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       # taz.de -- Rassistische Kontrollen in Hamburg: Berufung wegen Racial Profiling
       
       > Die Hamburger Innenbehörde geht gegen ein Urteil wegen rassistischer
       > Kontrollen vor. Der ursprüngliche Kläger erzielt einen Teilerfolg.
       
   IMG Bild: Ein Mülleimer vor dem Oberverwaltungsgericht zeigt, wo rassistische Kontrollen hin gehören
       
       Hamburg taz | Es war ein in Deutschland bis dahin einmaliger Erfolg, als
       das Verwaltungsgericht im November 2020 einem Schwarzen Menschen Recht gab,
       [1][der wegen Racial Profilings gegen die Hamburger Innenbehörde geklagt
       hatte]. Die Behörde wollte das so jedoch nicht stehen lassen und ging in
       Berufung. Am Mittwoch trafen sich der Kläger Barakat H. und die
       Vertreter*innen der Innenbehörde also in der zweiten Instanz, am
       Oberverwaltungsgericht.
       
       H. hatte vier Vorfälle angezeigt, in denen er in seinem Wohnviertel St.
       Pauli anlasslos von der Polizei kontrolliert worden war – wie es Schwarzen
       Menschen nahezu jeden Tag auf St. Pauli passiert. Das Gericht befand, dass
       in zwei der Situationen die Kontrollen rechtswidrig waren. Bei der dritten
       Situation hatte die Polizei das bereits selbst zugegeben, bei der vierten
       zog H. die Anzeige zurück.
       
       Der Richter hielt in seinem Urteil fest, dass die Polizei auch an einem so
       klassifizierten „gefährlichen Ort“ nicht einfach so Passant*innen
       kontrollieren dürfe, es müssten zumindest gewisse Anhaltspunkte für eine
       konkrete Gefahr im Zusammenhang mit der kontrollierten Person vorliegen.
       Weil die Entscheidung mit dieser Begründung über den Einzelfall hinaus
       weise, große Bedeutung für die Hamburger Polizeipraxis hätte und das
       Polizeigesetz dementsprechend zukünftig anders, also viel enger, ausgelegt
       werden müsste, ließ das Gericht eine Berufung überhaupt zu. Dass Polizei
       und Innenbehörde die Gelegenheit wahrnehmen würden, [2][kam wiederum nicht
       überraschend]. Sie sind nicht gerade für eine aktive Fehlerkultur bekannt.
       
       ## Die diskriminierende Praxis hat sich nicht verändert
       
       Der Richter eröffnete das Verfahren, ohne den Sachverhalt erneut
       darzustellen – er ist ja allen Beteiligten bekannt, neue Beweise oder
       Umstände haben sich in der Zwischenzeit nicht ergeben. H. sagte gegenüber
       dem Richter, dass sich an der diskriminierenden Praxis noch immer nichts
       geändert habe. „Immer wieder kommt es vor, dass ich auf dem Weg nach Hause,
       zum Sport, vom Deutschkurs oder sogar vom Garten zum Haus kontrolliert
       werde“, sagte er. „Dabei habe ich nichts getan, sondern wohne einfach dort.
       Wie kann das sein?“, fragte er.
       
       Die Vertreter*innen der Polizei hatten schon in der ersten Instanz
       argumentiert, H. habe sich vor den Kontrollsituationen auffällig verhalten,
       als er die Beamten sah, indem er etwa seinen Schritt beschleunigt, sich
       ängstlich umgeguckt und an seiner Tasche herumgezippelt habe. Außerdem
       seien er und sein Freund, mit dem er auf dem Rückweg vom Sport und vom
       Supermarkt war, konspirativ eng aneinander gelaufen.
       
       „Wir haben uns ganz normal unterhalten, während wir nebeneinander her
       liefen“, sagten dagegen H. und sein Freund Rasmus R. übereinstimmend aus.
       Dafür, den Schritt zu beschleunigen oder angesichts der Polizisten in Panik
       zu verfallen, habe es überhaupt keinen Grund gegeben, sagte R. [3][Den
       Anblick der Polizei sei man auf St. Pauli schließlich gewohnt]. H. habe
       lediglich die Schulter gewechselt, auf der er seine Tasche trug, als ihm
       die Supermarkteinkäufe und Sportsache auf der einen Seite zu schwer wurden.
       
       Bis Redaktionsschluss war das Oberverwaltungsgericht noch nicht zu einem
       Urteil gekommen. Am späten Nachmittag erzielte H. aber einen weiteren
       Teilerfolg: Die Innenbehörde zog die Berufung bezüglich einer Kontrolle im
       April 2018 zurück. Damit ist jetzt offiziell anerkannt, dass die Kontrolle
       rechtswidrig war. Verhandelt wurde anschließend noch über die Situation,
       bei der H. mit R. auf dem Rückweg vom Sport gewesen war. H.s Anwalt,
       Carsten Gericke, sagte gegenüber der taz: „Ich erwarte, dass die Berufung
       auch in diesem Fall verworfen wird.“
       
       19 Jan 2022
       
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