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       # taz.de -- Streit um Eremitage-Filiale in Barcelona: Noch ein Museum für Barcelona?
       
       > Investoren wollen mit Stararchitekt Toyo Ito im Hafen Barcelonas eine
       > Filiale der Eremitage errichten. Bürgermeisterin Ada Colau sagt Nein.
       
   IMG Bild: Die Stadt im Rücken: Touristen in Barcelona im Coronajahr 2021
       
       Die Sankt Petersburger Eremitage sorgt für Debatten in Barcelona. Eine
       Investorengruppe will zusammen mit dem japanischen Stararchitekten Toyo Ito
       im Hafen der katalanischen Hauptstadt eine Filiale des russischen
       Kunstmuseums errichten. Eigentlich sollte das neue Museum schon 2022
       eröffnet werden. Doch der Streit zwischen Befürwortern und der
       [1][linksalternativen Stadtverwaltung unter Bürgermeisterin Ada Colau]
       blockiert die Pläne. Die Hafenverwaltung stimmte bereits im vergangenen Mai
       zu. Doch die Stadt erteilt keine Baugenehmigung. Jetzt befindet sich der
       Fall vor Gericht.
       
       „Eine vertane Chance“ für Barcelona, befürchten die Befürworter der
       Kunstfiliale, darunter das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Hafen und
       selbst die Sozialistische Partei, die in Colaus Koalitionsregierung im
       Rathaus sitzt. Der katalanische Unternehmerverband verlangt von der
       Bürgermeisterin, die sich einst als Aktivistin gegen
       Wohnungszwangsräumungen einen Namen machte, „Mut und Ambition“ für
       Großprojekte, wie dies Barcelona spätestens seit den Olympischen Spielen
       1992 auszeichnete. Colaus Stadtverwaltung hingegen spricht von den
       [2][Interessen der Einwohner, vom Massentourismus und dessen
       Schattenseiten].
       
       Barcelona ist im Vergleich zu Tourismusmagneten wie London, Paris oder New
       York eine kleine Stadt. Wohnbebauung und touristische Sehenswürdigkeiten
       liegen eng beisammen. Vor der Covidkrise zählte die Stadt 50 Millionen
       Übernachtungen pro Jahr. 25 Prozent der Bevölkerung sahen den Tourismus
       als Problem. Und auch 58 Prozent der Besucher beschwerten sich in einer
       Umfrage über den Massenbetrieb.
       
       ## Tourismus nachhaltiger gestalten
       
       Die Pandemie bedeutete eine Zäsur. Die Stadtverwaltung versucht dies zu
       nutzen, um den Tourismus nachhaltiger zu gestalten. Es ist nun viel von
       „Tourismus mit Mehrwert“ die Rede. Von Besuchern, die nicht nur wegen der
       Gaudí-Architektur und dem FC Barcelona kommen, die Museen abhaken und sich
       dann ins Nachtleben stürzen.
       
       Dass die Stadt für Besucher und Bürger gleichermaßen etwas bieten muss, ist
       eine Einsicht, die sich bei vielen breitmacht. Um die Innenstadt zu
       entlasten, werden dort keine neuen Hotels mehr genehmigt. Ein neues
       Mammutprojekt wie die Eremitage wäre gerade jetzt ein falsches Signal.
       
       Dabei geht es auch um das Kulturkonzept als solches. „Die Kulturpolitik der
       Städte wird seit Langem von instrumentellen Logiken dominiert“, schreibt
       der Politikprofessor an der Universidad Autónoma en Barcelona, Joan
       Subirats, in einem Debattenbeitrag in der Tageszeitung El País. „Dabei
       spielt die Kultur eher die Rolle eines wirtschaftlichen Gutes denn als
       Element, um die Handlungsfähigkeit von Einzelpersonen und Kollektiven und
       ihre Einbeziehung in das städtische Leben und ihre Lebensqualität als
       solche zu fördern“, warnt Subirats.
       
       ## Keine Netzwerke
       
       Ein Beispiel für eine solche Stadtentwicklung ist das südspanische Málaga.
       Die Eremitage-Filiale droht nun, eben dorthin zu gehen, sollte
       Bürgermeisterin Colau nicht ihre Blockadehaltung aufgeben. Die Hafenstadt
       in Andalusien zieht dank ihrer Museen immer mehr Städtetourismus an. „Die
       Marke ‚Museumsstadt Malaga‘ hat es auf die Landkarte geschafft“, sagt der
       andalusische Journalist Guillermo Busutil. Doch das habe „weder
       Kunstgalerien gefördert noch etwas an der prekären Lage der Künstler
       geändert“.
       
       Ein Museum in einem Toyo-Ito-Gebäude mit Ausstellungsstücken, die sonst im
       Fundus in Sankt Petersburg verstauben, wird nur schwerlich Netzwerke in
       seinem Umfeld schaffen, welche die Entwicklung der lokalen Kreativszene und
       Initiativen fördern – weder in Barcelona noch in Málaga.
       
       11 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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