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       # taz.de -- Bundestag debattiert über Impfpflicht: „Alle sind mit allen solidarisch“
       
       > Dagmar Schmidt von der SPD unterstützt eine allgemeine Impfpflicht ab 18.
       > Denn diese führe zur Grundimmunisierung und damit aus der Pandemie.
       
   IMG Bild: Protest gegen die Demonstration in Düsseldorf, die sich gegen die staatlichen Corona-Regeln richtet
       
       taz: Frau Schmidt, warum eine [1][Pflicht für eine Impfung], die weder
       sicher vor Ansteckung mit noch vor Übertragung von Covid schützt? 
       
       Dagmar Schmidt: Es geht uns darum, dass wir im nächsten Herbst und Winter
       in eine endemische Lage kommen wollen, ähnlich wie bei einer Grippe. Das
       Virus ist da, man kann daran erkranken, aber der Körper weiß, wie er damit
       umgeht. Das würde bedeuten, dass wir das Gesundheitssystem nicht mehr durch
       Maßnahmen wie Kontakt- und Zugangsbeschränkungen bis hin zu lokalen
       Lockdowns schützen müssen, wie wir es seit zwei Jahren tun. Dieser Weg
       dahin und raus aus der Pandemie führt über eine Grundimmunisierung der
       Bevölkerung, und die lässt sich unserer Meinung nach nur über die Impfung
       erreichen.
       
       Ziel einer allgemeinen Impfpflicht ist also letztendlich das
       Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen? 
       
       Genau. Und Schließungen und Lockdowns überflüssig zu machen.
       
       Erste Details sind schon bekannt. So soll die Pflicht auf drei Impfungen
       beschränkt werden. Warum drei Impfungen, wenn sich das Virus doch ständig
       verändert? 
       
       Es soll auch weiterhin die Möglichkeit geben, sich angepasst impfen zu
       lassen, eventuell jährlich. Aber Virologen und Wissenschaftler sagen uns,
       dass drei Impfungen ausreichen, um eine Grundimmunisierung herzustellen.
       
       Im Gespräch ist eine zeitliche Begrenzung der Pflicht auf ein bis zwei
       Jahre. Warum diese zeitliche Begrenzung, wäre eine Impfquote von 95 Prozent
       nicht sinnvoller, wenn es die doch für eine Grundimmunität der Bevölkerung
       braucht? 
       
       Die Experten, mit denen ich mich unterhalte, sagen mir, es ist schwer in
       eine Zahl zu fassen, ab welcher Quote eine Bevölkerung immun ist. Bei 90
       Prozent der Erwachsenen oder 95 Prozent? Man kann das natürlich trotzdem
       politisch entscheiden. Ich finde es aber für eine Begründung schwierig und
       halte es für besser, die Impfpflicht klar einzugrenzen: So viele Impfungen
       und so lange. Das schafft Verlässlichkeit. Österreich hat es so gemacht und
       die Impfpflicht auf zwei Jahre begrenzt. Sollte irgendetwas passieren, was
       man nicht vorhersehen kann, dann müssen wir mit einer neuen
       gesellschaftlichen Debatte einen neuen Anlauf nehmen.
       
       Wie soll die Impfpflicht kontrolliert werden? Ein nationales Impfregister,
       in dem erfasst wird, wer geimpft ist, wird ja jetzt doch nicht eingeführt,
       oder? 
       
       Ich habe große Sympathien für ein Impfregister, aber wir kriegen es
       zeitlich nicht mehr hin. Deshalb wollen wir es nicht zur Voraussetzung für
       eine Impfpflicht machen. Unsere Vorstellung ist, den Impfnachweis beim
       Zugang zu verschiedenen Einrichtungen zur kontrollieren, ähnlich wie es
       bereits jetzt der Fall ist, bei 2G und 3G. Zusätzlich soll es
       stichprobenartige Kontrollen der Ordnungsbehörden geben. Und die sind dann
       auch mit Bußgeld bewehrt. Diese Kombination aus Nachweispflicht und Bußgeld
       ist etwas, was durchaus einen hohen Druck erzeugen kann.
       
       Die Höhe des Bußgeldes soll wohl im mittleren dreistelligen Bereich. Wer es
       sich leisten kann, kauft sich frei? 
       
       Bei den Bußgeldern sind verschiedene Möglichkeiten im Gespräch, etwa die
       Möglichkeit, sie einkommensbezogen zu erheben. Es gibt aber auch die
       Diskussion, das Bußgeld aufwachsen zu lassen, also 100 Euro beim ersten und
       500 Euro beim dritten Verstoß. Ich persönlich kann mir so eine solche
       Staffelung, die dann relativ schnell nach oben geht, gut vorstellen. Man
       kann dem aber auch einfach dadurch entgehen, dass man sich impfen lässt.
       
       [2][Der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann] erarbeitet einen Entwurf, der eine
       Impfpflicht ab 50 vorsieht. Ist das nicht ein guter Kompromiss zwischen
       keiner Impfpflicht und einer für alle? 
       
       Ich glaube nicht, dass uns ein Kompromiss hilft, wenn das Ziel eine
       Grundimmunisierung der Bevölkerung ist. Und ich bin bei den altersbezogenen
       Fragen sehr skeptisch. Auch der Ethikrat hat das ja sehr strittig
       diskutiert. Wieso muss sich der dicke, ungesund lebende 35-Jährige nicht
       impfen lassen, aber der sportliche 55-Jährige, der vegan lebt? Solche
       Diskussion finde ich schwierig. Es ist besser, Klarheit zu schaffen und zu
       sagen: Alle sind mit allen solidarisch und wir gehen jetzt mit allen
       Erwachsenen diesen Weg raus aus der Pandemie.
       
       Im Bundestag werden die Meinungen aufeinander treffen. Was erhoffen Sie
       sich von der Orientierungsdebatte? 
       
       Dass sie Orientierung bietet. Das Thema ist komplex, es hat viele Facetten
       und viele Fragestellungen. Ich glaube, dass es wichtig ist zu zeigen, dass
       wir alle im Parlament das Thema sehr, sehr ernst nehmen und all das, was ja
       auch in der Bevölkerung diskutiert wird, auf den Tisch legen, Argumente
       austauschen und so auch zur Meinungsbildung beitragen.
       
       Die SPD und Kanzler Olaf Scholz haben sich ziemlich klar festgelegt, dass
       sie die Impfpflicht wollen. Wie optimistisch sind Sie, dass sich eine
       Mehrheit der Abgeordneten für eine solche ausspricht? 
       
       Ich bin optimistisch, dass wir für eine allgemeine Impfpflicht auch eine
       Mehrheit bekommen. So nehme ich auch die Debatten in den verschiedenen
       Fraktionen wahr. Genau sehen wird man das, wenn dann die Gesetzesentwürfe
       auf dem Tisch liegen und sich alle entscheiden müssen.
       
       Wann wird der Gesetzentwurf zur allgemeinen Impfpflicht auf dem Tisch
       liegen? 
       
       Bald.
       
       Können Sie das eingrenzen? 
       
       Nein. Sonst heißt es wieder, hier wurden Versprechen nicht eingehalten.
       
       Dass die Impfpflicht Ende März im Bundestag abgestimmt werden soll, gilt
       aber weiterhin? 
       
       Ja.
       
       Sollte die Impfpflicht kommen – wird sie die polarisierte Stimmung in der
       Bevölkerung weiter aufheizen oder trägt sie zur Befriedung bei? 
       
       Ich glaube, dass wir uns jetzt einfach mal für einen Weg entscheiden
       müssen, den wir gehen und der uns aus der Pandemie führt. Und die
       Entscheidung für diesen Weg wird zur Befriedung beitragen.
       
       26 Jan 2022
       
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