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       # taz.de -- Repression in Saudi-Arabien: Prinzessin Basmah ist frei
       
       > Fast drei Jahre war die prominente Cousine des saudischen Kronprinzen
       > inhaftiert. Zu welchen Bedingungen die 57-Jährige freikam, ist unklar.
       
   IMG Bild: Aktuelle Fotos gibt es noch nicht: Prinzessin Basmah, hier bei einer Diskussion 2017 in Washington
       
       Berlin taz | Saudi-Arabien hat eine prominente Cousine des saudischen
       Kronprinzen freigelassen. Dies teilte die Menschenrechtsorganisation ALQST
       am Samstag mit. Die 57-jährige Prinzessin Basmah bint Saud bin Abdulaziz Al
       Saud sowie ihre Tochter Suhoud al-Scharif befänden sich bereits seit
       Donnerstag an ihrem Wohnort in der Küstenstadt Jeddah, bestätigte gegenüber
       der taz Henri Estramant, ein Berater der Familie, der sich für die
       Freilassung eingesetzt hatte.
       
       „Wir begrüßen die Entscheidung vom Königshof und von Muhammad bin Salman,
       die Prinzessin freizulassen“, sagte Estramant am Sonntag per Telefon.
       [1][Mutter und Tochter waren im März 2019 festgenommen worden und wurden
       seitdem ohne Anklage festgehalten.] Nach ALQST-Angaben war Prinzessin
       Basmah im Al-Ha'ir-Gefängnis in Riad interniert, wo auch zahlreiche weitere
       politische Gefangene in Haft sitzen.
       
       Der genaue Grund für Basmahs Festnahme ist auch nach ihrer Freilassung
       nicht bekannt. [2][Beobachter*innen haben verschiedene Erklärungen
       angeführt], die möglicherweise auch ineinander greifen. So ist die
       Prinzessin eine Befürworterin von weitreichenden Reformen in Saudi-Arabien,
       auch wenn ihre Forderungen in der Vergangenheit nicht so radikal waren wie
       die von anderen politisch Verfolgten in dem autoritär regierten Königreich.
       
       Basmah hat sich nie offen gegen die Monarchie gewandt, doch hat sie
       beispielsweise in einem Interview mit der BBC gefordert, das Land in eine
       konstitutionelle Monarchie umzuwandeln und die Gleichheit von Frau und Mann
       in einer Verfassung zu verankern. Hinzu kommt, dass Basmah im Ausland gut
       vernetzt ist. Sie hat lange Zeit in London gelebt, bevor sie 2016 nach
       Saudi-Arabien zurückkehrte.
       
       Zudem habe es einen Erbschaftsstreit gegeben, in dem es um den Nachlass
       ihres Vaters König Saud (reg. 1953-1964 ) ging. Dies berichtete eine
       Quelle, die der Prinzessin nahe steht, aber um Anonymität bat, im
       vergangenen Jahr der taz. [3][Laut] dem US-Wirtschaftsmagazin Insider geht
       es bei der Auseinandersetzung um Werte in Milliardenhöhe, unter anderem um
       Grundbesitz in Saudi-Arabien.
       
       ## Konkurrenz innerhalb der Familie
       
       Hintergrund der Festnahme sind Beobachter*innen zufolge aber auch
       Verschiebungen innerhalb des saudischen Machtgefüges. Basmah soll gute
       Verbindungen haben zu einem Zweig der Herrscherfamilie, der zu dem von
       König Salman und Kronprinz Muhammad bin Salman (MBS) in Konkurrenz steht.
       
       In der Familie hat sich in den letzten Jahren ein Machtkampf zugespitzt,
       der bereits seit Langem absehbar war. Er geht auf die Regelung zurück, dass
       die saudische Erbfolge innerhalb der Generation der Söhne von Staatsgründer
       Abdulaziz Al Saud (reg. 1931-1953) von (Halb-)Bruder zu (Halb-)Bruder
       übergeht und nicht etwa vom Vater zum Sohn.
       
       MBS wäre der erste König, der kein Sohn des Staatsgründers ist, sondern aus
       der weitverzweigten Enkelgeneration kommt. Sobald er seinem Vater Salman
       nachfolgt, wären also andere Familienzweige ausgeschaltet. Die jahrelang
       offene Frage, wie die Thronfolge auf die nächste Generation übergeht, wäre
       damit entschieden – im Sinne des Zweiges von König Salman und MBS.
       
       MBS hat diesen Machtkampf seit seiner Ernennung zum Kronprinz 2017 mit
       äußerst repressiven Mitteln geführt und etliche Mitglieder der
       Königsfamilie, die er als Konkurrenz wahrnimmt, festnehmen lassen. So ist
       Basmah nicht das einzige Mitglied der Familie, das weggesperrt wurde. Viele
       prominente Prinzen, die MBS 2017 im Luxushotel Ritz Carlton in Riad
       einsperren ließ, sind mittlerweile zwar wieder frei, von vielen war aber
       nie wieder etwas zu hören.
       
       ## Prominenter Prinz inhaftiert
       
       Der prominenteste Prinz hinter Gittern ist Mohammed bin Najef, der selbst
       König werden sollte, bevor MBS sich von seinem Vater an erste Stelle der
       Thronfolge setzen ließ. Prinzessin Basmah soll guten Kontakt zu ihm haben.
       Auch deshalb ist ihre Festnahme vor dem Hintergrund der Machtkonsolidierung
       durch MBS zu sehen.
       
       Über die Bedingungen der Haftentlassung der Prinzessin ist bislang nichts
       bekannt. „Ich befürchte, dass Prinzessin Basmah nicht ausreisen darf“, sagt
       Henri Estramant. Schon vor ihrer Festnahme sei sie wegen gesundheitlicher
       Probleme in der Schweiz in Behandlung gewesen. „Nach drei Jahren
       Gefangenschaft kann sich ihr Gesundheitszustand natürlich verschlechtern.“
       Sie leide vor allem unter Herzproblemen.
       
       9 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Saudische-Gefangene-Basmah-bint-Saud/!5755412
   DIR [2] https://de.qantara.de/inhalt/saudi-arabien-wer-hat-angst-vor-prinzessin-basmah
   DIR [3] https://www.insider.com/princess-basmah-saudi-arabia-humanitarian-prisoner-mystery-kidnap-mbs-2020-5
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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