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       # taz.de -- Gastgeber Kamerun beim Afrika-Cup: Hüpfen in der Ferne
       
       > Beim Afrika-Cup in Kamerun wird deutlich mehr auf den Straßen als in den
       > Stadien gefeiert. Das hat nicht nur mit den Ticketpreisen und Corona zu
       > tun.
       
   IMG Bild: Kameruns Nouhou Tolo vor zumindest halbwegs vollen Rängen gegen Kap Verde
       
       Yaoundé taz | Dass ich zu den wenigen gehöre, die das Privileg haben, die
       Spiele live sehen zu dürfen, macht mich stolz“, sagt Sylvie Mvondo. Die
       Kamerunerin besucht derzeit beim Afrika-Cup die Spiele der „Unbezähmbaren
       Löwen“, wie die Nationalelf Kameruns heißt. Ins Stadion geht sie, weil
       nichts das Erlebnis im Stadion übertrifft, wie sie sagt. Deshalb nimmt
       Mvondo Unannehmlichkeiten in Kauf. „Wir müssen uns alle impfen lassen, um
       die Nation zu retten und unsere Mannschaft zum Erfolg zu führen.“
       
       Jules Ngong ist auch Fan, geht aber nicht ins Stadion. Er verfolgt die
       Unbezähmbaren Löwen in der Fanmeile. „Wir sind dabei, dieses Turnier zu
       gewinnen. Wir sind bisher einfach die beste Mannschaft“, sagt er. Gerade
       hat er in einem Fanpark in der Hauptstadt Yaoundé das Spiel Kameruns gegen
       Kap Verde gesehen. Das 1:1-Unentschieden bedeutet zwar, dass der Gastgeber
       nicht mit einer reinen Siegbilanz weiterkommt. Aber der Gruppensieg steht
       fest, Kapitän Vincent Aboubakar ist der bislang beste Spieler des Turniers,
       [1][und die Aussichten Kameruns], das Turnier zum ersten Mal seit 2017 zu
       gewinnen, stehen nicht schlecht.
       
       Entsprechend gut ist die Stimmung in Yaoundé. In die Fanmeile kommen mehr
       Menschen als in die Stadien des Landes, denn beim Public Viewing gelten
       lockere Vorschriften. Eine Maske genügt, keine weiteren Nachweise. Die
       Stadien in Bafossaum, in der Handelshauptstadt Douala, Garoua, Limbé und
       Yaoundé sind während des Afrika-Cups schlecht besucht, auf den Fanmeilen
       herrscht jedoch Karnevalsstimmung. Tausende Menschen, oft in den grünen
       Farben des Nationalteams gekleidet, hüpfen nach Toren im Takt. Sie hüpfen
       nach jedem Tor, auch nach denen der gegnerischen Mannschaft.
       
       Die leeren Stadien gelten vielen Menschen in Kamerun als Schandfleck. Nur
       wenn der Gastgeber spielt, sind sie halbwegs voll. Dabei wurden die Stadien
       extra für dieses größte Fußballspektakel des Kontinents gebaut. Viele
       halten sie für architektonische Meisterwerke.
       
       ## Anschläge islamistischer Gruppen
       
       Gründe sind die Ticketpreise, die zwischen umgerechnet 5 und 30 Euro
       liegen, der Bürgerkrieg, der das Land heimsucht, in dem Separatisten einen
       eigenen englischsprachigen Staat fordern. Dazu kommen die Anschläge
       islamistischer Gruppen, die vom westlichen Nachbarn Nigeria aus operieren.
       Und natürlich Covid-19.
       
       Kamerun gilt für die deutsche Bundesregierung als Hochrisikogebiet. Die
       Behörden berichteten zuletzt von 109.666 bestätigten Fällen seit Beginn der
       Pandemie und 1.853 Toten. Fans, die zu einem der sechs Spielorte möchten,
       müssen einen Impfnachweis und einen negativen Test vorlegen. Nach Angaben
       des Gesundheitsministeriums sind nur etwas mehr als 2 Prozent der
       kamerunischen Bevölkerung geimpft, das sind knapp 600.000 Menschen. Da
       fällt es schwer, die Stadien voll zu bekommen, zumal die Organisatoren die
       Auslastung der Stadien auf 60 bis 80 Prozent reduziert haben.
       
       Auch die von Kameruns Regierung verhängten Reisebeschränkungen dürften
       etliche auswärtige Fans abgeschreckt haben. Das Testprogramm an den
       Grenzübergängen wurde mit Beginn des Afrika-Cups noch einmal ausgebaut.
       Während in Yaoundé die Atmosphäre von der Covid-Pandemie geprägt ist,
       befindet sich das im Südwesten gelegene Limbé [2][im Epizentrum der Gewalt]
       zwischen den Regierungstruppen und bewaffneten Separatistengruppen, die die
       Unabhängigkeit anstreben. Einige Separatistenführer und -aktivisten haben
       gedroht, den Afrika-Cup zu stören, wenn die Behörden die zur Beilegung der
       Krise stationierten Truppen nicht abziehen. In diesem Falle wollten sie die
       dort gelegenen Teamquartiere angreifen: die von Gambia, Mali, Mauretanien
       und Tunesien.
       
       Eine der Separatistengruppen hat sich zu einer Bombenexplosion im Dezember
       bekannt, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. Der Bürgerkrieg, der
       seit drei Jahren tobt, hat rund 4.000 Zivilisten das Leben gekostet und
       700.000 Menschen in die Flucht getrieben. Auch deswegen bleiben die Stadien
       leer. „Die Fans hier gehen kein Risiko ein“, erklärt ein Kommunalpolitiker.
       Bislang wurden keine Zwischenfälle während des Turniers gemeldet.
       
       Ilaria Allegrozzi von der NGO Human Rights Watch sagt: „Die kamerunischen
       Behörden sind dafür verantwortlich, die teilnehmenden Mannschaften,
       Funktionäre und Fans vor Schaden zu bewahren und Maßnahmen zu ergreifen, um
       Angriffe im Vorfeld und während des Afrika-Cups zu verhindern.“ Ob die
       Regierung das leisten kann, bleibt offen. Bislang, sagt Allegrozzi, war die
       Regierung oft nicht dazu in der Lage. Die Regierung von Staatspräsident
       Paul Biya, der vorgeworfen wird, die Region zu vernachlässigen und Wahlen
       manipuliert zu haben, hat wegen des Turniers mehr Truppen entsandt. In den
       letzten Tagen wurde eine deutliche Zunahme der Patrouillen festgestellt.
       
       Das liegt nicht nur an den Aktivitäten der Separatisten. Die
       Regierungstruppen sind auch wegen möglicher Angriffe der Boko Haram
       alarmiert. Die islamistische Organisation sitzt im Nachbarland Nigeria und
       hat seit 2009 immer wieder Ziele in Kamerun angegriffen. Allerdings gilt
       sie seit einigen Monaten wegen interner Auseinandersetzungen als
       geschwächt.
       
       Ob das Turnier als Erfolg gewertet wird, hängt sehr vom Abschneiden
       Kameruns ab. Sportjournalist Luc Adoum sagt: „Wenn wir das Finale nicht
       erreichen, wäre das katastrophal.“ Das Endspiel findet am 6. Februar im
       Olembe-Stadion in Yaoundé statt. „Ein Finale ohne den Gastgeber würde
       bedeuten, dass das Spiel vor leeren Rängen ausgetragen wird“, sagt Adoum.
       „Als ob es hinter verschlossenen Türen stattfindet.“
       
       23 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rosy Sadou
       
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