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       # taz.de -- Transgender-Regeln bei Olympia: Wann ist jemand eine Sportlerin?
       
       > Das IOC wird neue Empfehlungen vorlegen, die Transgender-Personen
       > entgegenkommen sollen, heißt es.
       
   IMG Bild: Sportsolidarität mit Transgender-Personen? Zumindest vor der Arena
       
       Nach den Winterspielen von Peking ist es so weit: Das Internationale
       Olympische Komitee wird [1][neue Empfehlungen] herausgeben, wie die
       Sportwelt mit [2][Transgender-Athletinnen] umzugehen hat. Wie schwer das
       ist und wie schnell Kontroversen entstehen, zeigt eine aktuelle Debatte im
       US-Schwimmsport. College-Studentin Lia Thomas, die als Mann auf die Welt
       kam, schwimmt ihren Konkurrentinnen auf den längeren Distanzen davon. In
       einem Rennen über 1.500 Meter hatte sie kürzlich 38 Sekunden Vorsprung auf
       die Zweitplatzierte. Hämische Kommentare musste sie sich anhören, als
       Thomas bei einem Wettkampf der University of Pennsylvania über 100 Meter
       von Iszac Henig [3][geschlagen wurde], auch er ist ein Transgender-Athlet,
       allerdings ein Trans-Mann, der, um seine neue soziale Identität zu
       untermauern, eine Mastektomie hat vornehmen lassen, Brustgewebe also hat
       entfernen lassen.
       
       Dass beide im selben Wettbewerb antreten, ist völlig legal, denn die
       [4][Regeln der NCAA], der National Collegiate Athletic Association, besagen
       seit 2011, dass Trans-Frauen nach einem Jahr Hormontherapie (Lia Thomas hat
       sogar zweieinhalb Jahre hinter sich) an Frauen-Wettkämpfen teilnehmen
       können – und dass Trans-Männer, die kein Testosteron einnehmen, ebenfalls
       bei den Frauen mitschwimmen dürfen. Deren Stoffwechsel hat sich ja nicht
       verändert.
       
       Das IOC hat zuletzt 2015 in seinem „Consensus Statement“ den
       internationalen Sportverbänden eine Empfehlung zum Umgang mit diesen
       seltenen Ausnahmen gegeben. Das Ergebnis: Frauen, die eine
       Geschlechtsidentität als Mann angenommen haben, dürfen ohne Restriktionen
       an Männer-Wettkämpfen teilnehmen. Im umgekehrten Fall geht das nicht so
       einfach: Der Wechsel der Identität muss mindestens vier Jahre zurückliegen
       und amtlich beurkundet sein. Die Athletin muss zusätzlich nachweisen, dass
       ihr Testosteronspiegel im Blut mindestens zwölf Monate lang unter zehn
       Nanomol pro Liter gelegen hat. Diesen Grenzwert, der regelmäßig
       kontrolliert wird, muss sie dauerhaft einhalten.
       
       Von diesem Wert ist in der IOC-Novelle nun nichts mehr zu finden, vielmehr
       sind da zehn (weiche) Punkte aufgelistet, die für die Sportverbände
       allerdings rechtlich nicht bindend sind. Der Fokus soll gerichtet werden
       auf: Inklusion, Schadensverhütung und Nichtdiskriminierung, Fairness, auf
       „eine Vorteilsvermutung“ solle verzichtet werden, ein evidenzbasiertes
       Vorgehen wird gewünscht, die Gesundheit solle Vorrang haben, ebenso wie der
       Datenschutz, das Ganze solle „Stakeholder-zentriert“ sein, und die
       Empfehlungen müssten regelmäßig überprüft werden. Das IOC, das für sein
       Zehn-Punkte-Programm 60 Hearings, unter anderem mit LGBTIQ-Vertretern,
       veranstaltet hat, ist sich bewusst, dass es eine „hochgradig politisierte
       und spaltende Debatte“ gebe, gerade über die leistungssteigernde Wirkung
       des männlichen Hormons Testosteron.
       
       Das IOC ist nun der Meinung, dass es „keinen wissenschaftlichen Konsens
       darüber gebe, wie Testosteron die Leistung im Sport“ beeinflusse. Das sehen
       Vertreter von Sportverbänden, Experten, ja selbst Mitarbeiter des IOC
       anders, denn in einem jetzt bekannt gewordenen Positionspapier warnen unter
       anderem Wissenschaftler davor, dass die neuen Richtlinien zu unlauterem
       Wettbewerb im Frauensport führen könnten. „Der neue Rahmen des IOC
       konzentriert sich hauptsächlich auf eine bestimmte
       Menschenrechtsperspektive, und die wissenschaftlichen, biologischen oder
       medizinischen Aspekte werden nicht berücksichtigt“, heißt es. Auch die NCAA
       bekommt Druck. Sie möchte ihre über zehn Jahre alten Regeln „überdenken“.
       
       21 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.insidethegames.biz/articles/1115561/ioc-olympics-transgender-sport
   DIR [2] /Revolution-bei-Olympischen-Spielen/!5775482
   DIR [3] https://www.nbcnews.com/feature/nbc-out/trans-athlete-debate-penns-lia-thomas-loses-trans-yale-swimmer-rcna11622?cid=sm_npd_nn_tw_ma
   DIR [4] https://ncaaorg.s3.amazonaws.com/inclusion/lgbtq/INC_TransgenderHandbook.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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