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       # taz.de -- Prozess um Mord an Ahmaud Arbery: „Sie verdienen keine Milde“
       
       > Zwei Jahre nach dem Mord an dem Schwarzen Ahmaud Arbery in Georgia gibt
       > es ein Urteil. Die drei Angeklagten müssen lebenslang in Haft.
       
   IMG Bild: Die Mutter von Ahmaud Arbery, Wanda Cooper-Jones, sagt im Mordprozess aus
       
       Die drei weißen Männer, die den [1][Schwarzen Jogger Ahmaud Arbery] im
       Februar 2020 durch die Straßen einer Vorstadtsiedlung im US-Bundesstaat
       Georgia gejagt und ermordet haben, sind zu lebenslänglichen Haftstrafen
       verurteilt worden. „Sie haben einen jungen Mann, der Träume hatte,
       niedergeschossen“, sagte Richter Timothy Walmsley am Freitagnachmittag im
       Prozesssaal. Die Verkündung des Strafmaßes unterbrach er mit einer
       ungewöhnlichen Geste: Er legte eine Schweigeminute ein. Damit wolle er des
       Terrors gedenken, dem der Jogger in den fünf letzten Minuten seines Lebens
       ausgesetzt war.
       
       Das Strafmaß kam sechs Wochen nachdem die Geschworenen in dem Gericht in
       Glynn County alle drei [2][Angeklagten des Mordes für schuldig befunden
       hatten.] Travis McMichael (35 Jahre alt) und sein Vater Greg McMichael (66
       Jahre alt) müssen bis zum Ende ihres Lebens im Gefängnis bleiben. Sie haben
       keine Chance auf Bewährung. Der dritte Täter, William „Roddie“ Bryan (52
       Jahre alt), kann nach frühestens 30 Jahren in Haft eine Bewährung
       beantragen. So ist es im Urteil festgelegt.
       
       ## Die Mutter musste sich für den Prozess engagieren
       
       Sowohl Staatsanwältin Linda Dunikoskis als auch die Angehörigen des
       Ermordeten hatten für harte Strafen plädiert. „Sie haben über meinen Sohn
       und meine Familie gelogen und sie haben keine Reue gezeigt, daher verdienen
       sie keine Milde“, sagte Wanda Cooper-Jones am Freitagnachmittag im Gericht:
       „Sie haben meinen Sohn ins Visier genommen. Es war kein Irrtum.“ Die Mutter
       des Ermordeten hat mit ihrem hartnäckigen Engagement dafür gesorgt, dass
       der Prozess und die Verurteilung zustande kamen. Staatsanwältin Dunikoski
       nannte das Vorgehen von Vater und Sohn McMichael ein „nachgewiesenes Muster
       von Selbstjustiz“. Sie fügte hinzu, dass der Vater, der früher ein Polizist
       war, „es besser hätte wissen müssen“, als er sich bewaffnete, sein Haus
       verließ und die Verfolgung des Joggers aufnahm.
       
       Die Angeklagten wollen das Urteil anfechten. Am Freitag argumentierten die
       Verteidiger von Sohn und Vater McMichael, dass ihre Mandanten keine
       Vorstrafen hätten und „nicht vorsätzlich“ gehandelt hätten. Kevin Gough,
       der Verteidiger von Bryan, erklärte, sein Mandant sei nicht bewaffnet
       gewesen, und er habe bis zum „tragischen Tod“ von Arbery „keine Ahnung“
       davon gehabt, was vorgehe.
       
       Das Verbrechen in der mehrheitlich weißen Siedlung Satilla Shores im Süden
       von Georgia geschah am helllichten Tage. [3][Viele Schwarze Menschen
       erinnerte es sofort an ein klassisches Lynchen]. Als der 25-jährige Arbery
       vor dem Haus der Familie McMichael vorbei joggte, zückten Vater und Sohn
       ihre Schusswaffen, sprangen in ihren Pick-up-Wagen und nahmen seine
       Verfolgung auf. Sie hatten zwar keinen Beweis dafür, wollten aber dennoch
       wissen, dass der junge Mann verantwortlich für Einbrüche in ihrem Stadtteil
       war. Ihr Nachbar Bryan sprang seinerseits in seinen Pick-up, beteiligte
       sich an der Jagd auf den stillen Straßen und filmte die brutalen Szenen.
       Nach mehreren Minuten bildeten die drei weißen Männer eine Falle mit ihren
       Wagen. Der jüngere McMichael lauerte dem unbewaffneten Jogger auf und
       erschoss ihn aus unmittelbarer Nähe.
       
       Bis zu den Festnahmen der drei Täter im tiefen Süden der USA vergingen zehn
       lange Wochen. Mehrere Staatsanwälte in der Region sahen keine Notwendigkeit
       dazu. Der ältere McMichael hatte früher als Polizist gearbeitet und kannte
       zahlreiche Mitarbeiter der örtlichen Justiz persönlich. Außerdem war die
       „Bürger-Festnahme“, die die drei verurteilten Männer vornehmen wollten,
       damals in Georgia noch legal. Unter anderem auf Drängen der Mutter des
       Ermordeten ist das Gesetz inzwischen geändert worden.
       
       ## Schwarze Kandidaten wurden als „befangen“ abgelehnt
       
       Bei dem Verfahren in Glynn County spielte Rassismus von Anfang bis Ende
       eine zentrale Rolle – unter anderem lehnten die Verteidiger schon bei der
       Auswahl der Geschworenen fast alle Schwarzen Kandidaten als befangen ab.
       Auch protestierten sie gegen die Anwesenheit von „zu vielen Schwarzen
       Pastoren“ im Gerichtssaal. Richter Walmsley konzentrierte sich jedoch bei
       seinen Vernehmungen auf die tödliche Straftat und klammerte das Thema
       Rassismus weitgehend aus.
       
       Im Februar wird ein Bundesgericht allerdings ein neues Verfahren wegen
       „Hassverbrechen“ aufnehmen. Dann wird der Rassismus der drei Angeklagten im
       Vordergrund stehen.
       
       In einer direkten Ansprache an ihren toten Sohn sagte Cooper-Jones am
       Freitag in Georgia: „Du wirst nicht zurückkommen. Aber dieses Urteil hilft
       mir, ein sehr schweres Kapitel meines Lebens zu schließen.“ Schwarze und
       weiße Unterstützer, die sie in den zurückliegenden Monaten unterstützt
       haben, skandierten: „Was haben wir bekommen? Gerechtigkeit! Wann haben wir
       sie bekommen? Heute!“
       
       8 Jan 2022
       
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