# taz.de -- Linker Bundespräsidenten-Kandidat: Etwas Licht in der Finsternis
> Die Linkspartei ist verunsichert und orientierungslos. Ihr
> Bundespräsidenten-Kandidat Trabert macht Hoffnung – mehr aber auch nicht.
IMG Bild: Wird wohl mit freundlichem Interesse rechnen können: Gerhard Trabert tritt für die Linke an
Die Linkspartei steckt in einer existenziellen Krise. Die Wahlniederlage im
September hat aufgedeckt, wie fundamental Verunsicherung und
Orientierungslosigkeit der Partei sind. Was die Linkspartei will, ist in
zentralen politischen Feldern nicht erkennbar.
Bei Migration reicht das Spektrum von offenen Grenzen bis zu Sahra
Wagenknechts Migrationsskepsis, beim Klimawandel von Kohle-Nostalgikern bis
zu Fridays-for-Future-AktivistInnen, bei der Außenpolitik von
Menschenrechtsanhängern bis zu Putin-Fans. Die Linkspartei wird nur noch
von Formelkompromissen zusammengehalten.
Diese Krise ist nicht situativ, [1][sondern strukturell]. Alle
fundamentalen Fragen, auch ob man linke Regierungspartei oder Opposition
für immer sein will, haben die GenossInnen lange in machtpolitischen
Notbündnissen stillgelegt. Das hat zehn Jahre lang einigermaßen
funktioniert, doch jetzt dreht die Konsensmaschine leer.
## War was?
Das depressive Bild fällt noch grauer aus, weil Partei und Fraktion sogar
an der leichtesten Aufgabe, die sich nach einer Niederlage stellt,
scheiterten: der personellen Erneuerung. Die blasse Fraktionsspitze,
[2][Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali], wurde wiedergewählt, als wäre
nichts passiert. Auch Jörg Schindler, der den unauffälligen Wahlkampf
verantwortete, ist rätselhafterweise noch immer Bundesgeschäftsführer. War
was?
In dieser Finsternis flackert nun ein kleines Lichtlein. Die Idee, den
Sozialmediziner [3][Gerhard Trabert] gegen Frank-Walter Steinmeier als
Kandidaten für die Bundesversammlung aufzustellen, ist charmant. Trabert
tritt bescheiden, sympathisch und gewinnend auf. Und er verkörpert als
Obdachlosenarzt und Flüchtlingshelfer einen umfassenden und nicht national
verengten Begriff des Sozialen.
Die Linkspartei hat zudem das Glück, dass die Union keine eigene
Gegenkandidatin präsentiert. Deshalb ist Trabert die einzige demokratische
Alternative zu Steinmeier und wird wohl mit freundlichem Interesse rechnen
können. Traberts Kandidatur ist ein Zeichen dafür, dass bei der Linkspartei
noch nicht alle Lichter aus sind. Lösen wird sie deren Krise nicht.
11 Jan 2022
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Stefan Reinecke
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