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       # taz.de -- Russland, Đoković und Kasachstan: Wenn die Linken überraschen
       
       > Tennis scheint total im Trend zu liegen. Außenministerin Baerbock setzt
       > auf Dialog. Und der Linke Gerhard Trabert schockt mit Parallele zu
       > NS-Zeit.
       
   IMG Bild: Gerhard Trabert, Arzt und Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Trump will zurückkommen.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Vielleicht wird er endemisch. Wobei „Herdendurchseuchung“ bei Trump schöner
       klingt.
       
       Das NRW-Innenministerium deckt auf: Die [1][„Montagsspaziergänge“] seien in
       Wahrheit Demonstrationen und es gebe Überlegungen, diese künftig auch als
       solche zu behandeln. Wird das die Teilnehmenden abschrecken? 
       
       Wenn eine Demo nicht angemeldet ist, ist das strafbar – langt jedoch nicht,
       die Demo aufzulösen. Das dankt sich ausgerechnet einem
       Verfassungsgerichtsurteil aus der Antiatom-Ära. Apropos: Zuletzt gegen
       TTIP mobilisierten sich über 100.000, und an Themen ist ja kein Mangel:
       Wohnungsnot, Kinderarmut, Pflegenotstand, und täglich grüßt das Klimatier.
       Wollen wir nicht mal wieder? Jeder, der unfallfrei einen spinnerten
       Pappendeckel hochhält, wird derzeit von TV-Teams umstellt. Denen muss man
       doch mal wieder vernünftige Themen anbieten.
       
       Die USA bieten Russland Abrüstungsgespräche an, Außenministerin Baerbock
       will kommenden Dienstag zum Antrittsbesuch nach Russland reisen und dort
       ihren Amtskollegen treffen. Wird westliche Diplomatie eine militärische
       Eskalation der Ukraine-Krise verhindern können? 
       
       In der Ukraine sind seit 2019 EU- und Nato-Mitgliedschaft Verfassungsziel.
       Das ist eine Zukunft, in der das „westliche Bündnis“ bis auf 800 Kilometer
       an Moskau heranrückt. Welche gelassene Reaktion erwarteten wir von Berlin,
       wenn der Russe bei Freiburg steht? In dieser Sicht ist das
       Selbstbestimmungsrecht der Ukraine ein hoher Wert – neben anderen.
       Baerbocks moralisch hochwertige Bescheidsagekompetenz wird nicht über den
       Erfolg einer Mission entscheiden. Sondern das gute alte „walk a mile in my
       shoes“, zu Deutsch: ihre Schnellvergenscherung.
       
       Es gab viel Brimborium um [2][Tennisspieler Đoković]. Warum interessiert es
       alle brennend? 
       
       „Ich bin ein Star, ich darf nicht rein“: schickes neues RTL-Format, während
       auch der „Dschungel“ diesmal von Australien nach Südafrika auswich. Die
       richtige Ekelprüfung kommt im Winter: Fußball-WM in Katar.
       
       Deutschland will vorerst keine Rüstungsgüter nach Kasachstan mehr liefern.
       Reicht das, um die Lage zu entspannen? 
       
       Die Geste wiegt schwerer als die Ware: im Vorjahr vor allem
       Scharfschützengewehre, Pistolen und Munition für 2,2 Millionen Euro. Für
       den, der in die Mündung starrt, ist es trotzdem mehr als eine Geste.
       
       Sat.1 bestätigt: Fernsehmoderator Jörg Pilawa wechselt von der ARD zum
       Privatsender. Er folgt damit den ehemaligen „Tagesschau“-Gesichtern Pinar
       Atalay, Jan Hofer und Linda Zervakis, die ebenfalls den
       Öffentlich-Rechtlichen den Rücken kehrten. Wieso kann der ÖRR seine Stars
       nicht halten? 
       
       Fragen Sie mich, wenn wirklich ein Star geht. Also Wirkungstreffer wie
       Marietta Slomka oder Caren Miosga es wären. Im journalistischen Bereich
       sind es bisher die, mit Verlaub, Edelreservisten. Nach Christiansen und
       Will gibt es keinen Automatismus mehr, irgendwann mit einer eigenen
       Talkshow belohnt zu werden. Entsprechend schlecht ist die Stimmung in der
       Warteschlange; entsprechend ansprechbar die KönnerInnen. Das ist neu, seit
       die Kommerziellen im Kampf gegen die Streaming-Dienste das Biotop „current
       affairs“ entdeckt haben. Im Showbereich ist „Wer moderiert eigentlich
       gerade wo?“ schon länger eine riskante Quizfrage.
       
       Die Linken stellen einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl
       auf. Steinmeiers zweite Amtszeit gilt durch Unterstützung von SPD, Grünen
       und CDU/CSU als gesichert. Wie finden Sie die Wahl des Mainzer Arzt und
       Professor für Sozialmedizin, [3][Gerhard Trabert]? 
       
       Trabert trägt Verdienstorden von Land und Bund für seine Arbeit mit
       Obdachlosen und Geflüchteten. Sein Hinweis, heute wisse man über das Elend
       der Flüchtlinge soviel wie damals über das der Juden, weist ihn als
       unbequem aus: Das macht richtig Gewissen. Kein schrulliger Linker und auch
       kein Charity-Schleimer. Die Linke nutzt, ohne Steinmeiers Wiederwahl zu
       gefährden, die Kandidatur ideal. So was Schlaues ist man von denen derzeit
       nicht gewohnt.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Meine Tochter bekam ihr Abi-Zeugnis im Westfalenstadion überreicht und
       wollte sich Samstag dort impfen lassen. Impfbude hatte aber noch zu. Soviel
       aus dem Leben einer Dortmunderin, die sich ausdrücklich nicht für Fußball
       interessiert.
       
       Fragen: Nele Sophie Karsten
       
       16 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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