Spielbeschreibungen zu
       ertragen sind, mit denen Grisham seine Leser quält, so faszinierend und
       fesselnd ist die Geschichte, die er seinem Protagonisten verpasst hat. Sie
       führt in ein vom Bürgerkrieg geplagtes Land, in dem sein Vater von Rebellen
       getötet wird. Sie spielt in einem Flüchtlingslager in Uganda, wohin sich
       seine Mutter und zwei seiner Geschwister retten konnten.
       
       Am Ende führt sie einen begabten Basketballer aus dem Elend an den Esstisch
       einer braven US-Mittelstandsfamilie. Ein wahrhaft amerikanisches Märchen,
       in dem der wackere Samuel, weil er so intensiv trainiert, von einem
       mittelmäßigen Werfer zum besten Schützen der College-Geschichte wird. Sogar
       nette Cops gibt es da. Die bringen Samuel, statt ihn zu erschießen, nachdem
       er sich in der Stadt verlaufen hat, mit dem Streifenwagen zurück ins
       Wohnheim.
       
       Das war wohl selbst dem Autor zu viel des Guten und er lässt seinen Helden
       sterben, bevor die NBA-Karriere, auf die ja alles zuläuft, beginnen kann.
       Samuel wird tot in seinem Hotelzimmer gefunden. Jemand hatte ihm auf einer
       Party Drogen zugesteckt. Auf ein kleines Happy End muss man dennoch nicht
       verzichten. Professionelle Superfluchthelfer holen Samuels Familie aus
       Uganda in die USA. Da ist die Thrillerschreibmaschine Grisham in ihrem
       Element. Das liest sich ganz gut weg.
       
       Und dann kommen wieder solche Sätze: „Drei Minuten vor Schluss erzwang Duke
       einen Ballverlust, der zu einem leichten Korb führte und blockt dann einen
       Wurf, was mit einem weiteren einfachen Treffer für sie endete.“ Ein
       Sportroman eben.
       
       7 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Mamadi_Diakite
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
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