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       # taz.de -- Joe Bidens Ukraine-Äußerungen: Kleine und große Invasionen
       
       > Biden hat mit seinen Äußerungen den Europäern einen Gefallen getan. Er
       > hat gezeigt, dass der Schlüssel zur Konfliktlösung nicht in Washington
       > liegt.
       
   IMG Bild: Joe Biden bei der Pressekonferenz
       
       Ist eine Invasion eine Invasion? Oder gibt es davon kleine und große? Was
       macht eine kleine Invasion groß? Wer misst den Unterschied? Und welches Maß
       wird angelegt?
       
       Joe Biden scheint über diese Nuancen klare Ansichten zu haben. So
       jedenfalls klang es, als der US-Präsident am Mittwoch auf einer
       Pressekonferenz im Weißen Haus die Kategorie „minor incursion“ einführte
       (auf Deutsch „geringfügiges Eindringen“,„kleine Invasion“) – Russlands in
       die Ukraine nämlich – und erklärte, dass die Reaktionen darauf anders, also
       kleiner, ausfallen würden als auf eine große Invasion.
       
       Was Biden gesagt hat, wurde mit den anschließenden Interpretationsversuchen
       seiner Sprecherin noch nebulöser. Und es scheint, als könnte es die
       Versuche seiner UnterhändlerInnen, die in diesen Tagen in diplomatischer
       Mission unterwegs sind, konterkarieren. Aber entgegen den Behauptungen von
       Konservativen hat es die Kriegsgefahr in der Ukraine nicht erhöht, und
       Biden hat Wladimir Putin auch keine Geheimnisse verraten.
       
       Der russische Präsident weiß, dass die [1][Mitgliedsländer der Nato] zu
       vielen Dingen in diesem Konflikt unterschiedliche Positionen vertreten: zum
       Umgang mit Moskau, zu einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und [2][zur
       militärischen Aufrüstung von Russlands Nachbarländern]. Putin ist ebenfalls
       klar, dass weder die USA noch die Nato willens sind, wegen der Ukraine
       Krieg zu führen.
       
       ## Militärische Umzingelung Russlands
       
       Trotz – oder gerade wegen – der ungeschickten und unklaren Äußerungen
       könnte Biden den europäischen Nato-PartnerInnen aber einen Gefallen getan
       haben. Denn er hat einmal mehr klargemacht, dass Washington nicht der Ort
       ist, von dem die Lösung eines potenziellen bewaffneten Konflikts in der
       Ukraine zu erwarten ist.
       
       Seit der Wende von 1989 haben die USA Osteuropa als eine Chance für die
       Ausdehnung ihres Einflussgebietes betrachtet. Dabei haben sie der
       militärischen Umzingelung Russlands eine zentrale Rolle gegeben. Sie taten,
       als wäre die Ausdehnung der Nato die logische Konsequenz des Endes des
       Kalten Krieges. Westeuropa hat das toleriert.
       
       Dabei zeigt der Blick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts, dass auch die
       USA nicht bereit sind, eine Aufrüstung direkt vor ihren Landesgrenzen zu
       tolerieren. Als Moskau 1962 Raketen auf Kuba stationieren wollte, bereitete
       Washington einen Krieg vor.
       
       Für die Europäer – das ist eine mögliche Lehre aus Bidens Auftritt – ist es
       ein Fehler, den Konflikt in der Ukraine den Präsidenten von zwei
       Großmächten zu überlassen, die bei diplomatischen Konflikten vor allem in
       militärischen Kategorien denken. Statt kleine und große Invasionen zu
       definieren, wäre es höchste Zeit, auf allen Seiten abzurüsten.
       
       20 Jan 2022
       
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