URI: 
       # taz.de -- kinotipp der woche: Atomarer Schrecken
       
       > Kino des Kalten Krieges: Das Zeughauskino zeigt in der Reihe „The Atomic
       > Cinema“ Filme des Atomkriegskinos, unter anderem aus den USA und Japan.
       
   IMG Bild: Der Computer hat Alarm geschlagen, im Pentagon herrscht Krise: Szene aus „Fail Safe“ (1964)
       
       Ein Stier in der Arena. Mit wachsender Beklemmung sitzt Warren Black im
       Zuschauerraum und sieht, wie der Torero dem Stier Stich nach Stich
       versetzt. Auf der Tonspur ein Fiepen. Bis Black schweißgebadet aufwacht. Es
       ist nicht das erste Mal, dass er von dem tödlichen Stierkampf träumt, doch
       vor dem Treffen im Pentagon, an dem er an diesem Vormittag teilnehmen wird,
       ist es ein schlechtes Vorzeichen. Blacks Arbeitstag wird von dem Versuch
       erfüllt sein, eine Gruppe von Nuklearbombern davon abzuhalten, Moskau zu
       bombardieren. Der Befehl dazu wurde durch einen technischen Defekt des
       angeblich fehlersicheren Überwachungssystems der USA erteilt.
       
       Sidney Lumets „Fail Safe“ ist der unbekanntere Zwillingsfilm zu Stanley
       Kubricks „Dr. Strangelove“. Beide Filme wurden nach der Kubakrise
       produziert und liefen 1964 in den US-Kinos an; beide basieren auf
       Buchvorlagen, die sich wiederum so ähnlich sind, dass Peter George, der
       Autor der Buchvorlage von „Dr. Strangelove“, die Produzenten von Lumets
       Film wegen Urheberrechtsverletzungen verklagte.
       
       Am Freiztag eröffnet Lumets Film die Filmreihe „The Atomic Cinema“ im
       [1][Zeughauskino], die sich dem Kino des Kalten Kriegs aus jenen Zeiten
       widmet, in denen ein Atomkrieg nicht allzu weit entfernt schien. Was lenkt
       besser ab von in die Höhe schnellenden Infektionszahlen als Bilder der
       nuklearen Apokalypse, scheint sich Daniel Körling gedacht zu haben, der die
       Reihe zusammengestellt hat. Körling versammelt in seiner Reihe Klassiker
       des Atomkriegskino aus den USA, der Sowjetunion, Großbritannien, der
       Bundesrepublik und Japan.
       
       Für die USA lässt „Atomic Café“ von Jayne Loader, Kevin Rafferty, Pierce
       Rafferty die politische Stimmung des frühen Kalten Kriegs Revue passieren.
       Der Film ist montiert aus Bildungs- und Propagandafilmen der Zeit.
       
       ## Welt nach dem Atomkrieg
       
       Konstantin Lopushanskiys Lenfilm-Produktion „Pisma myortvogo
       cheloveka“/“Briefe eines toten Mannes“ imaginiert in düsteren Bildern eine
       Welt nach einem Atomkrieg. Der Nobelpreisträger für Physik Professor Larsen
       lebt im Keller eines Museums. Die Welt außerhalb der Keller und Bunker ist
       zerstört und verseucht. In der Bundesrepublik kam der Film fast genau ein
       Jahr nach der Katastrophe von Chernobyl in die Kinos.
       
       Besonders sehenswürdig sind drei japanischen Filme der Reihe, vor allem
       Hideo Sekigawas „Hiroshima“ von 1953 ist ausgesprochen selten zu sehen.
       Sekigawa arbeitete trotz seiner linken Überzeugungen während des Zweiten
       Weltkriegs an einigen Propagandafilmen mit. Nach dem Ende des Kriegs
       realisierte er gemeinsam Akira Kurosawa und Kajiro Yamamoto den
       gewerkschaftsfreundlichen Film „Those Who Make Tomorrow“ und wandte sich
       Anfang der 1950er Jahre in „Listen to the Voices of the Sea“ in düsterer
       Form dem Krieg im Pazifik zu.
       
       Sein „Hiroshima“ ist der zweite Anlauf der japanischen Lehrervereinigung,
       die Textsammlung „Kinder der Atombombe“ mit Berichten von Kindern aus
       Hiroshima zu verfilmen. Die erste Verfilmung, „Children of Hiroshima“ wurde
       realisiert von Kaneto Shindo, lief in Japan mit einigem Erfolg und feierte
       seine Premiere in Cannes, war der Lehrervereinigung aber zu unpolitisch und
       drückte zu sehr auf die Tränendrüse. Sekigawas Film wiederum war den großen
       Studios zu politisch und zu eindrücklich in den brutalen Szenen der Folgen
       des Atombombenabwurfs, als dass sie ihn in ihren Kinos zeigen wollten.
       
       Shohei Imamuras „Black Rain“ von 1989 erzählt am Beispiel der jungen Yasuko
       vom Schicksal der strahlenkranken Überlebenden des Atombombenabwurfs. Die
       Verfilmung des Manga-Klassikers „Barfuß durch Hiroshima“ übersetzt den
       Schrecken in die Bilder eines eindrucksvollen Animationsfilms.
       
       14 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
       ## TAGS
       
   DIR taz Plan
   DIR Kino Berlin
   DIR Filmreihe
   DIR Atommacht
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR Film
   DIR Film
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kinotipp der Woche: Entschiedene Auswahl
       
       Subtile Gesten und feministische Musikentscheidungen in der Reihe „Sounding
       Womanhood – Feminist Gestures in Film “ im SiNEMA Transtopia.
       
   DIR Filmempfehlungen für Berlin: Fast wie im Krimi
       
       Echt oder nur täuschend ähnlich? Ein Bild, das als „Leonardo“ durchgeht,
       eine Angestellter, der Geld verlegt, und eine Chauffeurstochter mit Klasse.
       
   DIR 80er-Science-Fiction-Film „Pankow ’95“: Sozialistische Freakshow
       
       Gábor Altorjays „Pankow ’95“ ist eine Fundgrube von Bildern, Tönen und
       Gesichtern aus den 1980er-Jahren. Nun ist er in restaurierter Fassung zu
       sehen.
       
   DIR Dokumentarfilm über Venedig: Bei Nacht auf dem Canal Grande
       
       In „Moleküle der Erinnerung“ zeigt Andrea Segre die Lagunenstadt im
       Ausnahmezustand ohne Tourist*innen. Ein Venedigfilm, der sich zu sehen
       lohnt.