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       # taz.de -- Neues Rapalbum von Mach-Hommy: Hotdogs essen in teuren Autos
       
       > Der US-haitianische Rapper Mach-Hommy brilliert auf seinem neuen Album
       > „Balens Cho“ mit surrealen Reimen und souljazzigem Boombap-Sound.
       
   IMG Bild: Verhüllt sein Gesicht stets mit der haitianischen Flagge: Rapper Mach-Hommy
       
       Produktivität ist bei diesem Künstler gar kein Ausdruck. Der
       US-haitianische Rapper Mach-Hommy, der eigentlich Ramar Begon heißt und in
       Newark, New Jersey, lebt, ist Mitte der Zehner in der HipHop-Szene an der
       US-Ostküste aufgetaucht. Er hat bereits an die 20 Alben veröffentlicht.
       
       Die Hälfte davon hat er im Alleingang produziert, ab und an spannt er sich
       mit namhaften Kollegen wie DJ Muggs, Earl Sweatshirt und Tha Good Fahim
       zusammen. Inzwischen hat er eine Fangemeinde. Auch für sein neuestes Werk,
       „Balens Cho“, (kreolisches Französisch für „Heiße Kerzen“) rappt und singt
       er wieder in dem für ihn charakteristischen Kauderwelsch aus Französisch
       und englischen Texten.
       
       In seiner Musik und seinen Reimen präsentiert [1][Mach-Hommy] etwas anderes
       als nur Klischeevorstellungen von schnellem Geld und Gangsta-Angeberei.
       Zwischen Soul- und Folksamples dankt er in dem Song „Self Luh“ etwa seinem
       Zahnarzt und seinem Therapeuten. Ein andermal erwähnt er einen
       Bewährungshelfer.
       
       ## Gibt es haitianischen Körpergeruch?
       
       „Balens Cho“ ist die zweite Veröffentlichung des Rappers innerhalb weniger
       Monate, nachdem er im Mai 2021 „Pray for Haiti“ erscheinen ließ. Auch für
       „Balens Cho“ wurde keine Promotionmaschine angeschmissen. Seit seinem
       Durchbruch, dem Album „Haitian Body Odour“, mit dem er 2016 bei Interscope
       landete und dem Majorlabel danach den Rücken kehrte, macht Mach-Hommy alles
       im Alleingang. Er führt keine Social-Media-Accounts, um sich zu bewerben.
       Das übernehmen Freunde von ihm.
       
       „Balens Cho“ dauert mit 23 Minuten und 57 Sekunden Spielzeit relativ kurz.
       Fünf der dreizehn Songs auf dem Album sind Interludes, Zwischenspiele,
       kurze Einspieler mit Film und Radioausschnitten, die sein Geburtsland
       [2][Haiti] thematisieren.
       
       Haiti ist nur ein Erzählstrang, Mach-Hommy wird gerne mit dem US-Rapper
       [3][MF Doom] verglichen. Dieser Vergleich ist insofern plausibel, weil
       beide sich durch musikalische Vielfalt, rhythmische Prägnanz und textliche
       Brillanz auszeichnen. Das lässt sich auch über „Balens Cho“ sagen. Der
       Auftaktsong „Labou“ ist als einnehmendes Intro mit jazziger Bassline und
       schmetternden Bläserarrangement angelegt, das ohne Schlagzeug auskommt, was
       man als Zuhörer:in an der Stelle wertschätzt, denn die Musik hat einen
       upliftenden karibischen Vibe. Hommys Bassline legt das Fundament, über das
       er mit seinen Zeilen wandert.
       
       ## Sonore Stimme für Wortspiele
       
       Textlich macht er klare Aussagen. „Sneaker shopping in Bel-air / I’m on my
       12th pair / The closet got more loafers than welfare.“ Seine sonore Stimme
       passt hervorragend zu dem Beat des Tracks. Reime und Wortspiele in den
       Zeilen tragen zum entspannten Ansatz bei. Der Refrain macht seine
       beeindruckende stimmliche Bandbreite deutlich, vor allem was
       Gesangsmelodien angeht.
       
       Aber es dreht sich bei Mach-Hommy nicht nur um die Kadenzen und Techniken
       des Rappens. Den Song „Wooden Nickels“ lässt er mit einem ergreifenden
       Saxofonsolo ausklingen, das zuvor als Motiv der Melodie kurz angespielt
       wurde. Es heißt, sein Großvater sei Bandleader einer Bigband auf Haiti
       gewesen, sein Vater ein Folksänger. Er selbst ist in seiner Kindheit
       zunächst in Port-au-Prince aufgewachsen. Viel mehr ist nicht bekannt.
       
       Mit dem Song „Separation of the Sheep and the goats“ entwirft Mach-Hommy
       eine fast schon sakrale Klanglandschaft, Samples ergänzen die Hooklines,
       die er selbst produziert hat. Auch hier gibt es wieder einen lautstarken
       Einstieg. Der Text handelt von einem Thema, das oft in der Religion
       behandelt wird: dem Unterschied zwischen Gut und Böse, versinnbildlicht
       durch Schafe, die für das Gute stehen, und den Ziegen, die wiederum für
       Baphomet stehen, ein Symbol des Satanismus, und damit das Böse
       repräsentieren.
       
       ## Hypnotischer Flow
       
       Sein Flow auf diesem Song ist hypnotisch. Das Schlagzeug, das in diesem
       Track eingesetzt wird, unterstreicht seine Reime, die er zwischen dem
       langsamen Tempo des Schlagzeugs einwebt. Das nachfolgende Lied, „Magnum
       Band Remix“, bricht mit der vorherigen Harmonie. Seine Atmosphäre ist
       aggressiv und verstörend. Auf „Lajan Sal“ ändert Mach-Hommy erneut die
       Grundstimmung. Sein Vortrag klingt nun viel undeutlicher und schleppender
       als sein klarer, direkter und knackiger Ansatz in den Liedern zuvor.
       
       Auf [4][„Balens Cho“] werden viele unterschiedliche Produktionsansätze
       verfolgt. Und trotzdem ist da Mach-Hommys Stimme, seine bildhaften
       Vorstellungswelten, die Reales mit Fantastischem ausschmücken. In „Wooden
       Nickels“ reflektiert der Sänger über seine Kindheit. Die Worte und
       Lektionen seiner Großeltern schwirren ihm noch im Kopf herum.
       
       Gefühle, die sich verdüstern, nachdem er gesehen hat, wie sein Großvater
       nach seinem Tod behandelt wurde, nach allem, was er für die Gemeinschaft
       getan hat und stets bescheiden blieb. Begleitet von schnellen Bläsersätzen,
       die die Emotionen in diesem Stück noch weitertragen, und dem Saxofon zum
       Finale.
       
       ## Lektionen erteilen
       
       Auf dem ganzen Album beklagt Mach-Hommy, dass er als egoistisch
       abgestempelt wird und sich trotzdem damit abfindet. In diesem Fall folgt er
       den Worten seines Großvaters. Mach-Hommy möchte ein Geber sein, ähnlich
       seinem Großvater, der anderen Lektionen erteilt. Diese Lektion erteilt er
       auf „Self Luh“.
       
       Er spricht darüber, wie sehr wir von materiellen Dingen besessen sind und
       wie wir unsere eigene Gesundheit vernachlässigen. Daher auch sein Dank an
       den Zahnarzt und den Therapeuten. Er beschreibt Menschen in teuren Autos,
       die an Tankstellen Hot Dogs essen. Er weist auch auf die Ironie hin, dass
       der Weg zum Reichtum darin besteht, sich selbst zu lieben.
       
       Musikalisch arbeitet Mach-Hommy auf „Balens Cho“ gern mit abstrakten
       experimentellen Klangatmosphären: Sie wechseln schnell von üppigen Bläsern
       zu einem jazzigen Boom-Bap-Stil. Textlich verfolgt der Rapper keine klare
       Linie, aber es tauchen immer wieder religiöse Bezüge auf, sozialpolitisch
       aufbereitet und daher interessant: Mach-Hommy mahnt mehr Fürsorge
       füreinander an und die Schaffung einer gerechteren Welt.
       
       Die Zwischenspiele stellten einen Bezug zu seinem Geburtsland Haiti her,
       sie ergänzen die Botschaften auf „Balens Cho“ und sollen vor allem die
       US-Hörerschaft einladen, sich mit Haiti zu beschäftigen.
       
       18 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Portraet-des-Rappers-Mach-Hommy/!5648733
   DIR [2] /Neuauflage-Die-schwarzen-Jakobiner/!5821638
   DIR [3] /Key-to-the-Kuffs-von-Projekt-JJ-Doom/!5082743
   DIR [4] https://soundcloud.com/mach-hommy/sets/album-balens-cho-hot-candles
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Victor Efevberha
       
       ## TAGS
       
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