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       # taz.de -- Streichung des Paragrafen 219a: … und jetzt weg mit 218!
       
       > Die Regierung hat das Informationsverbot für Abtreibung gekippt. Gut so!
       > Nur am umstrittenen Paragrafen 218 hält sie weiter fest.
       
   IMG Bild: Kundgebung von Fraueninitiativen in Berlin gegen den §218 und den §219a im Januar 2019
       
       Freie Information ist ein hohes Gut. Dass das Informationsverbot für
       [1][Schwangerschaftsabbrüche] endlich fallen soll, muss gefeiert werden: Es
       ist der überfällige Erfolg einer Bewegung, die sich jahrelang vernetzte,
       die es schaffte, Tausende zu mobilisieren und die Verbündete in den
       Fraktionen der Linken, Grünen und FDP fand. Ein misogyner
       Strafrechtsparagraf von 1933, der es Ärzt:innen verbietet, über ihre
       Leistungen zu informieren, der Frauen Wissen vorenthält und sie als Wesen
       stigmatisiert, die vor sich selbst geschützt werden müssen, soll bald der
       Vergangenheit angehören. Endlich.
       
       Trotzdem sind es ambivalente Gefühle, die mit der angekündigten Streichung
       des [2][Paragrafen 219a] einhergehen. Es war ernüchternd zu sehen, wie
       schwerfällig sich die parlamentarische Politik auf diesen Erfolg
       hinbewegte, – und wie oft es danach aussah, als bliebe der leidige Paragraf
       doch erhalten. Längst hätte es noch in Groko-Zeiten eine Mehrheit im
       Parlament gegeben, um den 219a zu kippen. Doch um des Koalitionsfriedens
       willen ließ die SPD mehrfach die Chance verstreichen, Ärzt:innen und
       Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen. Frauenrechte, das war damit klar, sind
       für die Partei Verhandlungsmasse.
       
       Schwerer noch wiegt, dass die Abschaffung des Paragrafen 219a Detail eines
       viel größeren Übels ist: Des Fortbestehens des Paragrafen 218 im
       Strafgesetzbuch, der seit über 150 Jahren Schwangerschaftsabbrüche
       kriminalisiert. Es ist eine Besonderheit der deutschen Debatte, dass es in
       den letzten Jahren nicht, wie in vielen anderen Ländern, um die Frage ging,
       ob Schwangerschaftsabbrüche endlich legalisiert werden. Sondern schlicht
       darum, ob Ärzt:innen darüber informieren dürfen, dass und wie sie
       vorgenommen werden.
       
       Seit Jahren rügen die Vereinten Nationen Deutschland für seine restriktive
       Politik in Sachen Abbrüche, für die Pflichtberatung und die Wartezeit von
       drei Tagen, die ungewollt Schwangere zwischen Beratung und Abbruch
       einhalten müssen. Mit der [3][Ampelkoalition] sollen Abbrüche nun immerhin
       in der Ausbildung von Ärzt:innen verankert werden. Zudem sollen sie als
       medizinische Grundversorgung anerkannt und kostenfrei werden. Das sind
       kleine, aber wichtige Schritte hin zu einer Entkriminalisierung.
       
       Doch auch diese Erkenntnis bleibt: Obwohl die Straffreiheit von
       Schwangerschaftsabbrüchen in den Programmen von SPD und Grünen als Ziel
       formuliert ist, ist nur eine Kommission geplant, die diese Möglichkeit
       „prüfen“ soll. Priorität hat die Abschaffung des Paragrafen 218 auch für
       die Ampel offensichtlich nicht. Die aber muss sie haben: Um Frauen nicht
       länger unter Generalverdacht zu stellen, muss Paragraf 218 weg.
       
       Freie Information ist ein hohes Gut. Das Recht auf den eigenen Körper aber
       gibt es noch immer nicht.
       
       18 Jan 2022
       
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