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       # taz.de -- Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft: Härtetest für Europas Dreamteam
       
       > EU-Kommissionschefin von der Leyen ist nach Paris gereist. Sie will dort
       > mit dem französischen Präsidenten Macron ihre Visionen abstimmen.
       
   IMG Bild: Gemeinsame Eurovisionen: Macron und von der Leyen (hier im Oktober 2021 in Brüssel)
       
       Brüssel taz | Sie sind das schillernde Dreamteam der Europapolitik: Seit
       Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die damalige Verteidigungsministerin
       Ursula von der Leyen bei der Flugschau in Le Bourget 2019 „entdeckt“ und
       zur EU-Kommissionschefin gemacht hat, arbeiten sie Hand in Hand. Von der
       Leyen hat sich nicht nur Macrons grandiose Sprache zu eigen gemacht –
       „europäische Souveränität“ und „strategische Autonomie“ sind in Brüssel in
       aller Munde. Sie ist ihm auch politisch gefolgt, zuletzt mit der Einstufung
       der Atomkraft als „nachhaltige“ Energie.
       
       Doch nun steht dem umstrittenen Powerpaar ein Härtetest bevor: Unter dem
       [1][französischen EU-Vorsitz], der am 1. Januar begann und bis Ende Juni
       dauert, müssen Macron und von der Leyen beweisen, was sie können. Am
       Donnerstag ist die CDU-Politikerin mit ihrem Team nach Paris gereist, um
       das Programm mit dem liberalen Franzosen abzustimmen.
       
       Nach einer Ehrenfeier für die historischen französischen Europapolitiker
       Simone Veil und Jean Monnet im Panthéon soll es am Freitag inhaltlich zur
       Sache gehen. [2][Vor der Präsidentschaftswahl in Paris] im April will
       Macron die EU erneuern – und sich so zur Wiederwahl empfehlen. Auf seinem
       Wunschzettel stehen die Reform des Schengen-Abkommens, die Revision der
       Maastricht-Kriterien, sowie ein Verteidigungsgipfel. Einige Wünsche, wie
       eine europäische Produktion von Mikrochips, hat von der Leyen bereits in
       ihr Arbeitsprogramm aufgenommen.
       
       Andere Ideen, wie die [3][Konferenz zur Zukunft der EU], nehmen langsam
       Gestalt an. Noch im Januar werden erste Ergebnisse aus den Bürgerforen
       erwartet. Wenn alles nach Plan läuft, soll daraus die Blaupause für eine
       große EU-Reform entstehen. Seit seiner berühmten Sorbonne-Rede 2017 hat
       Macron beharrlich an einem Neustart gearbeitet.
       
       ## Europavisionen der neuen Bundesregierung
       
       Nun stehen die Sterne überraschend günstig. Denn auch die neue
       Bundesregierung in Berlin ist proeuropäisch. Die [4][Ampel hat sogar eigene
       Visionen entwickelt], bis hin zum europäischen Bundesstaat. Allerdings ist
       unklar, ob die deutschen Pläne zu jenen von Macron und von der Leyen
       passen. Im [5][Streit um die sogenannte Taxonomie] – also die Einstufung
       von Atom und Gas als „nachhaltige“ Energieträger – hat [6][von der Leyen
       zuerst auf Macron gehört]. Nur mit Mühe konnte Kanzler Olaf Scholz sein
       Ziel durchsetzen, auch Erdgas als „grün“ zu labeln.
       
       Auch beim Streit um den Rechtsstaat geben Paris und Brüssel das Tempo vor.
       Die Ampel fordert zwar, härter gegen Rechtsstaatsverstöße, etwa in Ungarn
       und Polen, vorzugehen und EU-Gelder zu streichen. Doch Paris und Brüssel
       wollen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten.
       
       Bei der Reform des Stabilitätspaktes steht dagegen Berlin auf der Bremse.
       Bundesfinanzminister Christian Lindner muss sich noch in die brisante
       Materie einarbeiten. Dem FDP-Chef dürfte es schwer fallen, sich vom
       deutschen Dogma der „3,0“ bei der Neuverschuldung zu verabschieden. Eine
       Reform sei ohnehin erst im 2. Halbjahr geplant – also nach dem Ende des
       französischen Vorsitzes –, sagt EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Macron
       wird hier also nicht punkten können. Das „neue europäische
       Wachstumsmodell“, das er sich auf die Fahnen geschrieben hat, bleibt wohl
       ein frommer Wunsch.
       
       Doch zunächst will sich Macron im Glanze der EU sonnen. Von der Leyen wird
       ihm das nicht verderben. „Ich bin entzückt, diese Woche nach Paris zu
       fahren“, schrieb sie auf Twitter. „Die EU und Frankreich, das sind
       gemeinsame Werte und gemeinsame Ambitionen.“ Macron hätte es nicht schöner
       ausdrücken können.
       
       7 Jan 2022
       
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