# taz.de -- Prozess gegen CDU-Kommunalpolitiker: Ein Schuss aus fünf Zentimeter
> Vor zwei Jahren schoss Hans-Josef Bähner auf einen Mann und beleidigte
> ihn rassistisch. Nun muss der CDU-Politiker drei Jahre und sechs Monate
> in Haft.
IMG Bild: Der Fall wird von kritischen Beobachter*innen begleitet. Dieses Plakat ist aus Köln-Porz
Köln taz | Der ehemalige CDU-Politiker Hans-Josef Bähner ist wegen
gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Waffenbesitzes und Beleidigung
zu 3 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt worden. Der Vorsitzende Richter
Ralph Ernst sagte in der Begründung am Montag, es sei erwiesen, dass Bähner
am späten Abend des 29. Dezember 2019 vor seinem Haus am Rheinufer in
Köln-Porz mit einer illegalen Waffe [1][auf einen Heranwachsenden
geschossen] und ihn und seine Gruppe rassistisch beleidigt habe.
Damit folgte die Kammer im Großen und Ganzen dem Plädoyer des Staatsanwalts
Sinan Sengöz, der 3 Jahre und 9 Monate Haft gefordert hatte. Für eine
Bewährungsstrafe, so Sengöz, sei die Schuld zu schwerwiegend. „Der
Angeklagte wusste ganz genau, dass er eine potenziell tödliche Waffe hat“,
so Sengöz. Dass er den [2][unbewaffneten Geschädigten] auf sein Grundstück
zu locken versuchte, um dann zu schießen, „kann ich nur als bösartig und
perfide bezeichnen“.
## „Man muss sich die Surrealität vor Augen führen“
Der junge Mann sei auf dem Gehweg geblieben, doch Bähner drückte dennoch
ab, aus maximal fünf Zentimeter Entfernung. Die Kugel aus der
halbautomatischen Pistole (Typ Bernadelli, Modell 60) durchbohrte von
hinten den Oberarm des damals 20-jährigen Krys M. und trat am Schulterblatt
wieder aus. „Potenziell tödlich“ sei dieser Schuss gewesen, so die
Einschätzung des Gerichtsmediziners im Verfahren. M. hatte Glück, kein
wichtiges Organ wurde verletzt. Er klagt heute noch über Schmerzen, habe
auch psychische Probleme.
„Man muss sich die Surrealität der Situation vor Augen führen“, erklärt
Staatsanwalt Sengöz in seinem zweistündigen Plädoyer. „Herr Bähner sitzt
mit seiner Frau im Wohnzimmer. Als er die Gruppe bemerkt, bewaffnet er sich
umgehend mit einer schussbereiten Waffe, geht raus und fängt an, die jungen
Männer rassistisch zu beleidigen.“ Denn auch das sieht die
Staatsanwaltschaft als erwiesen an: „Scheiß Ka**ken“, „Drecksausländer“ und
„Dreckspack“ habe er zu den Männern gesagt, drei von ihnen haben Familien
mit Migrationsgeschichte. Als Indizien nimmt der Staatsanwalt die im Großen
und Ganzen übereinstimmenden Zeugenaussagen der vier Zeugen.
## Verteidigung plädierte auf Freispruch
Rechtspopulistische Kommentare („Bilderberger“) und Shares von
rechtsextremen Seiten wie journalistenwatch auf Bähners privatem
Facebook-Profil aus den Jahren vor der Tat wertete der Staatsanwalt als
Indizien dafür, dass Bähner, anders als er selbst in einer verlesenen
Erklärung behauptete, sehr wohl ausländerfeindliche Gesinnungen hegt.
Verteidiger Mutlu Günal hatte dagegen auf Freispruch plädiert. Er hatte in
der Verhandlung hauptsächlich versucht, auf aggressive Weise die
Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Seine These: Die vier
Männer hätten sich abgesprochen und die rassistischen Beleidigungen nur
erfunden.
Drei der vier Zeugen hatten erst in einer zweiten Vernehmung, knapp
vierzehn Tage nach der Tat, von konkreten rassistischen Beleidigungen
gesprochen. Für [3][die Verteidigung] ein Indiz, dass alle vier gelogen
hätten. Günal nutzte außerdem seine eigenen Rassismuserfahrungen, um den
Zeugen F. der Lüge zu überführen. „Wenn ich rassistisch beleidigt werde,
kann ich mich genau erinnern, was gesagt wurde“, sagte er zu F., der nicht
mehr genau wusste, ob Bähner jetzt „Scheißk**ke“ oder „Drecksausländer“
gesagt habe. Dass er das nicht mehr wisse, beweise die Lüge.
„Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass es eine Absprache zwischen den
Zeugen gegeben hat“, sagte dagegen Richter Ernst in der Urteilsbegründung.
Dass die drei Zeugen zunächst nicht von Rassismus gesprochen hatten,
erklärte der Richter damit, dass die Situation für die Zeugen in der
Tatnacht emotional aufwühlend gewesen sei und die Polizei sich in den
Vernehmungen zunächst auf die Schussabgabe konzentriert habe. Außerdem habe
der Geschädigte Krys M. bereits im Krankenhaus mehrfach von rassistischen
Beleidigungen gesprochen.
Der Angeklagte Bähner hatte dagegen von Notwehr gesprochen, in der weiteren
Verhandlung dann aber geschwiegen. Nach Bekanntwerden der Tat im Januar
2020 hatte der CDU-Lokalpolitiker seine Ämter niedergelegt.
10 Jan 2022
## LINKS
DIR [1] /Prozess-gegen-CDU-Kommunalpolitiker/!5813327
DIR [2] /Lokalpolitiker-schoss-auf-Migranten/!5655471
DIR [3] /CDU-Politiker-schiesst-auf-20-Jaehrigen/!5655057
## AUTOREN
DIR Benjamin Weber
## TAGS
DIR Prozess
DIR Köln
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR CDU
DIR Politiker
DIR IG
DIR antimuslimischer Rassismus
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Demonstration
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Schwerpunkt Rassismus
DIR Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Rassistischer Angriff in Berlin: Eingreifen, schon vor der Tat
Bei einem rassistischen Angriff in einem Berliner Bus griffen Zeugen
beherzt ein. Zivilcourage ist wichtig, findet unser Autor. Doch es braucht
mehr.
DIR WDR-Podcast „Der Schuss von Porz“: Ein Abend in Deutschland
Ein CDU-Lokalpolitiker schießt auf einen Jugendlichen und beleidigt ihn
rassistisch. Ein WDR-Podcast versucht nun, die Tat zu rekonstruieren.
DIR Prozess wegen Beleidigung der Polizei: Juristisches Nachspiel ohne Ende
Ein Antifaschist aus Fulda soll die Polizei bei einer Demo 2019 beleidigt
haben. Nun steht er zum vierten Mal vor Gericht.
DIR Prozess gegen CDU-Kommunalpolitiker: Angeschossener im Kreuzverhör
2019 soll der CDU-Politiker Hans-Josef Bähner in Köln einen Mann
rassistisch beleidigt und angeschossen haben. Seit Freitag steht er vor
Gericht.
DIR Lokalpolitiker schoss auf Migranten: Staatsschutz ermittelt gegen CDUler
Richtete Hans-Josef Bähner aus rassistischen Motiven seine Waffe auf einen
Migranten? Die Staatsanwaltschaft ermittelt dazu seit Dienstag.
DIR CDU-Politiker schießt auf 20-Jährigen: Anwalt beklagt „Twitter-Lynchmob“
Das mutmaßliche Opfer des CDU-Manns Bähner erhebt Rassismusvorwürfe gegen
den Schützen. Dessen Anwalt teilt derweil aus.