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       # taz.de -- Programmreform bei der ARD: Raus aus'm „Formatknast“
       
       > Die ARD setzt ihre Programmreform um. Sie ist umstritten – auch, weil
       > erfolgreiche und beliebte Formate wie „Die Story im Ersten“ eingestampft
       > werden.
       
   IMG Bild: Fünf Minuten gibt's obendrauf: Der ARD-„Weltspiegel“ mit Moderator Andreas Cichowicz
       
       Zu den wirkungsmächtigsten TV-Dokumentationen des Jahres 2021 gehört der in
       der ARD ausgestrahlte Film „Warum Kinder keine Tyrannen sind“. Die WDR-Doku
       berichtete über fragwürdige Verabreichungen von Psychopharmaka durch einen
       Bonner Kinderpsychiater. Dieser Film über die, wie es in der taz hieß,
       [1][„Schwarze Pädagogik 2.0“] zog Strafanzeigen gegen den Psychiater nach
       sich, weitere Opfer meldeten sich, Folgebeiträge in Magazinen („Westpol“,
       „Monitor“) wurden möglich.
       
       „Warum Kinder keine Tyrannen sind“ lief in der vor 22 Jahren gestarteten
       Reihe [2][„Die Story im Ersten“]. Im Zuge der im Oktober beschlossenen
       ARD-Programmreform wird diese montags um 22.50 Uhr ausgestrahlte Reihe, für
       die die Doku-Redaktionen der ARD-Sender zuständig sind, nun de facto
       eingestellt. Das Label verschwindet nach dem 17. Januar.
       
       Die Reform sieht vor, dass die Redaktionen unter der neuen Marke „ARD
       Story“ statt rund 35 Sendungen pro Jahr nur noch „gelegentlich“
       (ARD-Sprecher Burchard Röver) Filme fürs Spätprogramm am Montag liefern –
       und das zudem für einen schlechteren Sendeplatz, nämlich erst um 23.35 Uhr.
       Zwei bis drei unregelmäßige Sendeplätze sollen noch hinzukommen.
       
       ## Lineare Formate genießen keinen Denkmalschutz
       
       Nun liegt es in der Natur des Fernsehens, dass lineare Formate nicht unter
       Denkmalschutz stehen, zumal sich Nutzungsgewohnheiten ändern. Das wissen
       die betroffenen ARD-Redaktionen. Sie kritisieren aber, dass ihre Filme
       künftig auf gemischtwarenladenartigen Sendeplätzen zu finden sein werden.
       Montags um 23.35 Uhr etwa werden auch Geschichtsdokus und die an ein
       jüngeres Publikum gerichtete Reportagereihe „Rabiat“ im Angebot sein. Die
       bisher für „Die Story im Ersten“ zuständigen Redakteur*innen sprechen
       von schlechterer Wiederauffindbarkeit. Hintergrund: Wenn Zuschauer*innen
       auf ihren „gelernten“ Sendeplätzen nicht mehr das bekommen, was sie
       erwarten, schalten sie künftig zu dem Zeitpunkt möglicherweise seltener
       ein.
       
       Die ersten Veränderungen der Programmreform, die die ARD schrittweise
       umsetzen will, waren bereits an diesem Wochenende sichtbar. Der
       „[3][Bericht aus Berlin“] ist länger geworden (30 statt 25 Minuten). Auch
       der „[4][Weltspiegel]“ bekommt 5 Minuten mehr – verlor aber seinen
       angestammten Sendeplatz und läuft nun ab 18.30 Uhr nach dem „Bericht aus
       Berlin“. Bald wird noch die sonntägliche Vorabend-Ausgabe der
       „[5][Tagesschau]“ von 5 auf 15 Minuten erweitert.
       
       Der erweiterte Infoblock könnte zumindest für den „Weltspiegel“ auch
       inhaltliche Veränderungen nach sich ziehen. Offenbar soll die Sendung
       aktueller werden als bisher. Viele Auslands-Korrespondent*innen der ARD
       betrachten diese Planungen skeptisch. Der „Weltspiegel“ war für sie bisher
       auch deshalb wichtig, weil er ihnen Raum gibt für Themen jenseits der
       Aktualität.
       
       Möglich wurde der Umbau des Infoprogramms am frühen Sonntagabend, weil die
       von den Religionsredaktionen der ARD bestückte Reihe „Echtes Leben“, die
       gesellschaftlich relevante Themen anhand von Alltags- und
       Schicksalsgeschichten aufgreift, verschoben wurde. Sie läuft ab dem 25.
       Januar dienstags vor dem „Nachtmagazin“. Ob diese Themen im Nachtprogramm
       besser aufgehoben sind, ist eine andere Frage.
       
       Die Berichterstattung des „Weltspiegels“ soll ergänzt werden durch ein
       neues Format, das, so Röver, „spannende Auslandsthemen aus verschiedenen
       Blickwinkeln der Welt in den Fokus nehmen“ soll – und zwar auf dem
       bisherigen „Die Story“-Sendeplatz. Diese zusätzlichen Auslandsdokus stellt
       die ARD gern heraus. Eine diesbezügliche Verschlechterung im linearen
       Programm gerät dabei in den Hintergrund: Die 30-minütige
       „Weltspiegel-Reportage“, die bisher am Samstagnachmittag lief, wird es nur
       noch bis zum Frühjahr geben.
       
       10 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neue-Vorwuerfe-gegen-Jugendpsychiater/!5791300
   DIR [2] https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/story-im-ersten-filter-100.html
   DIR [3] https://www.ardmediathek.de/sendung/bericht-aus-berlin/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2JlcmljaHQgYXVzIGJlcmxpbg/
   DIR [4] https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/index.html
   DIR [5] /Neues-Layout-von-tagesschaude/!5747789
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Martens
       
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